Wenn Gott scheinbar
weder hört noch antwortet

Von Scott Ashley

Es gibt nur wenige Geisteshaltungen, die entmutigender sind als die Vorstellung, dass Gott unsere Gebete nicht hört, nicht beantwortet oder dass sie ihm gleichgültig sind. Man kommt schnell zu diesem Schluss, wenn Gott nicht so antwortet, wie und wann wir es erwarten.

Der Apostel Paulus hätte aus Gottes Reaktion schließen können, dass Gott nicht auf die Gebete der Menschen hört. Denn er flehte Gott in einer langwierigen Prüfung um sein Eingreifen an. Aber Gott weigerte sich, Paulus’ Bitte stattzugeben. Die Erfahrung des Paulus dient uns zur Lehre und zum Vorbild.

Paulus’ schwere Prüfung

Paulus beschreibt diese Prüfung so: „Es ist mir gegeben ein Pfahl ins Fleisch, nämlich des Satans Engel, der mich mit Fäusten schlagen soll, damit ich mich nicht überhebe. Seinetwegen habe ich dreimal zum Herrn gefleht, dass er von mir weiche“ (2. Korinther 12,7-8). Worin bestand diese Prüfung, wer war der Engel Satans, der Paulus quälte? Die Bemerkungen in den Paulusbriefen weisen darauf hin, dass es ein Problem mit seinen Augen gewesen sein könnte.

Paulus schrieb an Gemeindemitglieder in Galatien: „Ihr wisst doch, dass ich euch in Schwachheit des Leibes das Evangelium gepredigt habe beim ersten Mal. Und obwohl meine leibliche Schwäche euch ein Anstoß war, habt ihr mich nicht verachtet oder vor mir ausgespuckt, sondern wie einen Engel Gottes nahmt ihr mich auf . . . ich bezeuge euch, ihr hättet, wenn es möglich gewesen wäre, eure Augen ausgerissen und mir gegeben“ (Galater 4,13-15).

Am Ende des Galaterbriefes schreibt Paulus: „Seht, mit wie großen Buchstaben ich euch schreibe mit eigener Hand“ (Galater 6,11). Vielleicht musste er mit großen Buchstaben schreiben, weil er nur so die Worte, die er schrieb, sehen konnte.

Einige Jahre später schrieb Paulus den Korinthern, dass er dreimal zu Gott gefleht hatte, den „Pfahl im Fleisch“ zu entfernen. Paulus flehte verzweifelt zu Gott, ihn von dieser Prüfung zu erlösen. Ohne Zweifel gehörten Fasten und ernsthaftes Gebet zu seinem Flehen (2. Korinther 11,27). Er wollte von dieser Behinderung befreit sein, damit er weiterhin das Evangelium wirksam verkündigen und sich um die Gemeinden, die Gott durch ihn gegründet hatte, kümmern konnte.

Gottes Antwort an Paulus

Paulus hätte zu dem Schluss kommen können, Gott habe sein Flehen nicht gehört. Aber dies ist nicht der Fall. Gott gab Paulus einfach eine andere Antwort: „Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig“ (2. Korinther 12,9).

Ob Gott diese Worte direkt zu Paulus sprach oder ob Paulus nach und nach zu diesem Verständnis von Gottes Willen kam, ist aus dem griechischen Wortlaut nicht klar ersichtlich. Es wird jedoch deutlich, dass Paulus zu einem tieferen, geistlichen Verständnis gelangte, das seinen Glauben und seine Hingabe stärkte.

Paulus kam zu der Einsicht, dass Gott und Jesus Christus die Ehre gebührte, statt ihm selbst, und dass seine Schwäche ihn näher an die Quelle der Kraft und Stärke brachte. „Darum will ich mich am allerliebsten rühmen meiner Schwachheit, damit die Kraft Christi bei mir wohne. Darum bin ich guten Mutes in Schwachheit, in Misshandlungen, in Nöten, in Verfolgungen und Ängsten, um Christi willen; denn wenn ich schwach bin, so bin ich stark“ (Verse 9-10).

Paulus’ Erfahrung dient uns als eine wichtige Lektion. Manchmal antwortet Gott uns mit „nein“ oder „noch nicht“. Es war nie Gottes Absicht, dass unsere physischen Körper ewig bestehen würden. Er schenkt uns ungefähr 70 Lebensjahre (Psalm 90,10).

Viel wichtiger ist ihm, dass wir gerechten Charakter und eine vertrauensvolle Beziehung zu ihm entwickeln, die in alle Ewigkeit bestehen kann. Er möchte uns zum ewigen Leben in einem herrlichen, unsterblichen, geistlichen Körper auferwecken, der nicht Schwachheit, Krankheit und Tod ausgesetzt ist (1. Korinther 15,40-44. 50-55).

In der Zwischenzeit verstand Paulus, dass Gott in seiner Liebe keine größeren Prüfungen für uns zulassen wird, als wir ertragen können. „Gott aber ist treu; der wird euch nicht über euer Vermögen versucht werden lassen, sondern wird zugleich mit der Versuchung auch den Ausgang schaffen, dass ihr sie ertragen könnt“ (1. Korinther 10,13; Schlachter-Bibel). Manchmal besteht der „Ausgang“ in der festen Entschlossenheit, die Prüfung zu „ertragen“.

Paulus war nicht der Einzige, der lernte, dass lebendiger Glaube wichtiger war als physische Gesundheit und Langlebigkeit. Als er wusste, dass sein Tod bevorstand, betete Jesus: „Mein Vater, ist’s möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber“ (Matthäus 26,39). Jesus Christus, das vollkommene Beispiel des Glaubens, wusste jedoch, dass Gottes Wille wichtiger als sein eigener war: „Doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe“ (Lukas 22,42).

Auch Gläubige erfahren Unheil

Gott weiß, was für uns am Ende am besten ist, selbst wenn es dabei einen Konflikt mit unseren kurzzeitigen Wünschen gibt. Weil Gott mit seinem Wirken in uns einen höheren Zweck verfolgt, um Glauben und Charakter zu entwickeln, antwortet er nicht immer so auf unser Gebet, wie wir es gerne hätten. Das Glaubenskapitel (Hebräer 11) erzählt uns diesbezüglich: „Andere aber sind gemartert worden und haben die Freilassung nicht angenommen, damit sie die Auferstehung, die besser ist, erlangten. Andere haben Spott und Geißelung erlitten, dazu Fesseln und Gefängnis . . . Diese alle haben durch den Glauben Gottes Zeugnis empfangen“ (Hebräer 11,35-40).

Gott erhört unsere Gebete nicht immer zu unserer sofortigen Zufriedenheit und befreit uns nicht sofort von unseren Prüfungen. Aber er wird immer das für uns tun, was uns zum Besten dient (Römer 8,28), um uns am Ende unseres Lebens das ewige Leben schenken zu können (Philipper 1,6).