Wozu diente das Gesetz im Alten Bund?

Erlangen wir die Rechtfertigung vor Gott durch Gesetzestreue? Diese Frage ist das Hauptthema des Apostels Paulus in seinem Brief an die Christen in Galatien.

Von Roger Foster

In beiden Bünden – dem Alten und dem Neuen – definiert Gottes Gesetz die Sünde und stellt den Kontrast zwischen ihr und der Gerechtigkeit heraus. Aber ein Gesetz vergibt keine Sünde und kann es auch nicht. Um diesen Punkt zu verdeutlichen, erteilt Paulus den Galatern Geschichtsunterricht. Er greift auf den Bund zurück, der mit Abraham geschlossen wurde – die Grundlage, auf der sowohl der Sinai-Bund als auch der Neue Bund basieren. Dieser Bund beinhaltete die „Verheißung“, dass Abrahams Nachkomme Gott in perfekter Weise gehorsam sein und sich damit in jeglicher Hinsicht als der Erlöser „aller Geschlechter auf Erden“ qualifizieren würde (1. Mose 12,3; Galater 3,7-8. 29).

Da Jesus Christus dieser Erlöser ist, wird die Befreiung von der Sündenstrafe und der Sünde selbst nur durch den Glauben an ihn und von ihm ermöglicht – und nicht einfach nur durch den Versuch, aus eigener Kraft „Werke des Gesetzes“ zu vollbringen. Abrahams Glaube wird hier als ein Paradebeispiel dargestellt, das wir in dieser Hinsicht nachahmen sollten.

„Denn die Verheißung, dass er der Erbe der Welt sein solle, ist Abraham oder seinen Nachkommen nicht zuteil geworden durchs Gesetz, sondern durch die Gerechtigkeit des Glaubens“ (Römer 4,13). Dieser Glaube war natürlich mit Gehorsam verbunden, wie Abraham immer wieder bewies.

Paulus geht es hier um die Rechtfertigung: „Da wir wissen, dass der Mensch durch Werke des Gesetzes nicht gerecht wird, sondern durch den Glauben an Jesus Christus, sind auch wir zum Glauben an Christus Jesus gekommen, damit wir gerecht werden durch den Glauben an Christus und nicht durch Werke des Gesetzes; denn durch Werke des Gesetzes wird kein Mensch gerecht“ (Galater 2,16). Er fährt fort: „Denn wenn das Erbe durch das Gesetz erworben würde, so würde es nicht durch Verheißung gegeben; Gott aber hat es Abraham durch Verheißung frei geschenkt“ (Galater 3,18).

Um all das, was Paulus sagt, zu erfassen, müssen wir beide Aspekte der Rechtfertigung verstehen. An manchen Stellen liegt das Augenmerk von Paulus auf der Versöhnung – dem Umgang mit Sünden, die „früher begangen wurden“ (Römer 3,25), wo das Auslöschen von Übertretungen durch den Glauben an das Blut Jesu Christi betont wird. An anderen Stellen richtet er sein Augenmerk darauf, durch fortlaufenden Gehorsam gerechtfertigt zu bleiben – was ebenfalls nur durch Christus möglich ist.

Der Zweck des Gesetzes

Da die Rechtfertigung nicht durch das Rechtssystem kam, das dem alten Israel gegeben worden war, fragt Paulus: „Warum gibt es dann das Gesetz?“ [Gemeint sind seine zeitlich befristeten, „vormundschaftlichen“ Aspekte.] Im gleichen Vers gibt er die Antwort: „Wegen der Übertretungen wurde es hinzugefügt, bis der Nachkomme käme, dem die Verheißung gilt. Es wurde durch Engel erlassen und durch einen Mittler bekannt gegeben“ (Galater 3,19; Einheitsübersetzung).

Ohne das präexistente, unveränderliche Gesetz Gottes könnte es auch keine Übertretungen oder Sünden geben – und daher auch keine Schuld und keine Notwendigkeit für eine Vergebung und Rechtfertigung oder einen Erlöser. Das Gesetz Gottes definiert also nicht nur, was Gerechtigkeit ist, es verurteilt auch Übertretungen.

Aufgrund von Übertretungen des präexistierenden Gesetzes wurden die Opfergesetze und zeremoniellen Gesetze als rein zeitlich befristete, auf Disziplinierung ausgerichtete Erinnerungen an die Sünde hinzugefügt, wie Jeremia 7, Verse 21-23 verdeutlicht.

Die Verheißungen an Abraham waren geistlicher Natur. Es sind die gleichen Verheißungen, die Gottes Volk auch heute gegeben werden, denjenigen, die bereut haben und den heiligen Geist erhalten haben. Gottes heutiges Volk muss genauso wie der gerechte Abraham das unveränderliche Gesetz Gottes halten, das Sünde definiert – auch wenn es keine Sünde vergeben kann.

Die die Opfer und das Priestertum betreffenden Aspekte des Gesetzes symbolisierten die Erlösung von der Schuld, die durch Christi vergossenes Blut in Zukunft zur Verfügung stehen würde. Da er nun als das wahre „Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt“ (1. Johannes 1,29; Einheitsübersetzung), geopfert worden ist, sind die rein symbolischen Aspekte des Gesetzes nicht mehr länger erforderlich.

Das Unterordnungsprinzip des Gesetzes lehrte das Volk Israel, sich auf Gott als höchsten Herrscher zu verlassen. Wenn Jesus Christus wiederkehrt, wird er diese Aspekte der göttlichen Herrschaft erneut etablieren, dann aber über die gesamte Erde, als „König aller Könige“ (Offenbarung 17,14; 19,19-21). Eine gerechte Staatsführung, mit vielen Ähnlichkeiten zu dem Verwaltungssystem, das dem alten Israel gegeben worden war, wird dann auf alle Völker und Nationen angewandt werden (Jesaja 2,2. 4).

Wie bereits angemerkt worden ist: „Denn die Verheißung, dass er der Erbe der Welt sein solle, ist Abraham oder seinen Nachkommen nicht zuteil geworden durchs Gesetz, sondern durch die Gerechtigkeit des Glaubens“ (Römer 4,13). Dies schließt auch die Vergebung der Sünden und den Erhalt der Kraft, Gott vollkommen gehorsam zu sein, mit ein. Da Jesus Christus unser Erlöser und Heiland ist, können wir nur durch die Gabe des Glaubens, die von Gott und durch Christus kommt, die Befreiung von der Sünde und ihren Folgen erhalten (Epheser 2,8).

„Hinzugefügt . . . bis der Nachkomme käme“

Um die Bedeutung von Christi Rolle bei der Erlösung zu betonen, merkt Galater 3, Vers 19 an, dass das (zeitlich befristete) Gesetz „hinzugefügt“ wurde, „bis der Nachkomme käme, dem die Verheißung gilt“.

Nachdem Christus gekommen und für unsere Übertretungen gestorben war, wurde die Rechtfertigung durch Gnade durch den Glauben allen eröffnet, die glauben und bereuen.

Diese Rechtfertigung wurde nicht durch die Beschneidung als eine Belohnung eröffnet, die man sich durch „Werke des Gesetzes“ verdient hätte. Sie steht nur als ein Geschenk – durch den Glauben – zur Verfügung, genauso wie auch Abraham durch den Glauben gerechtfertigt wurde.

Die die Opfer und die Zeremonien betreffenden Aspekte des am Berg Sinai gegebenen Gesetzes wurden in der Tat unnötig, nachdem Christus (der „Nachkomme“) gekommen war. Aber das ewige, geistliche „königliche Gesetz“ Gottes (Jakobus 2,8) bleibt auch für Christen heute in Kraft.

Leider verdrehen viele die Worte von Paulus und reißen sie dabei in einer solchen Weise aus ihrem Kontext, dass sie anderen Aussagen widersprechen, die er selbst gemacht hat. In Römer 2, Vers 13 sagt Paulus mit Nachdruck: „Es sind nämlich nicht die Hörer des Gesetzes gerecht vor Gott, sondern die Täter des Gesetzes werden gerechtfertigt werden“ (Elberfelder Bibel). Die Rechtfertigung steht nicht einmal denjenigen zur Verfügung, die das Gesetz zwar kennen, sich aber weigern, „Täter“ des Gesetzes – des geistlichen und ewigen Gesetzes Gottes – zu werden.

Eine wichtige Voraussetzung für die Vergebung und das Erhalten der entsprechenden Kraft durch die Rechtfertigung ist die Reue (Apostelgeschichte 2,38; Einheitsübersetzung), was nicht nur ein Bedauern vergangener Gesetzesübertretungen einschließt, sondern auch die Selbstverpflichtung, Gottes Gesetz von nun an zu gehorchen.

Nur dann kann man den heiligen Geist erhalten, der die „Kraft, Liebe und Selbstüberwindung“ vermittelt, die zur Überwindung der Sünde notwendig sind (2. Timotheus 1,7; „Hoffnung für alle“-Übersetzung). Die Tatsache, dass die Rechtfertigung nur denjenigen zuteil wird, die „Täter“ von Gottes geistlichem Gesetz sind, macht sein Gesetz zu einem unerlässlichen Bestandteil dieses Prozesses.

Da sich niemand die Vergebung durch „des Gesetzes Werke“ verdienen kann (Römer 3,28-30) und niemand aus eigener Kraft Gott völlig gehorchen kann, fragt Paulus: „Heben wir denn das Gesetz auf durch den Glauben?“ Seine Antwort: „Das sei ferne! Sondern wir richten das Gesetz auf“ (Römer 3,31).

Selbst in Galater 3, Vers 21 bestätigt Paulus eindeutig, dass das Gesetz und die Verheißung einander nicht entgegenstehen, sondern sich gegenseitig stützen: „Ist dann das Gesetz gegen Gottes Verheißungen? Das sei ferne! Denn nur, wenn ein Gesetz gegeben wäre, das lebendig machen könnte, käme die Gerechtigkeit wirklich aus dem Gesetz.“

Das Gesetz und die Verheißung spielen beide eine Rolle dabei, „viele Söhne zur Herrlichkeit“ zu führen (Hebräer 2,10). Die beiden Rollen unterscheiden sich aber klar voneinander.

Das Gesetz erklärt, was Gerechtigkeit ist und verurteilt die Sünde. Und die symbolischen Aspekte des Gesetzes wiesen auf die Erlösung hin. Eine Begnadigung für die Sünden ist aber nur durch Reue und den Glauben an Jesus Christus, den verheißenen Erlöser, möglich.

Um die Ziele des Neuen Bundes erreichen zu können, müssen Gottes große geistliche Gesetze in das Herz und den Verstand derjenigen geschrieben werden, die begnadigt und erlöst worden sind. So können sie den Charakter haben, Gott für alle Ewigkeit treu zu dienen (Hebräer 10,16).

Aber bevor dies geschehen kann, muss zuerst der Gerechtigkeit Gottes durch eine Rechtfertigung durch das vergossene Blut Jesu Christi Genüge getan werden. Alle Menschen haben gesündigt. Jesus Christus, der gekreuzigt und somit als verurteilter Verbrecher an ein Holz gehängt worden war, hat „unsre Sünde selbst hinaufgetragen . . . an seinem Leibe auf das Holz, damit wir, der Sünde abgestorben, der Gerechtigkeit leben“ (1. Petrus 2,24).

Gott ist nicht nur ein Gott der Gerechtigkeit, sondern auch ein Gott der Barmherzigkeit. Gott schafft einen Ausgleich zwischen Gerechtigkeit und Gnade, indem er auf das Herz achtet – ob es noch eine Möglichkeit zur Reue gibt. Solange es diese Möglichkeit gibt, will Gott nicht, „dass jemand zugrunde geht, sondern dass alle sich bekehren“ (2. Petrus 3,9; Einheitsübersetzung).

Was stimmt nicht mit unserer menschlichen Natur?

Die Bibel stellt Satan als einen Meister bei der Manipulierung der menschlichen Natur dar. Unsere Schwäche zusammen mit dem Einfluss des Teufels hat die ganze Welt in die Sünde geführt (Offenbarung 12,9). Paulus spricht von „den Ungläubigen, denen der Gott dieser Welt den Sinn verblendet hat, dass sie nicht sehen das helle Licht des Evangeliums“ (2. Korinther 4,4).

Paulus erinnert Jesu treue Jünger daran, dass auch sie früher gelebt haben „nach der Art dieser Welt, unter dem Mächtigen, der in der Luft herrscht, nämlich dem Geist, der zu dieser Zeit am Werk ist in den Kindern des Ungehorsams. Unter ihnen haben auch wir alle einst unser Leben geführt in den Begierden unsres Fleisches und taten den Willen des Fleisches und der Sinne und waren Kinder des Zorns von Natur wie auch die andern“ (Epheser 2,2-3).

Wegen der Verführungen Satans und der sündigen Tendenzen der menschlichen Natur sind alle „allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten“ (Römer 3,23). Wir müssen jedoch verstehen, dass der Teufel uns nicht zum Sündigen zwingen kann. Er beeinflusst uns lediglich durch unsere fleischlichen Schwächen. Es gibt aber mehrere wesentliche Bereiche unserer fleischlichen Natur, die von Satan leicht manipuliert werden können.

Als Erstes bringen uns unsere selbstsüchtigen, fleischlichen Begierden oft in Schwierigkeiten: „Offenkundig sind aber die Werke des Fleisches, als da sind: Unzucht, Unreinheit, Ausschweifung, Götzendienst, Zauberei, Feindschaft, Hader, Eifersucht, Zorn, Zank, Zwietracht, Spaltungen, Neid, Saufen, Fressen und dergleichen. Davon habe ich euch vorausgesagt und sage noch einmal voraus: Die solches tun, werden das Reich Gottes nicht erben“ (Galater 5,19-21).

Paulus beschreibt die Auswirkungen der fleischlichen Begierden auf das menschliche Verhalten auf deutliche Weise: „Darum hat Gott sie in den Begierden ihrer Herzen dahingegeben in die Unreinheit, sodass ihre Leiber durch sie selbst geschändet werden . . . ihre Frauen haben den natürlichen Verkehr vertauscht mit dem widernatürlichen; desgleichen haben auch die Männer den natürlichen Verkehr mit der Frau verlassen und sind in Begierde zueinander entbrannt und haben Mann mit Mann Schande getrieben und den Lohn ihrer Verirrung, wie es ja sein musste, an sich selbst empfangen.

Und wie sie es für nichts geachtet haben, Gott zu erkennen, hat sie Gott dahingegeben in verkehrten Sinn, sodass sie tun, was nicht recht ist, voll von aller Ungerechtigkeit, Schlechtigkeit, Habgier, Bosheit, voll Neid, Mord, Hader, List, Niedertracht; Zuträger, Verleumder, Gottesverächter, Frevler, hochmütig, prahlerisch, erfinderisch im Bösen, den Eltern ungehorsam, unvernünftig, treulos, lieblos, unbarmherzig. Sie wissen, dass, die solches tun, nach Gottes Recht den Tod verdienen; aber sie tun es nicht allein, sondern haben auch Gefallen an denen, die es tun“ (Römer 1,24-32).

Zweitens ist unsere natürliche Verschlagenheit, Selbstbetrug eingeschlossen, eine Hauptschwäche des fleischlichen Sinnes: „Arglistig ohnegleichen ist das Herz und unverbesserlich. Wer kann es ergründen? Ich, der Herr, erforsche das Herz und prüfe die Nieren, um jedem zu vergelten, wie es sein Verhalten verdient, entsprechend der Frucht seiner Taten“ (Jeremia 17,9-10; Einheitsübersetzung).

Wir suchen naturgemäß nach Wegen, unsere Begierden, unser sündiges Verlangen und das Verhalten, das aus ihnen erwächst, zu rechtfertigen. Wir verführen uns selbst zu dem Glauben, dass unsere Begierden, da sie natürlich sind, am Ende doch nicht so schlecht sind. Aber Gottes Wort erinnert uns: „Manchem scheint ein Weg recht; aber zuletzt bringt er ihn zum Tode“ (Sprüche 14,12; 16,25). Der Tod ist das Endergebnis dieses falschen Lebensweges (Römer 6,23).

Drittens haben wir die natürliche Tendenz, uns verärgert dagegen zu sträuben, unsere fleischlichen Begierden durch Regeln einschränken zu lassen, selbst wenn es Gottes Regeln sind. Paulus erklärt dazu: „Denn alle, die vom Fleisch bestimmt sind, trachten nach dem, was dem Fleisch entspricht, alle, die vom Geist bestimmt sind, nach dem, was dem Geist entspricht. Das Trachten des Fleisches führt zum Tod, das Trachten des Geistes aber zu Leben und Frieden. Denn das Trachten des Fleisches ist Feindschaft gegen Gott; es unterwirft sich nicht dem Gesetz Gottes und kann es auch nicht. Wer vom Fleisch bestimmt ist, kann Gott nicht gefallen“ (Römer 8,5-8; Einheitsübersetzung).

Diese und andere fleischliche Schwächen sind das, was wir die menschliche Natur nennen. Satan nutzt unsere schwache und gierige Natur aus, indem er uns dazu überredet, uns sogar noch mehr auf unsere Emotionen, Nöte und Wünsche zu verlassen, als wir es normalerweise täten. Aber wir haben unseren Anteil. Ohne den positiven Einfluss von Gottes Geist neigen wir einfach nicht dazu, Gottes Anweisungen gemäß zu leben.

Paulus warnt uns daher: „Wenn ihr nach dem Fleisch lebt, müsst ihr sterben; wenn ihr aber durch den Geist die (sündigen) Taten des Leibes tötet, werdet ihr leben. Denn alle, die sich vom Geist Gottes leiten lassen, sind Söhne Gottes“ (Römer 8,13-14; Einheitsübersetzung).

Die gegenwärtige Verwirrung hinsichtlich der christlichen Freiheit

Um der galatischen Irrlehre entgegenzutreten, weist Paulus gelegentlich auf die christliche Freiheit hin. Aber die Freiheit, die er beschreibt, unterscheidet sich sehr von der Art und Weise, wie seine Worte heutzutage gewöhnlich interpretiert werden.

Die Erläuterungen von Paulus hinsichtlich der Gnade, des Gesetzes, der Rechtfertigung und der Freiheit sind so sehr verdreht und aus dem Kontext gerissen worden, dass heute kaum noch richtig verstanden wird, was er damit wirklich gemeint hat.

Zum Beispiel ist die allgemeine Vorstellung von Freiheit, vor allem in unserer westlichen Gesellschaft, das Menschen die Freiheit haben sollten, so zu leben, wie sie wollen. Meistens wird diese Vorstellung von Freiheit dann auch in den Galaterbrief hineingelesen. Aber eine solche Vorstellung war Paulus völlig fremd – und ebenso der Obrigkeit und der Gesellschaft seiner Zeit.

Die Regierung des Römischen Reiches war eine Diktatur, die der Autorität des Kaisers unterstand. Nur relativ wenige Menschen hatten das römische Bürgerrecht mit den entsprechend einhergehenden gesetzlichen Rechten. Der Großteil der Bevölkerung gehörte den beiden anderen Gesellschaftsklassen an: freie Nichtbürger und Sklaven. Die meisten der bekehrten Christen entstammten diesen Klassen. Paulus zeigt den Kontrast zwischen freien (nicht versklavten) Menschen und versklavten Menschen auf, um eine wichtige Wahrheit zu erklären.

Diejenigen, die durch den Tod Christi gerechtfertigt sind, sind frei von dem Todesurteil, das sie durch ihre vergangenen Sünden auf sich gebracht haben. Diejenigen, die nicht gerechtfertigt sind, sind nicht frei von diesem Urteil. Als Sünder ohne Vergebung bleiben sie Verbrecher, die zum Tode verurteilt worden sind und nun als Gefangene (so, als säßen sie in der Todeszelle) auf ihre Hinrichtung zur Zeit von Gottes letztem Gericht warten.

Paulus fordert die Christen auch dazu auf, sich von den bigotten Klassenunterschieden dieser Welt zu befreien – frei von ihnen zu leben. Er tut dies, weil für die Kirche gilt: „Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus“ (Galater 3,28).

Er stellt diese Freiheit aber nie als eine Befreiung von dem Gesetz Gottes dar, das die Sünden definiert, die in unserer heutigen Welt so alltäglich sind. Er weist darauf hin, dass Jesus Christus „sich selbst für unsre Sünden dahingegeben hat, dass er uns errette von dieser gegenwärtigen, bösen Welt“ (Galater 1,4).

Jesus Christus befreit uns von der Verdammung, die wir selbst durch unsere Beteiligung an den Übeln unserer gegenwärtigen Gesellschaft über uns bringen, nicht von der Autorität, die Gottes Gesetz hat. Paulus machte es sehr deutlich, dass Gott „die Sünde im Fleisch [verdammte], damit die Gerechtigkeit, vom Gesetz gefordert, in uns erfüllt würde, die wir nun nicht nach dem Fleisch leben, sondern nach dem Geist“ (Römer 8,3-4).

Paulus zeigt beständig den Gegensatz auf zwischen der Sünde, die die Werke des Fleisches widerspiegelt und dem gerechten Verhalten, das die Frucht des Geistes widerspiegelt (Galater 5,19-23). Wir brauchen Gottes Geist, um in der Lage zu sein, das auszuführen, was das Gesetz lehrt. Der heilige Geist öffnet unseren Verstand, damit wir den wahren Zweck von Gottes Wegen verstehen können. Wir müssen dann an göttlichem Charakter zunehmen, indem wir unablässig Gottes Weg gehen.