Irak, Israel und UN-Resolutionen: Zweierlei Maß?

Von der Redaktion

In dem sensibilisierten Klima nach der letztjährigen Auseinandersetzung zwischen dem stellvertretenden Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde in Deutschland Michael Friedmann und dem FDP-Politiker Jürgen Möllemann ist es gewagt, den Irak und Israel miteinander zu vergleichen. Wir meinen jedoch, daß in einem Punkt der Vergleich erlaubt sein sollte.

Drei Tage vor dem Angriff auf den Irak meinte US-Präsident Bush, der UN-Sicherheitsrat sei seiner Verantwortung zur Durchsetzung der eigenen Resolutionen gegenüber dem Irak nicht nachgekommen. Damit meinte Bush nicht nur die Resolution des Sicherheitsrats vom 8. November 2002, Nr. 1441, sondern auch andere Resolutionen, deren Mißachtung durch den Irak vom Sicherheitsrat nicht geahndet wurde.

In seiner Rede am 12. September 2002 vor der UN-Vollversammlung hatte Bush die einschlägigen Resolutionen des Sicherheitsrates zum Ende des ersten Golfkriegs vor zwölf Jahren und deren international anerkannte Verletzungen seitens des Iraks genannt. An dieser Darstellung wurde keine ernst zu nehmende Kritik laut, wohl aber an dem Alleingang der Amerikaner und Briten in dem nunmehr abgeschlossenen zweiten Golfkrieg.

Der Irak ist jedoch nicht das einzige Land, das Resolutionen des Sicherheitsrats mißachtet. In seiner mehr als 50jährigen Geschichte als UN-Mitgliedsland hat Israel mehrere Resolutionen ignoriert. Die wohl bekannteste ist Nr. 242 vom 22. November 1967, die einen „Rückzug israelischer Streitkräfte aus Gebieten, die während des jüngsten Konflikts [des Sechs-Tage-Kriegs vom Juni 1967] besetzt wurden“, verlangt. Sechs Jahre später, nach dem Jom-Kippur-Krieg, bestätigte die Resolution Nr. 338 die Forderung nach Räumung der besetzten Gebiete.

Diese beiden und andere Resolutionen des Sicherheitsrats, die Israel nicht umgesetzt hat, konnten nur mit der Duldung der USA verabschiedet werden. Im Gegensatz zum Irak tolerieren die USA im Fall Israels die Mißachtung solcher Beschlüsse. In diesem Zusammenhang ist es erwähnenswert, daß die völkerrechtlich verbindliche Berechtigung zur Errichtung des Staates Israel auf eine UN-Resolution zurückzuführen ist: Resolution Nr. 181 der Vollversammlung vom 29. November 1947.

Ähnlich machte die Resolution Nr. 273 vom 11. Mai 1949 die Aufnahme Israels in die Weltorganisation möglich, allerdings mit der expliziten Verpflichtung, die UN-Charta anzuerkennen und UN-Resolutionen in bezug auf den arabisch-israelischen Konflikt zu respektieren.

Damit kein Mißverständnis entsteht: Wir unterstützen das Existenzrecht des jüdischen Staates in seinen völkerrechtlich verbindlichen Staatsgrenzen – Grenzen, die für die Bürger Israels sicher sein müssen. Wir verurteilen die sinnlosen Terroranschläge im Nahen Osten.

Uns geht es bei dem Vergleich eigentlich nicht primär um das Verhalten Israels, sondern um die Frage, warum die Amerikaner bei der Beurteilung von Verletzungen der Beschlüsse des Sicherheitsrats durch den Irak und Israel zweierlei Maß anlegen. Ist es nur auf den großen Einfluß jüdischer Organisationen und Verbände in den USA zurückzuführen? Viele Kritiker Israels und der USA sehen es so. Wir hingegen sehen die Verbindung Israel-USA in der Geschichte verwurzelt. Unsere Antwort erfahren Sie in dem Leitartikel dieser Ausgabe, der auf Seite 4 beginnt.