Der Morgenthau-Plan und Griechenlands Schuldenkrise

Von der Redaktion

Viele der jüngeren Leser unserer Zeitschrift werden mit dem Namen Henry M. Morgenthau jr. nicht viel anfangen können. Vor 66 Jahren war Herr Morgenthau der amerikanische Finanzminister im letzten Jahr des Zweiten Weltkriegs. Am 2. September 1944 veröffentlichte Morgenthaus Ressort einen Vorschlag für die Zukunft Deutschlands nach dem Krieg. Als der Morgenthau-Plan in die Geschichte eingegangen, sah er eine Umwandlung Deutschlands von einem Industrieland in eine Agrarwirtschaft vor. Für diesen Wandel in der wirtschaftlichen Struktur der deutschen Nation waren zwanzig Jahre vorgesehen.

Der Morgenthau-Plan blieb jedoch nur eine Idee, denn sowohl das amerikanische Außenministerium als auch das Kriegsministerium lehnten ihn ab. Auch der amerikanische Präsident Franklin D. Roosevelt distanzierte sich bald von dem Plan, so dass er am 1. Oktober 1944 aufgegeben wurde. Somit war der Morgenthau-Plan nie eine offizielle Position der amerikanischen Regierung.

Was wäre jedoch gewesen, wenn sich die Hauptsäule der deutschen Wirtschaft in der Nachkriegszeit pastoral statt industriell gestaltet hätte? Hätte es die Römischen Verträge von 1957 gegeben? Wenn ja, wäre die Entwicklung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, Europäischen Gemeinschaft und Europäischen Union so gelaufen, wie sie in den letzten 50 Jahren gelaufen ist? Wäre die EU heute der größte und stärkste Handelsraum der Welt geworden?

Wahrscheinlich nicht. Die Dinge in Europa würden ganz anders aussehen, und es hätte wohl auch keinen Euroraum gegeben. Ohne eine starke deutsche Wirtschaft hätte Europa nicht den Motor gehabt, den es heute mit Deutschland hat.

Seit Wochen macht die griechische Schuldenkrise Schlagzeilen. Gerade heute, als diese Spalte vorbereitet wurde, erläuterte die deutsche Bundeskanzlerin im Bundestag den Standpunkt ihrer Regierung zu dem Beitrag zur Bewältigung der Krise, den Deutschland schultern wird: Kreditgarantien in Höhe von 22 Milliarden Euro.

Solche Probleme hätte Deutschland bzw. der Euroraum heute nicht, wenn der Plan von Henry M. Morgenthau jr. damals verwirklicht worden wäre. Er durfte aber nicht umgesetzt werden, denn die prophetische Vision eines wiedererstarkten Europas als Vorbote einer letzten Wiederbelebung des Römischen Reiches wäre ohne ein dazugehöriges starkes Deutschland nur schwer vorstellbar gewesen. Trotz der momentanen Krise darf nicht vergessen werden, dass der Euro heute gegenüber dem US-Dollar ca. dreißig Prozent höher bewertet ist als zur Zeit seiner Einführung vor acht Jahren.

Die gleiche Quelle, die bibelkundige Menschen vor 65 Jahren zu der Vorhersage bewegten, Deutschland würde aus den Trümmern des Zweiten Weltkriegs auferstehen, um Europa anzuführen, steht uns heute immer noch zur Verfügung. Vor nur 20 Jahren schien die Position der USA als Supermacht nach dem Sieg im sogenannten „kalten Krieg“ schier unanfechtbar zu sein. Doch anstelle der erwarteten Friedensdividende stürzte sich Amerika mit dem Irakkrieg in hohe Militärausgaben. Die gegenwärtige Finanzkrise kratzt am Lack der Supermacht. Wie geht es weiter? Dazu empfehlen wir Ihnen unseren Leitartikel auf Seite 4.