Eine Geschichte der Ruhe

Warum gebot Gott die Einhaltung des Sabbats? Warum wird der Sabbat von fast allen Menschen mißverstanden?

Von Larry Walker

Gottes Sabbat ist eine Geschichte der Ruhe. Gemeinsam unternehmen wir in diesem Artikel eine chronologische Untersuchung der verheißenen Sabbatruhe in der Bibel.

Die Geschichte beginnt im ersten Buch der Bibel. In Kapitel 1 von 1. Mose wird die sogenannte Neuschöpfung der Erde – eine Umgestaltung der Erde nach der Rebellion Satans – beschrieben. Der erste Vers von Kapitel 2 faßt diese Schöpfung zusammen, und in Vers 2 wird eine andere Schöpfung beschrieben: der Anfang von Gottes geistlicher Schöpfung. Dabei ging es um die Einsetzung des Sabbats als Ruhetag am siebten Tag der Woche. Gott ging mit seinem eigenen Beispiel voran, indem er an diesem ruhte: „Und so vollendete Gott am siebenten Tage seine Werke, die er machte, und ruhte am siebenten Tage von allen seinen Werken, die er gemacht hatte. Und Gott segnete den siebenten Tag und heiligte ihn, weil er an ihm ruhte von allen seinen Werken, die Gott geschaffen und gemacht hatte“ (1. Mose 2,2-3).

Nachdem Gott die Himmel und Erde neu schuf, ruhte er am Sabbat von dieser schöpferischen Tätigkeit. Nach diesem Bericht schweigt die Bibel zum Sabbat bis zu Moses Lebzeiten. In dem Zeitalter der Patriarchen (Abel, Henoch, Noah usw.) erfahren wir nichts über den Sabbat.

Abraham war eine Schlüsselfigur – der letzte Patriarch und der Vater des Volkes Israel. Das Buch 1. Mose komprimiert das 2000jährige Zeitalter der Patriarchen zu nur elf Kapiteln. In Kapitel 12 lernen wir Abraham kennen, dessen Leben ausführlich beschrieben wird, ebenso das Leben seiner Nachkommen, die später zur Nation Israel wurden.

In 1. Mose 26, Vers 5 finden wir eine Aussage von grundlegender Wichtigkeit in bezug auf dieses große Beispiel des Glaubens: „... weil Abraham meiner Stimme gehorsam gewesen ist und gehalten hat meine Rechte, meine Gebote, meine Weisungen und mein Gesetz.“

Welche Gesetze? Das sagt die Bibel nicht. Der Expositor’s Bible Commentary stellt dazu fest: „Es ist bemerkenswert, daß der Gehorsam gegenüber dem sinaitischen Bund mit den gleichen Worten in 5. Mose 11, Vers 1 ausgedrückt wird.“ Kannte Abraham das Gesetz? Wenn ja, wie? Wenn nicht, wie sollen wir Gottes Beschreibung in 1. Mose 26, Vers 5 verstehen?

Sagt uns Gott, daß Abraham den gleichen Gesetzen gehorchte, die Israel beim Bundesschluß am Berg Sinai geboten wurden? Obiger Kommentar kommt zu dem Schluß, daß diese Gesetze Abraham „ins Herz geschrieben“ waren.

Ein genauer Vergleich beider Verse (1. Mose 26,5 und 5. Mose 11,1) offenbart einen wichtigen Unterschied im Wortlaut. Gott sagt, daß Abraham „meiner Stimme gehorsam gewesen ist“. Impliziert in diesem Wortlaut ist eine mündliche Überlieferung der Gesetze Gottes an Abraham. Gehörte der Sabbat zu diesen Gesetzen?

In Jakobus 2, Vers 23 wird Abraham „ein Freund Gottes“ genannt. In Johannes 15, Vers 14 bezeichnet Jesus diejenigen als seine Freunde, die seine Gebote halten. Im nächsten Vers betont Jesus seine Mitteilsamkeit gegenüber seinen Jüngern, womit er seine Freundschaft zeigte. In 1. Mose 18, Vers 17 verhält sich Gott gegenüber Abraham ähnlich: „Wie könnte ich Abraham verbergen, was ich tun will?“ Obwohl Gott mit dieser Frage sein Vorhaben mit Sodom und Gomorra meinte, zeugt sein Verhalten von der gleichen Art Freundschaft, die Jesus beschrieb. Ein Freund teilt sich seinen Freunden mit, und Gott will unser Freund sein.

Meinen Sie, daß Gott Abraham über den Sabbat aufklärte? Hätte Gott seinem Freund Abraham diese Wahrheit vorenthalten, nur um sie seinen Nachkommen viele Jahre später zu offenbaren? Das scheint nicht logisch zu sein. Wenn Abraham, Gottes Freund, den Sabbat kannte, wird er ihn auch heilig gehalten haben.

Kein Manna am Sabbat

Als nächstes befassen wir uns mit der Nation Israel. Unsere Geschichte beginnt kurz nach dem Auszug der Israeliten aus Ägypten. 2. Mose 16 beschreibt das Wunder des Mannas, das Gott den Israeliten als tägliches Brot schenkte, nachdem sie sich über zu wenig Nahrung beschwert hatten.

Gott benutzte das Manna, um den Sabbat als „Prüfgebot“ zu betonen, mit dem er herausfinden wollte, ob Israel sein Gesetz halten wollte (2. Mose 16,4). Gott wies das Volk an, täglich dieses Brot vom Himmel zu sammeln. Am sechsten Tag sollten sie zweimal so viel wie sonst sammeln, denn am Sabbat gab es kein Manna (Verse 15-26).

Trotzdem zogen einige Israeliten am siebten Tag auf der Suche nach Manna los. Damit widersetzten sie sich dem Gebot Gottes, und natürlich fanden sie kein Manna (Vers 27). Gott schärfte ihnen dann ein: „So bleibe nun ein jeder, wo er ist, und niemand verlasse seinen Wohnplatz am siebenten Tage“ (Vers 29).

Wie soll dieses Verbot aufgefaßt werden. Der Soncino-Kommentar führt dazu aus: „Rabbinische Tradition leitete vom Zusammenhang das Verbot ab, daß sich kein Israelit mehr als 2000 m von seiner Wohnstätte entfernen sollte. Das wird der ,Sabbatweg‘ genannt. Das Reisen unterbricht das Ruhen von Mensch und Tier und sollte daher am Sabbat gemieden werden.“

Ist diese Auslegung jedoch gerechtfertigt? Eines der Argumente, das man gegen den Sabbat anführt, gründet sich nämlich auf diese Auslegung. Im Zusammenhang geht es um die Suche nach Manna und nicht um das Reisen an sich. Bei der in 2. Mose 16 beschriebenen Situation mit dem Manna gab es für die Israeliten keine Notwendigkeit, ihre Zelte zu verlassen und nach Manna zu suchen, sofern sie Gottes Gebot gehorcht hatten, am Vortag die doppelte Menge Manna zu sammeln. Deshalb sagte Gott ihnen unter diesen Umständen: „Bleibt einfach zu Hause!“

Daß diese Anordnung im Kontext des Manna zu sehen ist, erkennt man beispielsweise auch daran, daß Gott später eine „heilige Versammlung“ für den Sabbat anordnete (3. Mose 23,2-3). Wie kann man bei der am Sabbat anbefohlenen „heiligen Versammlung“ anwesend sein, wenn man die eigene Wohnung nicht verlassen darf?

Nun sind wir am Fuß des Berges Sinai angelangt. Dort wurde die gebotene Sabbatruhe als eines der Zehn Gebote verkündet, die Gott mit seinem eigenen Finger auf zwei Steintafeln schrieb (2. Mose 20,8-11; 24,12). Die Einhaltung des Sabbats wurde jedem ganzen Haushalt geboten, einschließlich des häuslichen Dienstpersonals, der Hausgäste (2. Mose 20,10) und sogar der Tiere (5. Mose 5,14). Der Sabbat erinnerte die Israeliten an den Schöpfergott (2. Mose 20,8-11) und an ihre Befreiung durch Gott von der Knechtschaft in Ägypten (5. Mose 5,15).

Die Zehn Gebote finden wir in 2. Mose 20 und in 5. Mose 5 (im Griechischen wird das Buch 5. Mose „Deuteronomium“ genannt, das „zweite Gesetz“ bzw. die Wiederholung des Gesetzes). Ein Vergleich der beiden Kapitel zeigt, daß der Wortlaut nicht genau der gleiche ist. Da die Zehn Gebote selbst auf Steintafeln geschrieben wurden, stellt sich die Frage nach dem Wortlaut des vierten Gebotes auf diesen Steintafeln.

War der gesamte Wortlaut aus beiden Kapiteln auf den Steintafeln? Wenn ja, waren die Steintafeln sehr groß, oder die Schrift Gottes war sehr klein. Wahrscheinlicher ist, daß Gott nur den Kern des Gebotes auf die Tafeln schrieb und die weiteren Informationen den Israeliten mündlich übergab.

Warum ist diese Überlegung wichtig? Im heutigen Zeitalter der Kirche arbeitet Gott mit einzelnen Menschen und nicht mit ganzen Familien oder gar Völkern. In ihrem Kern hatten die Bestimmungen des Alten Bundes mit einer ganzen Nation zu tun. Wenn es stimmt, daß nur der Kern des vierten Gebotes auf die Steintafeln geschrieben war – die gebotene Sabbatruhe –, dann war die Erweiterung des Gebotes bezüglich des ganzen Haushaltes eine Bestimmung besonders für den Alten Bund, bei dem Gott mit der ganzen Nation Israel und allen seinen Haushalten arbeitete.

In der Gemeinde des Neuen Testamentes hingegen arbeitet Gott mit einzelnen Menschen, die er beruft (Johannes 6,44). Deshalb gilt die gebotene Sabbatruhe jedem Berufenen, nicht aber unbedingt seinen Angehörigen, die Gott noch nicht berufen hat. Jeder ist selbst vor Gott für sein Handeln verantwortlich. Deshalb sollte niemand den Sabbat den eigenen Angehörigen im Erwachsenenalter oder seinen Angestellten aufzwingen.

Ein Zeichen zwischen Gott und seinem Volk

Der nächste Halt bei unserer Reise durch die Bibel ist in 2. Mose 31. In diesem Kapitel wird ein besonderer Sabbatbund unter den Anweisungen für die Errichtung der Stiftshütte beschrieben. Dazu der Soncino-Kommentar: „Die Arbeit an der Stiftshütte, welche als Dienst für Gott überaus wichtig war und deren Anfang unmittelbar bevorstand, war trotzdem nicht wichtiger als die göttlich verordnete Sabbatruhe und durfte sie nicht verdrängen.“

Die Wichtigkeit der gebotenen Sabbatruhe während der Errichtung der Stiftshütte erklärt einen weiteren Vers (2. Mose 25,3), der oft als Beispiel kleinlicher Sabbatvorschriften angeführt wird. Orthodoxe Juden legen diesen Vers wörtlich aus und verbieten deshalb das Autofahren am Sabbat, weil das Anlassen eines Autos den Einsatz einer Zündkerze (= Feuer) bedingt.

Das Verbot des Anzündens eines Feuers am Sabbat kommt in einem Kapitel vor, in dem es um die Errichtung der Stiftshütte geht. Deshalb sollte dieses Verbot im Zusammenhang mit der Arbeit an der Stiftshütte und als Bestätigung der gebotenen Sabbatruhe, auch bei einem so wichtigen Projekt, gesehen werden (siehe dazu den Keil-Delitzsch Commentary on the Old Testament, Band 1, Seite 245).

In 2. Mose 31 wird der Sabbat als „Zeichen“ zwischen Gott und seinem Volk bezeichnet. Dabei betonte Gott zwei Lektionen, die auch im Wortlaut der Zehn Gebote vorkommen: Gott heiligt sein Volk (Vers 13) und erinnert an seine Schöpfung von Himmel und Erde (Vers 17).

Im Soncino-Kommentar heißt es: „Der Sabbat war mehr als nur ein Tag der Ruhe. Seine Einhaltung durch die Israeliten war eine sich ständig wiederholende Erinnerung an den Schöpfer des Universums. Der Israelit, der den Sabbat entheiligte – selbst beim Bau der Stiftshütte –, verleugnete damit den Schöpfer und widersprach ebenso dem Zweck dieses Heiligtums, der Heiligung der Israeliten im Dienst Gottes.“

Dieser jüdische Bibelkommentar trifft eine interessante Feststellung zur Bedeutung des Wortes „damit ihr erkennt, daß ich der Herr bin, der euch heiligt“ in Vers 13. Das Wort „ihr“ steht nicht im Urtext. Eine bessere Übersetzung finden wir in der Elberfelder Bibel: „... damit man erkenne, daß ich, der Herr, es bin, der euch heiligt.“ Dazu der Soncino-Kommentar: „Durch den Sabbat soll alle Welt erkennen, daß es Gott ist, der Israel heiligt und ihm das Mittel zur Heiligung schenkt. In der ganzen Welt der Antike wurde der Sabbat als besonderes und eigentümliches Fest des jüdischen Volkes anerkannt.“ So wird der Sabbat als persönliches Zeichen zwischen Gott und seinem Volk und für die ganze Welt als identifizierendes Symbol der Gunst Gottes für Israel, sein besonderes Volk, dargestellt.

In bezug auf den Sabbat als „ewigen Bund“ (Vers 16) sagt der jüdische Soncino-Kommentar: „Die wöchentliche Heiligung des Sabbats durch die Israeliten ist Ausdruck des Glaubens an Gott und des Gehorsams gegenüber seinem Gesetz und schafft eine ständige Erneuerung des Bundes Gottes mit den Patriarchen.“

Eine weitere Verheißung der Ruhe

An dieser Stelle verabschieden wir uns vorübergehend von unserer Auseinandersetzung mit dem wöchentlichen Sabbat, um eine andere „Ruhe“ zu betrachten, die den Israeliten in 5. Mose 3, Vers 20 verheißen wurde. 5. Mose 12, Verse 9-10 beschreibt diese Ruhe als die Befreiung der Israeliten im Gelobten Land jenseits des Jordan von dem Nachsetzen ihrer Feinde. Die Verheißung wird in 5. Mose 25, Verse 17-19 wiederholt und wird als Friede und Befreiung von Kriegen gegen feindlich gesinnte Nationen beschrieben.

Bis auf Josua und Kaleb durfte niemand aus der Erwachsenengeneration, die aus Ägypten ausgezogen war, ins Gelobte Land einziehen. Unter der Führung Josuas überquerte die zweite Generation der Israeliten den Jordan und zog ins Land ein.

In Josua 1, Verse 13-15 erinnert Josua das Volk an die ihnen verheißene Ruhe. Zum Schluß des Buches faßt Josua die Erfüllung dieser Verheißung zusammen: „So hat der Herr Israel das ganze Land gegeben, das er geschworen hatte, ihren Vätern zu geben, und sie nahmen’s ein und wohnten darin. Und der Herr gab ihnen Ruhe ringsumher, ganz wie er ihren Vätern geschworen hatte; und keiner ihrer Feinde widerstand ihnen, sondern alle ihre Feinde gab er in ihre Hände. Es war nichts dahingefallen von all dem guten Wort, das der Herr dem Hause Israel verkündigt hatte. Es war alles gekommen“ (Josua 21,43-45).

Wir schreiten nun in der Geschichte voran und kommen in die Zeit Davids. In Psalm 94, Verse 12-13 finden wir eine Verheißung der Ruhe (Befreiung von Bedrängnis) für diejenigen, die Gottes Gesetz annehmen und danach handeln. Der Kontext beschreibt eine Zeit, wenn die Bösen bestraft werden und die Gerechtigkeit siegen wird.

Psalm 95 wird allgemein als Sabbatpsalm anerkannt. Er erklärt, wie die Israeliten der ersten Generation beim Auszug aus Ägypten wegen der Verhärtung ihres Herzens nicht in die Ruhe Gottes eingegangen sind (Verse 6-11). Diese Verse werden im Hebräerbrief des Neuen Testamentes ausgelegt, wie wir später sehen werden.

Auch der Prophet Jesaja beschreibt ein millennialisches Zeitalter der weltweiten Ruhe, zu der die Befreiung von Leiden, Angst und Knechtschaft gehört (Jesaja 11,10; 14,3. 7).

Neutestamentliche Beispiele

Endlich sind wir beim Neuen Testament angekommen. Jesus Christus setzt das Motiv Ruhe fort: „Kommt her zu mir, alle ihr Mühseligen und Beladenen! Und ich werde euch Ruhe geben“ (Matthäus 11,28; Elberfelder Bibel).

Für die Menschen, die die von den Schriftgelehrten und Pharisäer auferlegten schweren Lasten kannten (Matthäus 23,4), wirkten die Worte Jesu erfrischend. Die geistliche Bedeutung seiner Verheißung hat mit der Befreiung von der Knechtschaft der Sünde zu tun (Johannes 8,32-36; Römer 8,2; Hebräer 2,14-16). Wir sind jedoch noch nicht gänzlich frei von der Sünde (1. Johannes 1,8; Römer 7,14-25). Deshalb haben wir diese verheißene Ruhe noch nicht voll erlangt.

Damit sind wir beim Hebräerbrief angelangt, in dem alle grundsätzlichen Aspekte der Geschichte der Ruhe zu finden sind. Die Treue von Mose und Christus wird in den ersten sechs Versen des dritten Kapitels des Hebräerbriefes erwähnt. Angefangen in Vers 7 wird Psalm 95 zitiert, um das Versagen der ersten Generation Israels als Lehre für Gottes Volk heute festzuhalten. Der Unglaube war die Hauptursache ihres Versagens beim Einzug in die ihnen verheißene Ruhe (Vers 19).

Das vierte Kapitel beginnt mit einer Ermahnung zum Glauben und zum Gehorsam als eine Voraussetzung für das „Zur-Ruhe-Kommen“, das dem Volk Gottes immer noch zugänglich ist. Keiner ist zu dieser Ruhe bereits gekommen, aber nicht etwa deshalb, weil Gott sie nicht bereitet hätte – in der Tat war die Ruhe von Anfang an verfügbar (Hebräer 4,3). Gottes Ruhen von all seinen Werken am siebenten Tag weist darauf hin (Vers 4). In Psalm 95 sprach David von der Verheißung einer Ruhe, nachdem Josua die zweite Generation Israels bereits schon lange zur Ruhe ins Gelobte Land geführt hatte. Das beweist, daß die Erfüllung der Ruhe zur Zeit Josuas lediglich ein Vorläufer einer größeren, noch bevorstehenden Ruhe war (Hebräer 4,6-8).

Nun sind wir an der kontroversen Aussage angelangt: „Es ist also noch eine Ruhe vorhanden für das Volk Gottes“ (Vers 9). Das mit „Ruhe“ übersetzte griechische Wort in allen anderen Versen in Hebräer 3 bzw. 4 ist katapausis. Das Wort für „Ruhe“ in Hebräer 4, Vers 9 ist sabbatismos. Nur in diesem Vers kommt das Wort im Neuen Testament vor, und seine Bedeutung ist für das Verständnis dieses gewichtigen Verses grundlegend. Schließlich ist dieser Vers der Schluß von allem, was bisher über „Ruhe“ gesagt wurde, angefangen mit Hebräer 3, Vers 7.

Da das Wort sabbatismos nur in diesem Vers vorkommt, sind einige Kommentatoren der Ansicht, daß es eine Wortschöpfung vom Autor des Hebräerbriefs ist. In dem Expositor’s Bible Commentary heißt es dazu: „Der Begriff ,Sabbatruhe‘ (sabbatismos) ist außer in diesem Vers nicht belegt und scheint eine Erfindung des Autors zu sein. Es gab kein Wort, mit dem man die Sabbatruhe beschreiben konnte, die er im Sinne hatte. Deshalb schuf er ein solches Wort.“

Im Vergleich dazu lesen wir im Anchor Bible Dictionary folgendes zur Bedeutung von sabbatismos: „Das Wort ,Sabbatruhe‘ ist die Übersetzung des [griechischen] Wortes ,sabbatismos‘, eines einzigartigen Wortes im Neuen Testament. Dieser Begriff kommt auch bei Plutarch vor ... im Sinne des Haltens des Sabbats, und in vier nachbiblischen christlichen Schriften, die sich nicht auf Hebräer 4,9 stützen, und bedeutet die ,Sabbatfeier‘ am siebenten Tag.

Durch die Kombination von Zitaten aus 1. Mose 2,2 und Psalm 95,7 bestätigt der Verfasser des Hebräerbriefes (Hebräer 4,3-11), daß die verheißene ,Sabbatruhe‘ einer endgültigen Erfüllung ,für das Volk Gottes‘ in der ... Endzeit harrt, die mit dem Erscheinen Jesu eingeleitet wurde [Hebräer 1,1-3] ... Die Erfahrung der ,Sabbatruhe‘ weist auf die Tatsache einer gegenwärtigen ,Ruhe‘ (katapausis) hin, in die ,wir, die wir glauben, [eingehen]‘ (Hebräer 4,3), und sie weist auf die Gewißheit einer zukünftigen ,Ruhe‘ hin (4,11). Das physische Halten des Sabbats durch den Gläubigen des Neuen Bundes, das durch die ,Sabbatruhe‘ bestätigt wird, versinnbildlicht die Ruhe von ,Werken‘ (4,10) zum Gedenken an Gottes Ruhe bei der Schöpfung (Hebräer 4,4 = 1. Mose 2,2) und drückt Glauben an das durch Christus zu erlangende Heil aus.

Hebräer 4,3-11 bestätigt, daß die physische ,Sabbatruhe‘ (sabbatismos) der wöchentliche äußere Ausdruck der innerlichen Erfahrung der geistlichen Ruhe (katapausis) ist, in der die endgültige Ruhe ... bereits ,heute‘ erlebt wird (4,7). Daher verbindet die ,Sabbatruhe‘ in sich selbst das Gedenken an die Schöpfung, das Erlangen des Heils und die eschaton [endzeitliche] Erwartung, indem sich die Gemeinschaft der Gläubigen auf die endgültige Erfüllung der totalen Wiederherstellung und Ruhe hinbewegt.“

Dieser mehrbändige Kommentar zieht daraufhin die Schlußfolgerung, daß sabbatismos das Halten des Sabbats am siebten Tag bedeutet. So gesehen betont Hebräer 4, Vers 9 die Notwendigkeit, den Sabbat auch im Neuen Bund zu halten, wobei der Tag seine volle Bedeutung unter dem Alten Bund behält.

Wenn man bedenkt, daß der Hebräerbrief den Juden den Übergang vom Alten zum Neuen Bund erklärt, ist diese Schlußfolgerung plausibel. Der Sabbat und die Beschneidung sind schon lange zwei wichtige Säulen des Judaismus gewesen, mit denen die Juden als „das Volk Gottes“ identifiziert wurden. Zu Christi Lebzeiten war die Bedeutung des Sabbats leider durch viele legalistische Vorschriften entstellt worden.

Sabbatheiligung als Legalismus

Unter dem Alten Bund sollte der Sabbat eine Freude sein (Jesaja 58,13-14). Unter dem Einfluß der engstirnigen Schriftgelehrten und Pharisäer mit ihren kleinlichen Vorschriften war er jedoch zu einer schweren Last geworden. Jesus Christus verurteilte ihre menschlichen Traditionen und gab uns ein Beispiel, wie wir den Sabbat als Gottes Geschenk an die Menschheit halten sollen (Markus 2,27-28).

Im Hebräerbrief war es deshalb nur angebracht, daß dem Sabbat wieder seine volle, von Gott vorgesehene Bedeutung zugewiesen wurde. So behält der Sabbat seine unter dem Alten Bund gegebene Bedeutung als Identitätsmerkmal für Gottes geheiligtes Volk („für das Volk Gottes“) und als Erinnerung an den Schöpfer. Hinzu kommt die im Neuen Bund gegebene Bedeutung der geistlichen Ruhe durch Christus, deren Vorläufer die Ruhe war, die den Israeliten zur Zeit Josuas gegeben wurde (Hebräer 4,8).

Diese geistliche Ruhe beginnt in diesem Leben mit der Berufung bzw. Bekehrung und gipfelt in der Auferstehung zum ewigen Leben bei der Rückkehr Jesu Christi (Offenbarung 20,6). Seine Rückkehr leitet auch die im Alten Testament prophezeite millennialische Ruhe ein.

Im Hebräerbrief werden die drei Motive der Ruhe in geschickter Weise ineinander verwoben: die verheißene Ruhe für Israel vor seinen Feinden, der wöchentliche Sabbat und die geistliche Ruhe durch Christus. Der Schluß ist, daß der Sabbat vom Volk Gottes – der neutestamentlichen Kirche – immer noch zu halten ist. Wie Hebräer 4, Vers 10 bestätigt, müssen wir alle bemüht sein, zu dieser vollen geistlichen Ruhe zu kommen und den wöchentlichen Sabbat aufgrund seiner Bedeutung in Gottes großem Plan weiterhin zu halten.

Das Bibellexikon Commentary on the Whole Bible von Jamieson, Fausset und Brown stellt zum Wort sabbatismos fest: „Unter Josua genoß Israel in Kanaan endlich Ruhe vor dem Krieg. Aber die ,Ruhe‘ in diesem Vers 9 ist die edler und hervorgehobenere ... Sabbatruhe, wörtlich ,Ruhe‘ von der Arbeit, die abgeschlossen ist (Vers 4), wie Gott ruhte (Offenbarung 16,17). Die beiden Vorstellungen von ,Ruhe‘ vermitteln die vollkommene Sichtweise zum himmlischen Sabbat. Ruhe von Müdigkeit, Trauer und Sünde bzw. Ruhe durch die Vollendung der neuen Schöpfung Gottes (Offenbarung 21,5).

Daran wird die ganze wiederhergestellte Schöpfung teilhaben; nichts wird diesen ewigen Sabbat unterbrechen und ... Gott wird sich über seiner Hände Arbeit freuen (Zephanja 3,17). Mose ... konnte Israel nicht ins Gelobte Land führen ... Jesus als quasi Nachfolger von Josua führt uns in die himmlische Ruhe.“

Die Schlußfolgerung dieses Kommentars ist, daß mit sabbatismos die „himmlische Ruhe“ gemeint ist, die wir jedoch im Sinne unseres sündenfreien Zustandes bei der Auferstehung verstehen, wenn Christus zur Erde zurückkehrt. Übrigens ist das auch die Tradition der Juden, wonach das messianische Zeitalter „der Tag sein wird, der der Sabbat und die Ruhe in Ewigkeit sein wird“ (Talmud 7,4).

Der Kommentar von Jamieson, Fausset und Brown sieht in Hebräer 4, Vers 9 eine Bestätigung des Sabbatgebotes: „Dieser Vers bestätigt mittelbar die Verpflichtung der Sabbatruhe, denn das Sinnbild setzt sich fort, bis es von seiner Erfüllung abgelöst wird, wie beispielsweise die Opferrituale sich fortsetzten, bis sie von dem großen Opfer [Jesu] abgelöst wurden. Die Erfüllung der ... Sabbatruhe findet nicht statt, bis Jesus, der Josua des Evangeliums, erscheint, um sie einzuführen; bis dahin setzt sich der irdische Sabbat fort.“

Ganz gleich, welchen Kommentar wir benutzen, gelangen wir unausweichlich zu dem Schluß, daß das Halten des Sabbats auch im Neuen Bund Teil der Anbetung Gottes ist.

In Matthäus 5, Vers 18 sagte Jesus, daß nicht einmal die in den Gesetzen Gottes enthaltene Punktion vergehen wird, bis alles „erfüllt“ ist bzw. seinen Zweck erfüllt hat: „Denn wahrlich, ich sage euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird nicht vergehen der kleinste Buchstabe noch ein Tüpfelchen vom Gesetz, bis es alles geschieht.“

Die Bibel zeigt also klar, daß die Beschneidung, Tieropfer und die Tempelrituale ihren Zweck erfüllt haben. Wenn der Sabbat heute nicht länger bindend gültig wäre, würden wir logischerweise zahlreiche Bibelstellen im Neuen Testament finden, die das klar zum Ausdruck bringen. Die überwältigende Wichtigkeit des Sabbats für die Juden des ersten Jahrhunderts bedingt die Notwendigkeit solcher Bibelstellen, die es freilich nicht gibt.

Es ist offensichtlich, daß der wöchentliche Sabbat immer noch einem wichtigen Zweck dient. Deshalb heißt es in Hebräer 4, Vers 9: „Also bleibt noch eine Sabbatruhe dem Volk Gottes übrig“ (Elberfelder Bibel). Das Halten des Sabbats am siebten Tag als Gebot Gottes ist eine Grundlehre sowohl des Alten als auch des Neuen Testamentes.

Wir sind jetzt am Ende unserer Reise durch die Bibel angelangt, auf der wir gesehen haben, daß der Sabbat als anbefohlene Zeit der Ruhe nach wie vor für das Volk Gottes bindend gültig ist.