
Wir können großen Schaden anrichten, wenn wir voreilige Schlüsse über Menschen ziehen und diese an andere weitergeben. Jesus lehrt uns, mit Weisheit und Liebe zu urteilen.
Von Robin Webber
„Loose lips sink ships“ („Lose Lippen versenken Schiffe“) ist eine amerikanische Redewendung, die vor unüberlegten Äußerungen warnt. Dieser Spruch tauchte während des Zweiten Weltkriegs auf Plakaten auf. Er gehörte zu einer Kampagne, die Militärs und Bürger dazu aufforderte, unbedachte Bemerkungen zu vermeiden, die die Kriegsführung gefährden könnten. Die Plakate sollten nicht nur mögliche Spionage verhindern. Sie sollten auch Gerüchte unterbinden, die zu Entmutigung, Frustration, Streiks und zu anderem Verhalten führen könnten, die den nationalen Zusammenhalt beim Kampf um den Sieg gefährden könnte.
Vielleicht fragen Sie sich, was ein Kriegsslogan mit der Aufforderung Jesu Christi „Folgt mir nach!“ zu tun hat (Matthäus 4,19; alle Hervorhebungen durch uns). Lassen Sie mich offen sagen: Auch wir kämpfen täglich mit unserer menschlichen Natur, die durch unbedachte Äußerungen viel um uns herum zerstören kann. Ein Anflug von Egoismus kann nicht nur „Schiffe versenken“. Er kann Herzen erschüttern und Beziehungen zwischen Familienmitgliedern, Nachbarn, Kollegen, Glaubensbrüdern zerstören, sogar Menschen, die wir nie persönlich getroffen haben.
Denken wir an die Anweisungen Jesu in einer bekannten, aber oft vernachlässigten Bibelstelle – der Aufforderung „Geh hin [zu deinem Bruder]“ in Matthäus 18, Verse 15-17. Dort sagt Jesus: „Sündigt aber dein Bruder an dir, so geh hin und weise ihn zurecht zwischen dir und ihm allein. Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder gewonnen“ (Matthäus 18,15). Damit teilt Jesus uns die geistliche Wahrheit mit, dass geometrisch gesehen die kürzeste Entfernung zwischen zwei Punkten eine Gerade ist.
Hand aufs Herz: Wie oft setzen wir diese Belehrung unseres Meisters in die Tat um? Oder geben wir leichtfertig negative Informationen an alle weiter, nur nicht an den Betroffenen selbst? Denken wir daran, dass unser himmlischer Vater und sein Sohn auch unsere Zuhörer sind, unabhängig davon, ob wir unseren Worten Taten folgen lassen oder nur darüber reden.
Wir alle müssen besser darauf achten, keine vorschnellen Schlüsse über andere zu ziehen oder unüberlegte Aussagen über sie zu machen.
Vorbild sein für ein gerechtes Urteil und die Nächstenliebe
Schauen wir uns Matthäus 18, Vers 16 genauer an: „Hört er nicht auf dich, so nimm noch einen oder zwei zu dir, damit jede Sache durch den Mund von zwei oder drei Zeugen bestätigt werde.“ Der nächste Schritt besteht darin, die Angelegenheit vor anerkannte geistliche Schiedspersonen zu bringen.
Jesus wiederholte hier einen Grundsatz, der bereits im Alten Bund verankert war. In 5. Mose 19, Vers 15 heißt es unmissverständlich, dass ein einziger Zeuge nicht ausreicht, um jemanden zu verurteilen: „Es soll kein einzelner Zeuge gegen jemand auftreten wegen irgendeiner Missetat oder Sünde, was für eine Sünde es auch sei, die man tun kann, sondern durch zweier oder dreier Zeugen Mund soll eine Sache gültig sein.“ Diese von Gott gegebene Formel für wahre Gerechtigkeit findet sich auch in 4. Mose 35,30 und 5. Mose 17,6 und unterstreicht diesen Punkt.
Was bedeutet es für uns als Nachfolger Jesu Christi, diesen alttestamentlichen Grundsatz zu betrachten und in unsere Zeit zu übertragen? Gottes Weisheit definiert Liebe und Gerechtigkeit ausgewogen und auch für alle gleich. Und hier sehen wir seine Mahnung zur Besonnenheit, um das Wohl aller zu sichern – des Opfers sowie des Angeklagten. König David verkündet in Psalm 145, Verse 17-18: „Der Herr ist gerecht in allen seinen Wegen und gnädig in allen seinen Werken. Der Herr ist nahe allen, die ihn anrufen, allen, die ihn ernstlich anrufen.“
Kurz bevor die Israeliten den Jordan überquerten und ins Gelobte Land einzogen, gab Gott ihnen diese Anweisungen, damit sie gerecht urteilen und ihren Ruf bewahren konnten. Sie dienten nicht nur sich selbst, sondern auch den benachbarten heidnischen Völkern als kollektives Zeugnis für den großen und gerechten Gott, der sie erlöst hatte. Ihr tägliches Beispiel sollte zeigen, dass seine Wege funktionieren und am besten geeignet sind, die Menschheit vor dem „Gesetz des Dschungels“ zu retten, das darin besteht, zuerst und schnell zuzuschlagen, um das eigene Überleben zu sichern.
Gott teilte dem alten Israel seine Absichten mit, indem er Mose seine Gebote und Grundsätze verkünden ließ. Israel wurde dazu berufen, ein Licht für die Heiden und zu sein.
„Sieh, ich hab euch gelehrt Gebote und Rechte, wie mir der Herr, mein Gott, geboten hat, dass ihr danach tun sollt im Lande, in das ihr kommen werdet, um es einzunehmen. So haltet sie nun und tut sie! Denn dadurch werdet ihr als weise und verständig gelten bei allen Völkern, dass, wenn sie alle diese Gebote hören, sie sagen müssen: Ei, was für weise und verständige Leute sind das, ein herrliches Volk! Denn wo ist so ein herrliches Volk, dem ein Gott so nahe ist wie uns der Herr, unser Gott, sooft wir ihn anrufen? Und wo ist so ein großes Volk, das so gerechte Ordnungen und Gebote hat wie dies ganze Gesetz, das ich euch heute vorlege?“ (5. Mose 4,5-8).
In 5. Mose 18, Vers 15 sagte Mose voraus, dass Gott einen Propheten wie ihn aus dem Volk Israel senden würde, auf den sie hören sollten: „Einen Propheten wie mich wird dir der Herr, dein Gott, erwecken aus dir und aus deinen Brüdern; dem sollt ihr gehorchen.“ Dies war eine Prophezeiung auf Jesus Christus (Apostelgeschichte 3,20-23).
Aber dieser Prophet sollte nicht nur ein Mensch sein. Vielmehr sollte der Herr, der als Erlöser und göttlicher Gesetzgeber bezeichnet und gepriesen wurde, später als Gott in Menschengestalt zur Erde kommen: „Und sie [Jesu Mutter Maria] wird einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk retten von ihren Sünden. Das ist aber alles geschehen, damit erfüllt würde, was der Herr durch den Propheten gesagt hat, der da spricht: Siehe, eine Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären, und sie werden ihm den Namen Immanuel geben, das heißt übersetzt: Gott mit uns“ (Matthäus 1,21-23).
In seinem Evangelium beschrieb der Apostel Johannes das Wirken Jesu, der sich als der „Ich bin“ (2. Mose 3,14) den Israeliten offenbart hatte (Johannes 1,1-3. 14; 8,58) und nun als der erhöhte und auferstandene Christus in göttlicher Herrlichkeit wiederkommen wird (Johannes 14,1-3; 17,5).
Der Gott, der die Israeliten ins Gelobte Land führte, war „der Fels““ (5. Mose 32,4. 15. 18. 30-31). Und wie identifizierte der Apostel Paulus ihn? „Der Fels war Christus“ (1. Korinther 10,4).
Die Heilige Schrift offenbart unmissverständlich, dass Jesus von Nazareth als erhabener Gesetzgeber und geistlicher Erlöser zur Erde kam. Er ermöglichte es den Menschen, nicht nur Meere und Flüsse zu überqueren, sondern auch durch den Tod hindurch zum Leben zu gelangen. Dieser größere göttliche Prophet als Nachfolger des Mose spiegelt mit anderen Worten in seiner Bergpredigt wider, was wir bereits in 5. Mose 4, Verse 6-8 gelesen haben.
So fordert er heute seine Jünger auf, ein „Licht“ für alle zu sein, denen sie in ihrem Leben begegnen. „Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind. So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen“ (Matthäus 5,14-16). Dazu gehört auch, gerecht zu urteilen und einander zu lieben (Johannes 7,24; Johannes 13,34-35).
„Weißt du schon das Neueste?“
Sie könnten nun sagen: „Ich war in letzter Zeit nicht vor Gericht. Was könnte diese Anweisung in Bezug auf Zeugenaussagen mit meiner Beziehung zu Gott, meinen Nächsten oder sogar einem Fremden zu tun haben?“ Die Frage ist berechtigt und bedarf einer Antwort.
Es gibt eine Frage, die wir manchmal von sogenannten „wohlmeinenden Menschen“ hören: „Weißt du schon das Neueste?“ In dem Moment der Ansprache entscheidet unser Herz, was wir mit diesem „Hörensagen“ einer Einzelperson anfangen. Lassen wir uns darauf ein oder bremsen wir es bis zum Stillstand? So oft werden wir impulsiv zu Richtern, Anklägern, Geschworenen und – wenn ich das sagen darf – zu Henkern im Gerichtssaal unseres Geistes.
Ein einfaches Sprichwort aus Sprüche 18, Vers 17 sollte uns bei jeder Begegnung dieser Art als Ausgangspunkt dienen: „Wer als Erster vor Gericht aussagt, scheint recht zu haben; dann aber kommt sein Gegner und zeigt die andere Seite auf“ („Hoffnung für alle“-Bibel) Gott weist uns an, nicht voreilig Schlüsse zu ziehen, sondern abzuwarten und die Angelegenheit mit mehr als einer Person zu besprechen.
Wir sollen immer daran denken, dass „wo aber viele Ratgeber sind, findet sich Hilfe“ (Sprüche 11,14). Auf diese Weise verpassen wir nicht den geistlichen Lohn, den wir für unsere Geduld erhalten werden: „Die Geduld aber soll ihr Werk tun bis ans Ende, damit ihr vollkommen und unversehrt seid und kein Mangel an euch sei“ (Jakobus 1,4).
Ich möchte Ihnen die Geschichte eines Mannes erzählen, der ständig tratschte und Falschinformationen verbreitete. Er wollte sich bessern und suchte Rat bei seinem Pfarrer. Er gestand seine Schuld ein und fühlte sich sehr schlecht, doch was konnte er tun, um seine Fehler wiedergutzumachen?
Sein Pfarrer sagte zu ihm: „Geh und lege eine Feder vor jedes Haus, in dem du deine großen Reden geschwungen hast. Komm dann zurück und ich erzähle dir, wie es weitergeht.“ Der Reumütige machte sich gerne auf den Weg und tat dies auch, weil er glaubte, das Schlimmste damit überstanden zu haben. Er kam zurück und fragte: „Was nun?“
Der Pfarrer sagte zu ihm: „Geh, sammle alle Federn auf, die du hingelegt hast, und bring sie mir.“ Der Mann wurde blass. Verlegen blickte er zu Boden und sagte: „Das ist unmöglich, denn die Federn sind in alle Winde verstreut.“ Der Pfarrer sagte: „So geht es auch mit deinen Worten! Geh jetzt und betrachte dies als wichtige Lektion.“
Bis zum nächsten Mal! Beherzigen wir die gerechte Weisheit dessen, der uns auffordert: „Folgt mir nach!“, sowohl in der Art, wie wir Dinge wahrnehmen und dann zu ausgewogenen und liebevollen Schlüssen kommen, als auch darin, wie wir weitergeben, was wir über andere wissen oder zu wissen meinen. So werden wir Teil der Lösung und nicht Teil des Problems.
Erinnern wir uns daran, dass Jesus uns dazu berufen hat, ein Licht in dieser dunklen Welt zu sein und es weiterzutragen, und nicht dazu, die Sinnlosigkeit zu erfahren, Federn zu sammeln!