Ist die Bibel heute noch aktuell?

Fernlehrgang zur Bibel, Lektion 1

Für die einen machte sich Erleichterung breit, andere waren eher enttäuscht. Das mit großer Spannung erwartete Jahr 2000 traf ein, ohne dass die Verheißungen vom Millennium-Virus und dem großen Computer-Crash, dem Chaos am Himmel und den Katastrophen auf Erden wahr wurden. Die Toten sind in ihren Gräbern geblieben, und kein Komet fiel auf uns herab.

Im Dezember 1999 sollte wieder einmal das „Ende der Welt“ kommen. Selbsternannte Propheten in der ganzen Welt warnten vor dem bevorstehenden Desaster. Nicht wenige glaubten ihren Ankündigungen und folgten ihrem Aufruf zum Rückzug in die Einsamkeit. So warteten die Schwarzseher im entfernten Neuseeland oder im kleinen oberbayrischen Dorf Loiderding gut vorbereitet auf den Weltuntergang, aber nicht ohne vorher medienwirksam ihre Bücher und andere Überlebenshilfen verkauft zu haben.

Das Buch des Anti-Atom-Aktivisten Alexander Tollmann Das Weltenjahr geht zur Neige war eines der erfolgreichsten Sachbücher des Jahres 1999. Darin erfuhr der Leser, dass vier Monate vor dem Jahrtausendwechsel der dritte Weltkrieg ausbrechen sollte. Uriella (Fiat Lux), das selbsternannte „Sprachrohr Gottes“, prophezeite das „Auseinanderbrechen“ Deutschlands vor Beginn des Jahres 2000 – nebst Wien, London, und New York.

Ende 1999 konnte man wieder sehen, wie tief sich biblische Sinnbilder der Endzeit, vor allem der geheimnisvollen Apokalypse, in das Bewusstsein unserer abendländischen Gesellschaft eingraviert haben. Bücher über die Apokalypse werden in Auflagen, die in die Millionen gehen, verkauft. Der amerikanische Historiker Bernhard McGinn fand heraus, dass „in den letzten 30 Jahren [vor dem Jahr 2000] der Erforschung endzeitlicher Prophezeiungen mehr Aufwand gewidmet wurde als in den 300 Jahren davor“.

Nur: Diejenigen, die die Bibel für ihre Jahr-2000-Prognosen herangezogen hatten, waren enttäuscht, als nichts von dem vermeintlich für den Millenniumswechsel Prophezeiten eintraf. Andere wiederum sahen darin eine erneute „Fehlanzeige“ nach dem Motto: Wieder einmal hatte die Bibel unrecht.

Zu Beginn dieses Fernlehrgangs bietet uns der Anbruch des neuen Millenniums, fast 2000 Jahre nach der Gründung der christlichen Religion, die Gelegenheit zur Frage, ob die Bibel heute überhaupt noch aktuell ist.

Eine Umfrage des Nachrichtenmagazins FOCUS aus dem Jahr 1999 ergab, dass fast zwei Drittel der Deutschen an einen Gott glauben, aber nur noch zwölf Prozent der Befragten meinen damit den Gott der christlichen Bibel. Selbst für bekennende Christen ist die Bibel oft nicht sehr relevant. Der FOCUS-Umfrage zufolge kennt beispielsweise weniger als die Hälfte der Konfessionschristen in Deutschland den Inhalt der Zehn Gebote „gut“. Die Bergpredigt von Jesus Christus ist nur 17 Prozent dieser Menschen bekannt.

Darüber hinaus ergab die Umfrage, dass fast die Hälfte der Befragten nicht an ein Leben nach dem Tode glaubt. Zu Ostern 2001 verneinten sogar 62 Prozent der befragten Deutschen die Frage, ob sie an die Auferstehung Jesu von den Toten wirklich glauben. Wer die Auferstehung Jesu verneint, lehnt das wesentliche Zeugnis der Bibel ab und hat eigentlich gar keine Grundlage für seinen „Glauben“, doch viele Konfessionschristen denken so.

In einer Gesellschaft, in der die Bibel nicht einmal mehr für alle Konfessionschristen aktuell ist, braucht man sich nicht darüber zu wundern, wenn die Glaubwürdigkeit der Bibel generell in Frage gestellt wird. Für manche ist die Bibel ein Buch der Legenden und Märchen, zusammengetragen als Profilierungsversuch eines relativ unbedeutenden Volkes der Antike. Urteile wie „jüdisches Geltungsbedürfnis“ oder „geschichtliche Schwärmerei“ geben die Meinung einiger wieder, für die die Bibel noch obendrein unwissenschaftliche Aussagen enthalten soll.

Dann gibt es diejenigen, die den Inhalt der Bibel – ihre Moral und Ethik – ablehnen. Darunter sind bekannte Persönlichkeiten wie der Schriftsteller Martin Walser. In einem Beitrag in der Neuen Zürcher Zeitung (Ausgabe vom 10. Oktober 1998) setzte sich Walser mit der Ethik der Bibel auseinander, in der er eine Quelle der Herrschaft und Gewalt zu erkennen glaubte.Nein, ca. 2000 Jahre nach der Geburt Jesu scheint die Bibel als Leitfaden für die persönliche Lebensführung und Daseinsorientierung keine große Relevanz zu haben. Sie mag zwar ihren Stellenwert unter den Werken der Weltliteratur genießen und einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung unserer Sprache gehabt haben, aber damit ist wohl alles gesagt. Oder?

Ob die Bibel noch heute aktuell ist, hängt entscheidend von ihrem Inhalt ab. Die Bibel selbst erhebt den Anspruch, das Wort Gottes zu sein. Sie behauptet, den Sinn des menschlichen Lebens zu erklären und aufzuzeigen, wie man diesen Sinn erfüllt. So gesehen ist die Bibel eine Art „Bedienungsanleitung“, die ihr Autor, der Schöpfer der Menschen, seinen Geschöpfen auf dem Weg durch dieses Leben mitgegeben hat.

Die im 20. Jahrhundert erzielten Fortschritte auf allen Gebieten der Naturwissenschaften und der Technik sind atemberaubend. Heute scheint kein technisches Problem auf Dauer unlösbar zu sein. Wie sieht es hingegen bei ethischen Fragen aus?

Besitzen wir Menschen die moralische Kraft, unsere technischen Fähigkeiten ausschließlich zum Wohle unserer Mitmenschen einzusetzen? Sind wir als Menschen in unserer moralischen und ethischen Entwicklung so weit, dass wir die Anleitung dieses „Handbuchs“ ignorieren können?

Ein Großteil der Forschung ist militärischen Zwecken gewidmet. Es hat bekanntlich noch keine Waffe gegeben, deren Entwicklung und Produktion theoretisch möglich war, die nicht auch produziert und eingesetzt worden ist. Vor diesem Hintergrund scheint die Sorge vieler Menschen über die heutige Genforschung und den zukünftigen Einsatz dieser Technologie berechtigt.

Zur Beantwortung der Frage nach der Aktualität der Bibel befassen wir uns zunächst mit einigen Voraussagen für das dritte Millennium nach Christus, die zu Beginn des neuen „technischen“ Jahrtausends verbreitet wurden.