Prinzipien des Sabbathaltens

Die Frage des Essens außer Haus am Sabbat ist im Laufe der Jahre hin und wieder gestellt worden. Ohne Zweifel geht es beim christlichen Glauben um die persönliche Ent­scheidung aus Gewissensgründen. Der Apostel Paulus vertrat die Ansicht, dass er kein Fleisch äße, wenn das jemanden zum Straucheln bringen könnte. Fleisch zu essen oder nicht zu essen war eine Gewissensentscheidung, die er treffen konnte. Die Handlung selbst dagegen war keine Frage von Sünde.

„Darum, wenn Speise meinen Brüder zu Fall bringt, will ich nie mehr Fleisch essen, damit ich meinen Bruder nicht zu Fall bringe“ (1. Korinther 8,13). Es gab keinen Grund, auf jemanden Zwang oder Druck auszuüben, der um seines Gewissens willen kein Fleisch essen wollte, das einem Götzen geopfert worden war. Im Römerbrief macht Paulus folgende Aussage über das Gewissen: „Wer aber dabei zweifelt und dennoch isst, der ist gerichtet, denn es kommt nicht aus dem Glauben. Was aber nicht aus dem Glauben kommt, das ist Sünde“ (Römer 14,23).

Was sagt uns die Bibel über das Sabbathalten und insbesondere über das Essen in einem Restaurant am Sabbat? Stellt das Essen im Restaurant eine Übertretung des Sabbat­gebots dar? In dieser Stellungnahme untersuchen wir, im Hinblick auf diese Frage, die Schrift und biblische Prinzipien bezüglich des Sabbathaltens.

Der biblische Hintergrund und das jüdische mündlich überlieferte Gesetz

Der Sabbat wird in 61 Versen des Alten Testaments und 55 Versen des Neuen Testaments erwähnt. Da es kein „so gebietet der Herr“ in Bezug auf das Essen im Restaurant am Sabbat gibt, müssen wir die Schrift interpretieren und nach passenden Prinzipien suchen. Es gibt zwei Methoden, um festzustellen, wie wir den Sabbat halten sollen: 1.) durch ein direktes biblisches Gebot, und 2.) durch ein biblisches Beispiel.

Bei der Frage des Essens im Restaurant am Sabbat geht es um das Thema Handel (das Tätigen von Geschäften am Sabbat) und darum, andere Menschen zur Arbeit zu zwingen. Es gibt zwei Abschnitte in der Bibel, die sich auf „kaufen“ und „verkaufen“ am Sabbat beziehen: Nehemia 13, Verse 15-21 und Amos 8, Vers 5. Das sind die beiden hauptsächlichen Abschnitte, die von den­jenigen angeführt werden, die glauben, das Essen im Restaurant am Sabbat sei eine Ver­letzung des Sabbatgebots. Man bedenke dabei, dass es unter den 116 Versen nur zwei gibt, die sich direkt auf Handelsgeschäfte am Sabbat beziehen.

Zusätzlich zum biblischen Bericht über das Sabbathalten gibt es in der jüdischen Gemeinde noch das mündliche Gesetz, das der Sanhedrin zu interpretieren hatte. Obwohl es seit über 1700 Jahren den Sanhedrin nicht mehr gibt, ist sein Einfluss noch heute spürbar. Das mündlich überlieferte Gesetz (jetzt im Talmud niedergeschrieben) enthält 39 Kategorien verbotener Arbeit am Sabbat. Davon werden einige in der Bibel aufgelistet. Zur Zeit Christi wurde ihre Einhaltung in ihrer Gesamtheit vom Sanhedrin durchgesetzt. Wie bei allen Fragen müssen wir biblische Fakten sorgfältig von der Tradition trennen. In seinem Buch SabbathDay of Eternity [„Der Sabbat – Tag der Ewigkeit“] schreibt Rabbi Aryeh Kaplan folgendes über Handels­geschäfte am Sabbat:

Der Sanhedrin erließ aus einer Reihe von Gründen ein Verbot gegen alle Arten des Kaufens, Verkaufens, Handelns und anderer Geschäftsaktivitäten. Der Sabbat muss ein Tag sein, an dem alles Geschäftliche, aufhört (Kaplan Rabbi Aryeh, Sabbath—Day of Eternity, Union of Orthodox Jewish Congregations of America, New York, 2002).

So wurde es im mündlichen Gesetz verbindlich festgelegt, das sich über viele Jahre entwi­ckelt hatte. Ein großer Teil dieser Entwicklung fand in der Zeit zwischen den beiden Testamenten statt (400 v. Chr. bis 100 n. Chr.). Zu dem Zeitpunkt, an dem das Alte Testament endet, gab es keinen Sanhedrin, aber zu Beginn der neutestamentlichen Ära war er eine blühende Institution. Der Sanhedrin übte zu dieser Zeit hinsichtlich des Sabbathaltens große Macht aus. Das Verbot gegen das Tragen von Lasten (eine der 39 Kategorien von Arbeit) wurde vom Sanhedrin herangezogen, um jede Art von Handel zu verbieten.

Diese Kategorie verbietet strikt jedes Tragen von Lasten auf der Straße. Sogar solche banalen Dinge wie ein Schlüssel oder ein Taschentuch müssen zu Hause gelassen werden. Auf jeden Fall dürfen keine Handtaschen, Geldbörsen, Geld­beutel und Schlüsselringe getragen werden. Das einzige, was man außer Haus tragen durfte, waren die Sachen [Klei­dung], die man angezogen hatte (ebenda).

Die Macht des Sanhedrin war unangefochten. Er war der Urheber und letztendliche Schieds­richter des jüdischen Gesetzes.

Während der Zeit der römischen Verfolgung wurde es sehr schwierig, die Schulen aufrecht zu erhalten, in denen die mündliche Thora gelehrt wurde, und man befürchtete, dass sie in Vergessenheit geraten und verlorengehen könnte. Deshalb wurde sie schließ­lich vor etwa 1700 Jahren in schriftlicher Form abgefasst und wurde zu dem, was wir heute den Talmud nennen (ebenda).

Der Talmud selbst sagt, dass die Sabbatgesetze in der schriftlichen Thora nur durch eine Haaresbreite angedeutet werden, im mündlichen Gesetz sich aber wie Berge erheben (Chagigah 1:8 (10a), Tosefos Yom Tom ad loc).

Diese Institution [der Sanhedrin] hatte eine zweifache Autorität. Zum einen war er der Bewahrer der mündlichen Thora und zu ihrer Auslegung verpflichtet. In diesem Sinne funktionierte er als oberster Gerichtshof des jüdischen Gesetzes. Zweitens hatte er die Autorität, religiöse Gesetze zu erlassen. Weil diese Autorität von der Thora selbst ab­geleitet wurde, war sie genauso verbindlich wie das biblische Gesetz. Wenn eine Gesetz­gebung einmal erfolgt war, konnte sie nur vom Sanhedrin selbst wieder aufgehoben werden. Eine solche Gesetzgebung zielte oft darauf ab, sowohl den Geist als auch den Buchstaben des Gesetzes zu bewahren (Kaplan, Rabbi Aryeh, Sabbath—Day of Eternity).

Eine Hauptregel, die dem Sanhedrin aufgegeben war, war, „einen Zaun um die Thora zu er­richten“ (Avos 1:1). Jesus Christus unterstützte die vielen Regeln und Vorschriften nicht, die der San­hedrin in seiner Gesetzgebung für das Sabbathalten aufgestellt hatte. Jesus verurteilte viele dieser Tra­di­tionen (Markus 7,9. 13). Das sollte uns zu denken geben, wenn es um jüdische Regeln und Vorschriften in Bezug auf das Sabbathalten geht.