Von der Redaktion

„Lasset uns Gott machen, ein Bild, das uns gleich sei“

Wer den Anfang der Bibel kennt, erkennt sofort an dem Titel dieser Spalte eine Ähnlichkeit mit 1. Mose 1, Vers 26. Dort heißt es: „Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei.“ Die beiden Aussagen widersprechen sich. Letztere drückt in Wirklichkeit das großartige Vorhaben unseres Schöpfers mit seinen Geschöpfen aus, das erst durch eine Verwandlung von Fleisch und Blut in Geist abgeschlossen sein wird. Unser heutiges physisches Leben soll als Vorbereitung auf diese spätere Verwandlung dienen.

Die erste Aussage ist Ausdruck menschlicher Vorstellungen über die Religion im Allgemeinen. Soziologen nennen diese Betrachtungsweise Anthropomorphismus, sprich Vermenschlichung. Damit ist in Bezug auf unsere Gottesvorstellung die Übertragung menschlicher Eigenschaften auf ein höheres Wesen gemeint. In der abendländischen Kultur sind hierfür die griechischen und römischen Götter ein gutes Beispiel. Die mythologischen Götter der Griechen und Römer hatten ausgesprochen menschliche Züge, obwohl man ihnen auch übernatürliche Fähigkeiten zuschrieb.

Für viele Atheisten und Agnostiker sind die Gottesvorstellungen der heutigen Weltreligionen genauso anthropomorphisch wie die der alten Griechen und Römer. Auch im Judentum und Christentum glauben sie beispielsweise eine Vermenschlichung zu erkennen. Ihrer Meinung nach habe nicht Gott die Menschen erschaffen, sondern umgekehrt. Dazu beschrieben die Hebräer ihren Gott im Alten Testament mit menschlichen Eigenschaften und Gefühlen.

Der Anthropomorphismus ist heute in Deutschland weit verbreitet. Wir freuen uns über das Grundrecht der Religionsfreiheit. Jeder ist frei, seine Religion – oder auch gar keine – selbst zu bestimmen. Und das tun wir auch. Umfragen zufolge glaubt die Mehrheit der Deutschen an einen Gott. Die Meinungen darüber, wer dieser Gott ist, gehen jedoch auseinander. Für manche ist es nicht der Gott einer bestimmten Religion, sondern einfach die Vorstellung, dass „Gott“ ein höheres, unpersönliches Wesen ist – eine Art „höhere Gewalt“.

Unerkannterweise praktizieren viele bekennende Christen ihre eigene Art der Vermenschlichung Gottes. Sie glauben zwar an die grundlegende Aussage der Schöpfungsgeschichte in 1. Mose 1, Vers 26. Für sie gibt es aber Aussagen in der Bibel über Gott, die sie nicht akzeptieren können. Manche Taten oder Worte Gottes sind ihnen unverständlich – oder gar „inhuman“.

Statt darauf zu vertrauen, dass es für diese Dinge eine Erklärung gibt oder eines Tages geben wird (was freilich Glauben voraussetzt), stellen sie sich Gott anders vor. Sie übertragen ihre persönliche Gottesvorstellung auf den Gott der Bibel. Das ist nichts anderes als die Vermenschlichung der Gottesvorstellung auf eine andere Art – eine persönliche Aussonderung biblischer Aussagen über den Schöpfer.

Vor dem Hintergrund des Anthropomorphismus in der Gottesvorstellung des durchschnittlichen Europäers weisen wir Sie auf unseren Leitartikel auf Seite 4 hin. Dort finden Sie zehn Eigenschaften Gottes aufgelistet, so wie die Bibel Gott beschreibt. Wie viele dieser Eigenschaften sind Ihnen fremd? Anders gefragt: Inwieweit werden Sie vom Anthropomorphismus beeinflusst?