Europa:
Die neue Supermacht in spe

Mit der Ratifizierung des Lissabonner Vertrags nimmt die Europäische Union Kurs auf die Zukunft. Seit dem Niedergang des Römischen Reiches vor 1500 Jahren haben die Europäer davon geträumt, ihren Kontinent zu vereinen. Wird dieser Traum jetzt Wirklichkeit? Erleben wir die Geburt einer Supermacht, wie sie in den Prophezeiungen der Bibel vorhergesagt wird?

Von Melvin Rhodes

Ich habe zum ersten Mal in den frühen 1960er Jahren vom Gemeinsamen Markt gehört. Von dem US-amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy ermutigt, hatte sich die konservative britische Regierung von Harold Macmillan 1962 um einen Beitritt beworben. Doch der französische Präsident Charles de Gaulle antwortete mit einem deutlichen „Non!“.

Damals erlebte Großbritannien grundlegende Veränderungen. Nach vier Jahrhunderten löste sich das britische Weltreich auf. Der einstige US-Außenminister Dean Acheson meinte dazu, die Briten hätten in dem gleichen Jahr „ein Empire verloren und noch keine neue Funktion gefunden“.

Inmitten des stürmischen Jahrzehnts der 1960er Jahre begannen „Piratensender“, untergebracht auf Schiffen vor der Küste Englands, eine regelmäßige Kost an Popmusik nach Großbritannien auszustrahlen. Die Schiffe waren außerhalb der damaligen Dreimeilenzone positioniert und entzogen sich damit der Funkaufsicht der britischen Behörden.

Allein durch Werbung finanziert, boten die „Piratensender“ endlose Popmusik an, womit sie sich eine größere Zuhörerschaft sicherten. Doch die Finanzierung durch Werbespots wurde ihnen letztendlich zum Verhängnis. So konnte die britische Regierung gegen sie vorgehen, indem sie die in Großbritannien beheimateten Auftraggeber mit Strafverfolgung belegte. Am 15. August 1967 verbuchte die britische Regierung einen Erfolg, als alle „Piratensender“ den Funkbetrieb einstellten.

Das geschah aber nicht, bevor eine starke geistliche Botschaft das Land erreicht hatte. Eine Sendung mit dem Titel Die Welt von morgen verkündete biblische Lehren in einer Weise, wie ich es nie zuvor gehört hatte. Während ich das Buch der Offenbarung immer als schwer verständlich empfunden hatte und meine eigene Kirche nicht in der Lage war, es zufriedenstellend zu erklären, wurde es in der Welt von morgen-Sendung gut ausgelegt. Die Sendungen mit biblischen Prophezeiungen zum Inhalt verliehen der Bibel besondere Bedeutung für unsere Zeit.

Die Sendungen der Welt von morgen, die sich mit biblischen Prophezeiungen befassten, schienen sich auf drei Themenbereiche zu konzentrieren: den bevorstehenden Niedergang der englischsprachigen Länder, den Aufstieg eines vereinten Europas und die geopolitische Wichtigkeit des Nahen Ostens.

Mehr als 40 Jahre später sind das immer noch die drei Hauptthemen der biblischen Prophezeiung, die heute mehr als jemals zuvor die internationale Berichterstattung und das Weltgeschehen dominieren.

Europas unbemerkter Aufstieg

Die 1960er Jahre waren sowohl in den USA als auch in Großbritannien von Unruhen und großen Veränderungen geprägt. In den USA gab es Studentenproteste gegen den Krieg in Vietnam und Rassenunruhen. In Großbritannien kam 1964 die sozialistische Labour-Regierung an die Macht und begann damit, Gesetze zu ändern, die seit Jahrhunderten in Kraft gewesen waren. Bald waren Abtreibungen erlaubt und der Scheidungsprozess wurde erleichtert. Gleichzeitig litt das Land weiterhin unter großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten.

Im Nahen Osten führten die Araber und die Israelis zum dritten Mal in weniger als 20 Jahren wieder Krieg gegeneinander. Die Briten zogen sich aus der Region zurück, nachdem es ihnen nicht gelungen war, einen Aufstand in Aden niederzuschlagen. Fast unbemerkt begann in dieser Zeit der Einigungsprozess Europas.

Nach dem Zweiten Weltkrieg lag der europäische Kontinent in Trümmern. Deutschland hatte innerhalb von 30 Jahren zweimal versucht, Europa zu erobern. Zu Lebzeiten mancher Menschen war Frankreich dreimal von Deutschland angegriffen worden – 1870, 1914 und dann noch einmal 1940.

Aber in den 1960er Jahren waren diese traditionellen Feinde, deren gemeinsame Geschichte auf Karl den Großen zurückgeht, fest dazu entschlossen, nie wieder Krieg gegeneinander zu führen. Winston Churchill hatte die Vereinigten Staaten von Europa als die beste Friedenspolitik für die Zukunft Europas bezeichnet. Am Ende des Zweiten Weltkrieges hatte Churchill auch gesagt, dass Deutschland nie wieder zur Macht gelangen werde. Aber einer der Sprecher der Welt von morgen-Sendung, die ich mir regelmäßig anhörte, sagte, basierend auf seinem Verständnis biblischer Prophezeiungen, genau das Gegenteil voraus.

Wer hatte Recht? Winston Churchill oder der Sprecher der Welt von morgen-Sendung? Deutschland ist in der Tat wieder aufgestiegen und erfreut sich heute, selbst in der gegenwärtigen Finanzkrise, einer der stärksten Volkswirtschaften der Welt. Als Weltmeister des Exports nimmt Deutschland es sogar mit China mit seiner 16-fach größeren Bevölkerung auf.

Ein immer engerer Zusammenschluss

Einer der Gründe für Deutschlands Erfolg in den Nachkriegsjahren war die wachsende Einheit Europas. In ihrem Buch An Idea of Europe schreiben Richard Hoggart und Douglas Johnson: „Jemand hat gesagt, dass 1945, als sich der Rauch der Schlacht verzogen hatte, in einer Ecke des Feldes eine nackte und ausgeplünderte Leiche gefunden wurde. Es war die Leiche Europas. Oder besser gesagt, es war die Leiche eines bestimmten Europas. Es war das Europa, das sich als Personifizierung der Zivilisation selbst sah, das Europa des Humanismus und der Weltherrschaft in den Bereichen Religion, Wissenschaft, Handel und Arbeitskraft.

Dann trat in den späten 1950er und 1960er Jahren ein neues Europa in Erscheinung. Das war ein Europa, das die Einheit betonte und die Schaffung eines großen Produktionszentrums anstrebte, das modern und fortschrittlich sein und ein System der Gerechtigkeit und des Gemeinwohls schaffen wollte. Es wollte auch ein Beispiel für internationale Zusammenarbeit abgeben. Dieses Europa, das westliche Europa mit der Europäischen Gemeinschaft, behauptete, mehr als nur ein Kontinent zu sein“ (1987, Seite 5).

1951 bildeten Frankreich, die Bundesrepublik Deutschland, Italien und die Beneluxstaaten (Belgien, die Niederlande und Luxemburg) die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (oft auch Montanunion genannt). 1957 verstärkten diese Staaten ihre Integration durch die Unterzeichnung der Römischen Verträge, womit die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) gegründet wurde. Die sechs Gründerstaaten verpflichteten sich, „die Grundlagen für einen immer engeren Zusammenschluss der europäischen Völker zu schaffen“.

Damit war Großbritannien nicht dabei. Es gab immer noch die Verträge mit den Überseegebieten, die es den Briten ermöglichten, sich günstiger Nahrungsmittelimporte zu erfreuen und einen sicheren Markt für ihre Exporte zu haben.

Aber Großbritannien befand sich im industriellen Niedergang. Es benötigte neue Märkte für seine Exporte. Angesichts des zunehmenden Erfolgs der EWG hatten viele Briten das Gefühl, eine Gelegenheit verpasst zu haben, als sie 1957 nicht beitraten. Fünf Jahre später bewarb sich Großbritannien um eine Mitgliedschaft und wurde abgelehnt. Als es sich 1971 erneut bewarb, sagte der neue französische Präsident Georges Pompidou „Oui!“ zur britischen Mitgliedschaft, weil er Deutschlands Einfluss eindämmen wollte und in Großbritannien ein mächtiges Gegengewicht zu Deutschland sah.

Am 1. Januar 1973 erweiterte sich die EWG mit dem Beitritt Großbritanniens, Irlands und Dänemarks auf neun Länder. Später kamen weitere Mitglieder hinzu, womit die EWG zwölf Mitgliedsstaaten umfasste.

Diese Nationen rückten 1992 noch enger zusammen, als sie den Vertrag von Maastricht unterzeichneten und damit zur Europäischen Union (EU) wurden. Das spiegelte die Tatsache wider, dass die neue Einheit mehr als nur ein gemeinsamer Wirtschaftsmarkt war. Sie wurde zunehmend zu einer politischen Union. Neue Mitglieder wurden zugelassen, darunter viele aus Osteuropa, die sich früher unter sowjetischer Herrschaft befanden. Bis 2007 war die Zahl der Mitglieder auf 27 Staaten angewachsen.

Bis Ende 2009 wurde dann der Vertrag von Lissabon von allen 27 EU-Ländern ratifiziert. Der Vertrag stellt praktisch eine neue Verfassung für Europa dar. Durch ihn erhält die EU ihren eigenen Langzeitpräsidenten (über den Europäischen Rat der Staatsoberhäupter), sowie ein eigenes Außenministerium mit einem eigenen Auswärtigen Dienst.

Der Wunsch nach einem „immer engeren Zusammenschluss“ dauert schon länger als fünf Jahrzehnte an. Europa ist jetzt im Begriff, den Status als Supermacht zu erlangen, die sich mit den USA messen kann. Es ist bereits der größte Binnenmarkt der Welt und bei weitem die größte Handelsmacht der Welt. Europas Wirtschaft ist fast so groß wie die der USA und Chinas zusammengenommen!

Während sich die USA in einem ernsthaften – und manche würden sagen sogar endgültigen – Niedergang befinden, schreitet Europa gegenwärtig voran. Es gibt eine zunehmende Anzahl von Ländern, die der EU beitreten wollen. Andere wollen mit ihr Handelsabkommen abschließen.

Ein jahrhundertealter Traum

„Die Wiederbelebung des antiken Begriffs ,Europa‘ erfolgte am Hof von Karl dem Großen“, schrieb der britische Historiker Norman Davis 1996 in seiner History of Europe (Seite 302). „Die Karolinger, das Herrschergeschlecht der Franken, von denen Frankreich seinen Namen ableitet, regierten nach dem Fall des weströmischen Reiches in Westeuropa. Sie brauchten einen Begriff für den Teil der Welt, den sie dominierten, der ihn von den heidnischen Ländern, dem byzantinischen Reich [dem oströmischen Reich, das weiterhin als ein christlicher Staat Bestand hatte] und dem Christentum im Allgemeinen unterschied. Das ,erste Europa‘ war daher ein kurzlebiges westliches Konzept, das nicht länger Bestand hatte als Karl selbst“ (ebenda).

Karl der Große, der am Weihnachtstag 800 n. Chr. vom Papst gekrönt worden war, beflügelt 1200 Jahre später immer noch den Traum von einer europäischen Einheit.

Jedes Jahr verleihen die Einwohner seiner alten Hauptstadt Aachen den Karlspreis an die Person, die in den vergangenen zwölf Monaten am meisten zur europäischen Einheit beigetragen hat. Zum Schluss der wöchentlichen Berichterstattung über Europa im Nachrichtenmagazin The Economist findet sich die „Karl der Große“-Seite – ein Sonderartikel, der sich jeweils mit bestimmten Aspekten der weiteren europäischen Integration befasst.

Das Reich Karls des Großen vereinte die Franzosen und die Deutschen, zwei Nationen, die in den sieben Jahrzehnten vor 1945 dreimal gegeneinander Krieg geführt haben. Ihr fortlaufender Konflikt half dabei, die Idee einer europäischen Einheit hervorzubringen – den Wunsch, dass der Kontinent nie wieder vom Krieg zerrissen würde.

Allein schon unter diesem Gesichtspunkt war die Europäische Union sehr erfolgreich. Von 1945 bis in die 1990er Jahre, als nach dem Zerfall Jugoslawiens, einem Land, das kein Mitglied der Europäischen Union war, auf dem Balkan Gewalt ausbrach, gab es keine gewaltsamen Konflikte. Mitgliedsstaaten der EU trugen mit zu den Bemühungen bei, die Konflikte in der Region zu beenden. Teile des ehemaligen Jugoslawiens sind bereits Mitglieder der EU, andere wollen beitreten.

Weitere Einigungsversuche

Karl der Große war nicht der letzte Herrscher, der Europa zu einen suchte. Seit dem Fall des Römischen Reiches im fünften Jahrhundert n. Chr. gab es Bemühungen um eine Vereinigung. Chaos und Verwirrung, oft als „finsteres Mittelalter“ bezeichnet, folgten auf den Untergang des Reiches. Kriegerische barbarische Stämme drangen in früher zivilisierte Gebiete ein.

Im 6. Jahrhundert versuchte der oströmische Kaiser Justinian, der von Konstantinopel (dem heutigen Istanbul in der Türkei) aus regierte, das Römische Reich im Westen wiederherzustellen. Er war teilweise erfolgreich, aber sein Traum überdauerte ihn nicht.

Im 8. Jahrhundert sind muslimische Araber in Spanien eingefallen und schnell nach Norden vorgedrungen. Nur 21 Jahre später standen sie kurz vor Paris. Das westliche Christentum der römischen Kirche war bedroht. Hier, in der berühmten Schlacht von Tours und Poitiers, wurden die Muslime 732 n. Chr. von Charles Martel, dem Großvater von Karl dem Großen, besiegt. Kein Wunder, dass Karl der Große vom Papst gekrönt wurde, der erkannte, dass der Westen genauso einen Kaiser brauchte, wie der Osten ihn hatte.

Der Historiker John Bowle merkt an, dass „dieses Ereignis von entscheidender Bedeutung für die europäische Geschichte war, denn das wiedererstandene westliche Reich würde, im Mittelalter als ,heilig‘ und römisch geltend, bis zu der Zeit von [Kaiser] Karl V. im 16. Jahrhundert weiter bestehen; danach . . . weiterhin bis 1806, als Napoleon es abschaffte“ (A History of Europe, 1979, Seite 170).

Die europäische Geschichte durchzieht eindeutig ein wiederkehrendes Thema – das des Wunsches nach einem vereinten Europa in der Tradition der Römer. Sogar noch weitergehend: Es bestand der Wunsch nach einem vereinten Europa im Zusammenschluss mit der Kirche von Rom, so wie es im späten Römischen Reich der Fall gewesen war.

Es war der Papst, der Karl den Großen gekrönt hat. Es war auch ein Papst, der 962 n. Chr. Otto I. (den Großen) gekrönt und damit formell das Heilige Römische Reich etabliert hat, das bis 1806 andauerte.

„Die Herrschaft Otto des Großen (936-973 n. Chr.) markiert eine Stufe in der Entwicklung Deutschlands, die am ehesten durch die Aussage ausgedrückt wird, dass er das Heilige Römische Reich, das die heutigen Deutschen gerne ,das erste Reich‘ nennen, gegründet hat. Gemäß der ursprünglichen Auffassung war das Heilige Römische Reich nichts weiter als die Neuauflage des Reiches von Karl dem Großen“ (J. S. Davies, From Charlemagne to Hitler, 1994, Seite 16).

In diesem Sinne ist Karl der Große derjenige, der das Heilige Römische Reich gegründet hat, das eintausend Jahre lang bestand, bis es Napoleon dann abgeschafft hat. Diese tausend Jahre waren die Inspiration für Adolf Hitlers selbsternanntes „tausendjähriges Reich“, sein Drittes Reich, mit dem er die Pracht des Ersten neu erschaffen wollte.

John Bowle weist in dem bereits zitierten Buch auch darauf hin, dass „die Wiedererstehung des westlichen Reiches, das sich seit 476 n. Chr. [als der letzte westliche römische Kaiser entthront wurde] im Schwebezustand befand, die gemeinsame Zivilisation des lateinischen Christentums neu bestätigte“. Er erklärt auch, dass die Krönung von Otto dem Großen „nicht einen Stellvertreter [der römischen Kirche], sondern einen Rivalen, ja sogar einen Beherrscher schuf. Diese Handlung war der größte Fehler, den die mittelalterlichen Päpste jemals machten.“

All das stimmt mit den Details der biblischen Prophezeiungen überein.

Die Frau, die auf sieben Bergen sitzt

In dem biblischen Buch der Offenbarung finden wir zwei Themen, die die europäische Geschichte durchziehen und dem entsprechen, was der Historiker John Bowle in seinem Buch schreibt.

Bowle erwähnt im gleichen Absatz Karl den Großen, das Heilige Römische Reich, Karl V. und Napoleon, alles Wiederauferstehungen des westlichen Römischen Reiches, das im fünften Jahrhundert n. Chr. gefallen war. Er zeigt auch die ständig belastete Beziehung zwischen der Kirche und dem Staat auf, eine Beziehung, die in der Bibel als „Hurerei“ (Offenbarung 17,2) bezeichnet wird.

Hurerei bzw. sexuelle Unmoral wird hier symbolisch für die aus Gottes Sicht unerlaubte Beziehung zwischen der Kirche und den weltlichen Mächten gebraucht. Die gleiche Metapher wird heute benutzt, wenn Leuten, die unterschiedliche Interessen vertreten, nachgesagt wird, sie hätten ein „Techtelmechtel“ miteinander. Oder wenn etwa von „seltsamen Bettgenossen“ in der Politik die Rede ist. Hier wird bildhaft eine enge und manchmal heimliche Absprache beschrieben.

In Offenbarung 17, Verse 1-2 hatte der Apostel Johannes eine Vision darüber, wie sich diese Beziehung zwischen Kirche und Staat in der europäischen Geschichte entwickeln würde: „Und es kam einer von den sieben Engeln, die die sieben Schalen hatten, redete mit mir und sprach: Komm, ich will dir zeigen das Gericht über die große Hure, die an vielen Wassern sitzt, mit der die Könige auf Erden Hurerei getrieben haben; und die auf Erden wohnen, sind betrunken geworden von dem Wein ihrer Hurerei.“

Beachten Sie, dass die sexuelle Unmoral hier als Hurerei bezeichnet wird – als Prostitution. Das ist eine symbolische Beschreibung dafür, dass sich jemand selbst oder seine Gefälligkeiten verkauft, um materielle Vorteile bzw. Gewinn zu erlangen. Die römische Kirche hat, im Austausch für den Schutz durch den Staat sowie um den eigenen Aufstieg und die eigene Bereicherung zu sichern, staatliche Herrscher unterstützt und die allgemeine Untertanentreue gefördert. Solche gegenseitigen Vorteile liegen auch in der Natur sexueller Unmoral, die hauptsächlich von selbstsüchtigen Motiven statt von Liebe und Fürsorge innerhalb einer ernsthaften Ehe geprägt ist.

Das Neue Testament vergleicht die wahre Kirche Gottes mit einer Braut, die darauf wartet, ihren Ehemann, den wiederkehrenden Christus, zu heiraten (Epheser 5,23; Offenbarung 19,7). In Offenbarung 12, Vers 17 lesen wir von einer Frau, die Jesu wahre Kirche versinnbildlicht und deren Mitglieder, „die Gottes Gebote halten und das Zeugnis Jesu haben“.

Im Gegensatz zu dieser keuschen, treuen Kirche sehen wir in Offenbarung 17 eine Frau als „Hure“ beschrieben, die als Sinnbild für ein falsches Christentum zu verstehen ist. Es ist eine religiöse Institution, die sich selbst für politischen Einfluss und finanziellen Gewinn verkauft.

Diese hier beschriebene Kirche stellte eine mächtige Kraft in der europäischen Geschichte dar und war an mehreren Wiederauferstehungen des Römischen Reiches beteiligt – Karl der Große, Otto der Große, Karl V., Napoleon und andere.

Vers 10 von Offenbarung 17 zeigt, dass es sieben „Könige“ geben wird – Herrscher, die mit kirchlicher Billigung umfassende Versuche unternehmen werden, das Römische Reich im Laufe der Geschichte wiederherzustellen. Der letzte, einer, der „noch nicht gekommen“ ist, wird eine letzte Wiederauferstehung direkt vor dem zweiten Kommen Christi anführen.

Justinian, Karl der Große, Otto der Große, Karl V. und Napoleon repräsentierten die ersten fünf dieser Wiederauferstehungen, die wir identifizieren können. In jüngerer Zeit haben wir ein Fortbestehen dieser historischen Themen erlebt, als das Zweite Reich des Kaisers und Hitlers Drittes Reich auf das erste folgten.

Der jahrzehntelange Kampf zwischen den germanischen Völkern und anderen westlichen Nationen um die Herrschaft Europas stellte die sechste Wiederauferstehung des Römischen Reiches dar. Benito Mussolini, Hitlers Verbündeter in Italien, hat die Wiederauferstehung des Römischen Reiches 1922 ausdrücklich verkündet. Mussolini unterzeichnete Vereinbarungen mit dem römischen Papsttum und verlieh damit seinem Regime Legitimität. (Für weitere Informationen siehe den Artikel In der Bibel vorhergesagt: Europas erstaunlicher Aufstieg auf Seite 12.)

Eine letzte Wiederauferstehung des Römischen Reiches steht noch bevor

Die Grundlage für die letzte Wiederauferstehung des Römischen Reiches wurde 1957 mit der Unterzeichnung der Römischen Verträge gelegt, die, wie wir bereits erwähnt haben, die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft begründeten.

Die Europäische Union in ihrer gegenwärtigen Zusammensetzung kann nicht die letzte Aufstellung der siebten und letzten römischen Wiederauferstehung darstellen – auch wenn sie mit größter Wahrscheinlichkeit dazu führen wird.

Die Bibel sagt klar, dass die letzte Auferstehung zehn „Könige“ umfassen wird – was heute Präsidenten, Ministerpräsidenten oder Premierminister bedeuten könnte. „Das sind zehn Könige, die ihr Reich noch nicht empfangen haben; aber wie Könige werden sie für eine Stunde Macht [was auf eine sehr kurze Zeit hindeutet] empfangen zusammen mit dem Tier“ (Offenbarung 17,12).

Dieses „Tier“ ist der Titel, den die Bibel dem Führer dieses endzeitlichen Bündnisses gibt, das angesichts der wilden Natur in der Tradition seiner tyrannischen Vorgänger ebenfalls als „das Tier“ bezeichnet wird. Zusammen werden die Herrscher, die dieses Bündnis eingehen, „gegen das Lamm kämpfen“ – gegen den wiederkehrenden Jesus Christus (Vers 14).

Die Bibel macht keine klaren Aussagen darüber, was diesen Übergang zu den „zehn Königen“ auslösen wird. Vers 13 sagt, dass die zehn Führer dieser letzten Union „eines Sinnes“ sein und „ihre Kraft und Macht“ dem Tier übergeben werden.

Dabei könnte es sich um eine Entscheidung durch einige Mitgliedsnationen handeln, zu diesem „immer engeren Zusammenschluss“ voranzuschreiten und die anderen zurückzulassen. Äußere Umstände könnten irgendwie eine Veränderung erzwingen. Es könnte sich auch um einen Schritt über Europa hinaus handeln. Genauso wie das erste Römische Reich vor 2000 Jahren Gebiete außerhalb der Grenzen Europas mit einschloss, könnte sich auch diese letzte Wiederauferstehung über Europa hinaus erstrecken und andere Regionen mit einschließen.

Die nähere Zukunft

Die ersten Jahre nach der Ratifizierung des Lissabonner Vertrags stellen eine Prüfung für die Europäische Union dar. Was kommt als Nächstes? Ein Beitrag in der Sonderausgabe des britischen Magazins The Economist zu Beginn dieses Jahres sagte: „Die Angst vor der Bedeutungslosigkeit wird Europas Führer verfolgen. Sie haben ein neues Regelwerk entworfen, den Vertrag von Lissabon, der 2010 in Kraft treten wird und der Union das politische Gewicht verleihen soll, das seiner Handels- und Ordnungsmacht entspricht. Dessen erstes Jahr wird erweisen, ob dieser Entwurf wirklich funktioniert“ (David Rennie, „More Than a Museum?“).

In einem Artikel in einer früheren Ausgabe der Zeitschrift Gute Nachrichten zitierte ich aus dem 2008 erschienenen Buch Picking up the Reins von Norman Moss. Das Buch gibt einen umfassenden Überblick darüber, wie die Macht nach dem Zweiten Weltkrieg von Großbritannien auf die USA übertragen wurde. Das geschah, weil Großbritannien nach seiner Beteiligung an zwei Weltkriegen pleite war und es sich nicht länger leisten konnte, die Welt so zu dominieren, wie es das zwei Jahrhunderte lang getan hatte.

Die heutigen wirtschaftlichen Probleme Amerikas spiegeln diejenigen wider, die Großbritannien vor sechs Jahrzehnten erlebte. An irgendeinem Punkt wird Amerika seine vorherrschende Stellung in der Welt verlieren. Die Prophezeiungen der Bibel zeigen, dass ein wiederauferstandenes Römisches Reich die USA als globale Supermacht ablösen wird!

Die Ausgabe der kanadischen Zeitung Ottawa Citizen vom 24. Dezember 2009 enthielt einen von Karl Moore und David Lewis verfassten Artikel mit dem Titel „The Decline of Amerika“. Der Artikel schloss mit folgender bemerkenswerten Einschätzung der nahen Zukunft:

„Trotz aller Argumente der Europaskeptiker hat sich die Europäische Union in einen einzigartigen globalen Superstaat verwandelt. Europa hat jetzt einen Präsidenten, einen Außenminister, eine gemeinsame Währung, einen Pass, eine Verteidigungsindustrie, ein Überschallkampfflugzeug. Außerdem spielt es eine bedeutende internationale Rolle bei der Friedenssicherung.

Falls und wenn die USA damit beginnen, sich zurückzuziehen, ist es zwar nicht sicher, aber eine echte Möglichkeit, dass die Europäische Union das Vakuum in der westlichen Welt füllen wird . . .

Bietet die Vergangenheit den Schlüssel zur Zukunft? Wenn man fünf Jahrhunderte zurückgeht, dann beherrschten China und Indien die globale Wirtschaft. Die Türkei dominierte die Welt des Islam. Unter der Führung des jungen, dynamischen Habsburgers Karl V., der von Belgien aus regierte, kam Europa plötzlich zusammen. Karl versuchte die Ausbreitung des Islams aufzuhalten, die europäische Zivilisation zu verteidigen, den Kontinent zu einen und ein lateinamerikanisches Imperium zu gründen. Europa erfreute sich unter seiner Herrschaft weltweiten Einflusses, nicht nur durch militärische Macht, sondern auch durch ,Soft Power‘ [weiche Macht] und Diplomatie.

Wird Europa, falls Amerika einen Niedergang erlebt, dieses Vakuum teilweise auch als Reaktion auf die chinesische Herausforderung füllen? Einigen mag das eher unwahrscheinlich erscheinen, aber wir brauchen nur an die Welt von vor kaum zehn Jahren zu denken, als das anglo-amerikanische Modell des individuellen Kapitalismus triumphierte (und dabei vielleicht ein wenig arrogant war) und praktisch das Bild allein bestimmte und daran, wie viel sich seither geändert hat“ (Hervorhebungen durch uns).

In der Tat hat sich seither viel verändert. Und die Prophezeiungen der Bibel offenbaren, dass noch viel erstaunlichere Veränderungen in den kommenden Monaten und Jahren erfolgen werden. Lesen Sie daher weiterhin Gute Nachrichten, um die Entwicklungen, die unsere Welt verwandeln werden, besser zu verstehen. Wir empfehlen Ihnen auch unsere kostenlose Broschüre Amerika und Großbritannien: Was sagt die Bibel über ihre Zukunft?, die Sie bei uns bestellen oder im Internet als PDF-Datei herunterladen können.