Ein Herz des Mitgefühls

Wenn trauernde Freunde uns brauchen, sind wir manchmal überfordert. Solche Gelegenheiten, auch wenn sie schwer sind, gehören zur wahren Nächstenliebe.

Von Andrea West

Der Tod kommt häufig ohne Warnung, und selbst wenn wir durch einen Krankheitsfall lange darauf vorbereitet wurden, stehen wir ihm trotzdem oft fassungslos gegenüber. Wenn es einen Todesfall im Freundeskreis gibt, kommen wir uns manchmal außerstande vor, unseren Freunden helfen zu können. Wir haben vielleicht Angst, die falschen Dinge zu sagen, und in einigen Fällen scheint jeder Trost vergeblich.

Kann man aber behaupten, Nächstenliebe zu praktizieren, wenn unsere Freunde uns brauchen und diese Liebe nicht zum Ausdruck kommt? Solche Gelegenheiten, so schwer sie auch sein mögen, gehören zu den wichtigsten Diensten wahrer christlicher Nächstenliebe. Für Menschen, die diese Nächstenliebe praktizieren wollen, lautet daher die Frage: Was können wir für unsere Freunde und Verwandten tun, wenn sie eine Zeit der Trauer durchleben? Es gibt praktische Antworten auf diese Frage.

Die Begegnung mit dem Tod

Mein Mann Robert und ich freuten uns sehr über die Geburt des ersten Kindes unserer Freunde, der Familie Roth. Da wir selber eine junge Familie sind, freute ich mich, dass ich Helga bei den Problemen helfen konnte, die sie beim Stillen hatte. Gerne fuhren wir eine Stunde durch einen Wintersturm, um den Roths unseren Rat bei der Pflege und dem Füttern des Neugeborenen anzubieten. Die Zeit, die wir zusammen verbrachten, festigte unsere Freundschaft. [Anmerkung der Redaktion: alle Namen wurden von der Redaktion geändert.]

Einige Monate später erhielten wir dann die tragische Nachricht, dass das Baby nach einer kurzen Krankheit gestorben war. Bisher hatte ich nie den Tod eines Familienmitglieds erfahren. Noch nie stand ich dem Tod so nahe gegenüber. Es schien unmöglich für mich, an der Beerdigung teilzunehmen. Wie konnte ich bloß mit meinen Gefühlen und der Angst vor dem Tod fertig werden, besonders mit dem plötzlichen Tod eines Säuglings?

Da mein Mann am Tag der Trauerfeier erst sehr spät in der Nacht von einem Geschäftstermin nach Hause kam, entschieden wir, dass wir nicht daran teilnehmen würden. Wie traurig waren wir, als wir von einem Angehörigen der Familie Roth erfuhren, wie unsere Freunde noch vor der Beerdigung gesagt hatten: „Die Wests werden ganz bestimmt zur Trauerfeier kommen, selbst wenn niemand sonst kommt.“

Für die Roths war es sehr schwer, den Tod ihres Kindes zu verkraften. Wir hatten ihnen in der ersten Lebensphase ihres Kindes geholfen, und beim Tod des Kindes rechneten sie mit unserer Hilfe. Als die Roths uns am meisten brauchten, waren wir nicht für sie da. Wir ließen es zu, dass unsere eigenen Emotionen und Ängste uns davon abhielten, ihnen zu helfen.

Unser Versagen in der Zeit der Not unserer Freunde ließ unsere Herzen empfindlicher werden. Wir begannen zu begreifen, wie wichtig es ist, für diejenigen da zu sein, die einen lieben Menschen verloren haben.

Das Beispiel der praktischen Hilfe

In vielen Gesprächen fand ich später heraus, wie schwer es oft für die Trauernden ist, auch nur die einfachsten Dinge zu tun, wie morgens aufzustehen und sich etwas zu Essen zu machen. Nachbarn und Freunde sind hier ein hervorragendes Beispiel, indem sie bei der Nachricht des Todes für Nahrung sorgen und andere praktische Hilfe leisten.

Wenn Nachbarn und Freunde sich die Zeit nehmen, um an der Trauerfeier teilzunehmen oder auf sonstige Weise ihr Beileid zum Ausdruck zu bringen, senden sie eine klare Botschaft an die trauernde Familie: „Die Person, der wir heute die letzte Ehre erweisen, hat mir viel bedeutet, und auch ihr seid mir wichtig.“

Christliche Fürsorge für Trauernde bedeutet nicht nur physische Hilfe, sondern schließt auch seelische Unterstützung mit ein. Für Trauernde können bestimmte Anlässe und Situationen eine schmerzliche Erinnerung hervorrufen. Hierzu zählen besonders der Todestag, Hochzeitstag und auch andere besondere Anlässe wie z. B. der Geburtstag der verstorbenen Person. Solche Termine sind dann besonders schmerzlich, weil der Verstorbene fehlt.

Es kommt vor, dass der Trauernde an solchen Tagen alleine sein will. In anderen Fällen suchen Betroffene besonders an diesen Tagen Anschluss, um den Schmerz zu teilen oder sich von den Gedanken an den Verstorbenen abzulenken. In solchen Fällen ist ein Anruf oder ein kurzer Kartengruß besonders willkommen.

Ein weiterer wertvoller Hinweis aus eigener Erfahrung ist, dass wir uns davor hüten sollen, andere negativ dafür zu beurteilen, wie sie mit Trauer umgehen. Frau Müller scheint nach dem Tod ihres Mannes zurechtzukommen. Deshalb fragen wir uns vielleicht, warum Herr Schmidt nach dem Tod seiner Frau so depressiv zu sein scheint.

Jeder Mensch verarbeitet den Tod eines lieben Menschen auf seine Weise. Obwohl Frau Müller den äußerlichen Eindruck erweckt, dass es ihr einigermaßen gut geht, kann es sein, dass ihr innerlich elend zumute ist. Es gibt Menschen, die ihre Gefühle nicht nach außen hin ausdrücken können. Herr Schmidt, der seine Trauer zeigt, mag seinen Verlust schneller verkraften als sein Bekannter, der nach außen hin keine Regung zeigt. Auf jeden Fall sollen wir einem jeden trauernden Menschen Liebe und Respekt entgegenbringen.

Die schmerzliche Erfahrung mit den Roths lehrte uns, wie wichtig es ist, für Freunde in einer Zeit der Trauer da zu sein. Das leuchtende Beispiel anderer zeigte mir, wie wir in einem solchen Fall helfen können. Wenn der Schatten des Todes jemanden aus Ihrem Familien- oder Freundeskreis trifft, können Sie derjenige sein, der im Leben dieses Menschen einen „reinen Gottesdienst“ verrichtet (Jakobus 1,27).