Sollen Christen zur Wahl gehen?

Sollen Christen zur Wahl gehen oder auf sonstige Weise am politischen System dieser Welt teilnehmen? Bei der Gründung der Vereinten Kirche Gottes wurde die traditionelle Lehre der Kirche, wonach Mitglieder sich nicht am politischen System dieser Welt beteiligen sollen, übernommen. In diesem Themenpapier wird der offizielle Standpunkt der Kirche zu dieser Frage näher erläutert.

Bevor wir fortfahren, wollen wir anmerken, dass eine Teilnahme an weltlicher Politik ein anderes Thema ist als eine Abstimmung bei Angelegenheiten innerhalb der Kirche, bei der eine vom heiligen Geist geleitete Lösung angestrebt wird (vgl. dazu das Themenpapier „Abstimmungen in der Kirche“). Diese Unterscheidung zwischen politischen Wahlen außerhalb der Kirche und kirchen­internen Abstimmungen wurde in einer Stellungnahme der Vereinten Kirche Gottes zu diesem Thema behandelt. Nachfolgend der Wortlaut der Stellungnahme (alle Hervor­hebungen durch uns):

Sie fragten, ob sich Wahlen bei kirchlichen Zusammenkünften mit der Bibel vereinbaren lassen. Durch das Wählen bringt man seine Meinung bei einem Entscheidungsprozess zum Aus­druck. Ein anderes Wort dafür ist Abstimmen . . .

In Holman’s Bible Dictionary wird dargelegt, dass die Bedeutung des hebräischen Wortes für Los „ein kleiner Stein“ ist. Es gibt möglicherweise einen Zusammenhang zwischen Abstim­mungs­verfahren und dem alten hebräischen Gebrauch des Losens. Die Details sind heute jedoch unbekannt . . .

Man kann mit seiner Stimme oder durch Handheben wählen bzw. abstimmen. Um die Wahl geheim zu halten und äußere Beeinflussung zu vermeiden, kann man mit Hilfe eines Stimm­zettels abstimmen. Die Auswahl desjenigen, der Judas’ Apostelamt übernehmen sollte, be­inhal­tete eine Art Meinungsäußerung (Apostelgeschichte 1,23) und das Auslosen (Apostel­geschichte 1,26). Die Bibel gibt uns hier keine Details, wie das Verfahren ablief, aber es fand hier eindeutig eine Art des Wählens statt.

Es gibt einen bedeutenden Unterschied zwischen dem Wählen an sich und dem, was man allgemein unter „Politik“ versteht – dem unerfreulichen und gottlosen Streiten über ver­schie­dene Belange, gepaart mit einem Wetteifern um persönliche Vorteilnahme. Christen sollen sich von einer solchen negativen und fleischlichen „Politik“ fernhalten (1. Timotheus 6,4-5; 1. Petrus 2,11-12).

In der Vereinten Kirche Gottes verwenden wir Wahlen bzw. Abstimmungen als Methode der Meinungsäußerung in einer geordneten und gottesfürchtigen Weise.

Der bisherige Standpunkt der Kirche zur Frage des Wählens und der Politik

Im Oktober 1948 veröffentlichte die „Radio Church of God“ (später in „Weltweite Kirche Gottes“ umbenannt) in ihrer Zeitschrift The Plain Truth („Klar & Wahr“) einen Artikel mit dem Titel „Wen würde Jesus als Präsidenten wählen?“ Dieser Artikel wurde 1952 in der Zeitschrift The Good News („Die Gute Nachricht“) erneut abgedruckt. 1956 erschien er unter dem gleichen Titel in der Oktoberausgabe von The Plain Truth. Der Artikel wurde 1960 in der Novemberausgabe von The Plain Truth nochmals veröffentlicht. Das letzte Mal, dass dieser Artikel in einer Publikation der Kirche erschien, war 1984, und zwar in der Oktoberausgabe von The Good News. Dieser Artikel wurde in all den Jahren als hauptsächliche Stellungnahme der Kirche zum Thema Stimmabgabe bei politischen Wahlen ver­wen­det. Dabei ging es um das Wählen und die Frage, ob man sich als Kandidat für poli­tische und öffentliche Ämter aufstellen lassen sollte.

Im November 1948 wurde auch ein persönlicher Brief von Herbert W. Armstrong in der Zeitschrift The Good News veröffentlicht:

„Sind die weltlichen, unbekehrten Menschen mit mehr Begeisterung, Eifer und Patriotismus für die Dinge dieser Welt erfüllt, als es wahre Christen für die Dinge Gottes sind? Der Diens­tag, der Tag der Präsidentenwahl, wird bereits vorüber sein, wenn Sie diesen Brief lesen. Die Menschen dieser Welt werden ihren Patriotismus dadurch bekundet haben, dass sie zur Wahl gegangen sind. Die Menschen dieser Welt fühlen einen starken Patriotismus in ihrer Seele – sei es der Patriotismus für ihr eigenes Land, ihre eigene Universität, ihre Studen­ten­verbindung, ihre Loge, ihren Verein, ihr Unternehmen oder für welche parteiische Orga­ni­sation auch immer, der sie sich verbunden fühlen.“

Der 1960 in der Oktoberausgabe von The Good News erschienene Artikel „Sollte ein Christ kämpfen?“ von L. Leroy Neff beinhaltet folgende Aussage:

„Da wir JETZT Botschafter für das Reich Gottes sind, verzichten wir auf das Recht zu wählen bzw. an der Politik oder den Regierungen dieser Welt teilzunehmen. Falls Sie weitere Fragen zu diesem Thema haben, dann bestellen Sie bitte umgehend unseren Artikel Wen würde Jesus als Präsidenten wählen?.“

1980 erläuterte Herman Hoeh die über die Jahre hinweg eingenommene Position der Kirche in einer Predigt zum Thema „Militärdienst und die Kirche“ (2. Februar 1980, Predigttranskript):

„Ich musste [in Bezug auf die Kriegdienstverweigerung] vor einem Richter erscheinen, und ich werde hier jetzt nicht auf die gesamte Geschichte dieses Ereignisses eingehen. Es hatte jedoch mit einer anderen Angelegenheit zu tun hat, nämlich dem Wählen. Das sei bei diesem Thema von kritischer Bedeutung, sagte mir dieser Mann nach unserem Gespräch. Er sagte, dass es interessant sei, dass es seit Beginn des Prinzips der Kriegsdienstverweigerung zwei Kirchen gegeben habe, die in ihrem dies­bezüg­lichen Verständnis fundamental geblieben seien: die Mennoniten und die Kirche Gottes. Denn die Kirche Gottes, die damals ihren Hauptsitz in Stanbury in Missouri hatte, bean­trag­te und erhielt bereits in den Tagen von Präsident Lincoln [1861-1865] den Status als Kriegs­dienst­verweigerer. Ich hatte das nicht gewusst, ich hatte nie davon gehört. Aber als mir das der Richter selbst mitteilte – ein Mann, der für das Gesetz zuständig ist –, da dachte ich mir, dass dies einen ausgezeichneten his­torischen Beleg für die Tradition unserer Kirche dar­stellt“ (siehe weitere Predigtauszüge im Anhang).

1988 verfasste die Korrespondenzabteilung der Weltweiten Kirche Gottes einen Brief, der bis weit in die 1990er Jahre eingesetzt wurde:

Vielen Dank für Ihre Frage zum Thema Wählen.

Diejenigen, die sich zu Gottes Lebensweise bekehrt haben, sind Botschafter für Jesus Christus (2. Korinther 5,20). Als Botschafter und Bürger des Reiches Gottes sollen sich Chris­­­ten nicht mehr an den menschlichen Regierungssystemen beteiligen.

Beachten Sie: „Unser Bürgerrecht aber ist im Himmel; woher wir auch erwarten den Heiland, den Herrn Jesus Christus“ (Philipper 3,20). Christus lehrte, dass sein Reich nicht von dieser Welt ist. Dementsprechend sind seine Diener dazu aufgerufen, aus dieser Welt heraus­zu­kom­men. Siehe Johannes 18, Vers 36 und Offenbarung 18, Vers 4.

Die Bibel offenbart, dass Gott Machthaber gemäß seinem Willen einsetzt und auch wieder aus dem Amt entfernt (Daniel 4,14). Die Regierungen, die Macht ausüben, tun dies nur so­lange Gott es ihnen gestattet. Christen werden angewiesen, ihnen untertan zu sein, solange sie an der Macht sind (Römer 13,1). Wenn es jedoch einen Konflikt zwischen den Gesetzen Gottes und den Gesetzen von Menschen geben sollte, dann müssen wir natürlich Gott gehor­chen statt den Menschen. Siehe Apostelgeschichte 5, Vers 29.

Jesus Christus sagte, dass er wiederkehren wird, um Gottes Reich zu errichten, eine Welt­­regie­rung voller Rechtschaffenheit und Gerechtigkeit. Wir werden dazu ermahnt, dafür zu beten, dass sein Reich auf Erden errichtet wird (Matthäus 6,9-10), denn dann – und nur dann – werden die Probleme dieser Welt gelöst werden.

Auch andere Veröffentlichungen der Kirche machten deutlich, dass die Kirche gegen das Wählen und das Kandidieren für ein politisches Amt war (siehe Anhang).