Situationsethik ist
Schwein plus Lippenstift

Könntest Du Dir vorstellen, ein Schwein zu küssen? Was wäre, wenn das Schwein Lippenstift auf der Schnauze hätte? Es wäre dann trotzdem ein Schwein!

Von Barry Korthuis

Du fragst Dich wahrscheinlich, was Ethik mit Schweinen und Make-up zu tun hat. Zugegeben, das ist ein etwas seltsames Bild. Aber es ist ein guter Weg, um die Verhaltensnormen, denen sich die meisten Menschen heute verschrieben haben, zu verstehen. Bevor wir auf das Schwein und den Lippenstift zurückkommen, wollen wir uns hier kurz einiges an Hintergrund zum Thema Ethik ansehen.

Mit Ethik sind die Prinzipien gemeint, die ein moralisches und akzeptables Verhalten bestimmen. Jeder Mensch hat eine Ethik, auch wenn er sich seiner ethischen Prinzipien nicht bewusst ist.

Heute treffen viele Menschen ihre Entscheidungen aufgrund einer Situationsethik. Sie handeln nach dem Glauben, dass wir, statt absolute, unveränderbare Werte zu akzeptieren, je nach der Situation entscheiden sollten.

Die Situationsethik behauptet, dass es wichtiger ist, Menschen zu lieben, als sich an Regeln zu halten. Deshalb dürfen die Regeln gebrochen werden, solange das Motiv dafür Liebe ist. Wenn die Situationsethik vielen Menschen richtig erscheint, wie kann sie dann falsch sein? Und was sollte schlecht daran sein, wenn wir unsere Entscheidungen auf Liebe gründen? Wenn Liebe unser Motiv ist, dann sollte das doch ausreichen, oder nicht?

Jetzt kommt das Schwein

Manchmal kann man feststellen, ob eine Denkmethode fehlerfrei ist, indem man sie einfach gedanklich weiterführt. Nehmen wir einmal an, dass zwei Menschen eingeladen worden sind, ein Schwein zu küssen.

Susanne sagt: „Auf keinen Fall. Absolut nicht. Ich küsse keine Schweine. Dabei spielt es keine Rolle, wie gut sie riechen oder wie gut sie aussehen.“ Susannes Bekannter Robert sagt: „Ich kann nicht ausschließen, dass ich es nie täte. Es hängt von der Situation ab. Ich würde es vielleicht tun, wenn mir jemand Geld für eine Wette anbietet. Natürlich müsste die Summe schon groß genug sein, damit es mir das wert wäre, und das Schwein müsste schon gut aussehen. Hoffentlich hat man es gerade gebadet und ihm Lippenstift aufgetragen.“

Dieses imaginäre Gespräch verdeutlicht auf krasse Weise den Unterschied zwischen jemandem, der absolute Werte hat und jemandem, der sich nach der jeweiligen Situation entscheidet. Susanne interessiert es nicht, ob das Schwein nach einem Bad sauber ist oder Lippenstift trägt. Es interessiert sie nicht, ob ihr jemand Geld bietet, das Schwein zu küssen. Sie hat eine persönliche Verhaltensregel und die lautet, dass sie ganz einfach keine Schweine küssen wird.

Im Gegensatz zu Susanne ist sich Robert nicht sicher, wie er sich entscheiden wird. Bei ihm kommt es auf die Umstände an. Vielleicht wird er das Schwein küssen, vielleicht aber auch nicht.

Man muss natürlich zugeben, dass manche Entscheidungen nicht wirklich ethische Entscheidungen sind. Manchmal handelt es sich nur um persönliche Vorlieben. Wenn wir uns eine Lieblingsnachspeise auswählen, dann ist das lediglich eine persönliche Entscheidung. Ethik ist da etwas anderes, weil es dabei um Moral und akzeptables Verhalten geht. Ethik hat mit Gottes Anweisungen zu tun. Und wenn es um Gottes Gebote geht, dann müssen wir vorsichtig sein, dass wir unser Verhalten nicht nach der Situationsethik ausrichten.

Was also ist falsch an der Situationsethik?

Eine Situationsethik ermuntert die Menschen dazu, selbst zu entscheiden, welchen Gesetzen Gottes sie folgen wollen und welchen nicht. Sie erlaubt es Menschen zu lügen, um die Gefühle anderer nicht zu verletzen. Sie erlaubt das Brechen von Gottes Geboten, wenn man glaubt, dass das zu einem guten Ergebnis führen wird.

Aber Gott überlässt es nicht der Menschheit zu entscheiden, was richtig und was falsch ist. In Matthäus 5, Verse 17-18 sagt Jesus Christus, dass alle Gesetze Gottes wichtig sind: „Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen. Denn wahrlich, ich sage euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird nicht vergehen der kleinste Buchstabe noch ein Tüpfelchen vom Gesetz, bis es alles geschieht.“

In Vers 19 warnt er uns vor den Folgen der Situationsethik: „Wer nun eines von diesen kleinsten Geboten auflöst und lehrt die Leute so, der wird der Kleinste heißen im [bei denen im] Himmelreich; wer es aber tut und lehrt, der wird groß heißen im Himmelreich.“

Obwohl die Situationsethik behauptet, auf Liebe gegründet zu sein, ignoriert sie in Wahrheit Gottes Definition von Liebe. In Johannes 14, Vers 15 sagt Jesus: „Liebt ihr mich, so werdet ihr meine Gebote halten.“

Gottes Gebote sind nicht willkürlich. Er hat sie uns als eine Anleitung zu einem glücklichen und gesunden Leben gegeben. Wenn wir seine Gebote brechen, dann kann das gravierende Folgen für uns haben. Bedenke nur, was geschehen kann, wenn Du lügst, um die Gefühle eines Freundes zu schonen. Was würde geschehen, wenn der Freund das herausfindet? Würde es Deiner Freundschaft schaden? Würde Dein Freund Dir jemals wieder vertrauen?

Es stellt für uns Menschen eine unserer größten Beschränkungen dar, dass wir nicht in der Lage sind, die letztendlichen Folgen unserer Handlungen vorauszusehen. Das ist einer der wichtigen Gründe, warum Gott uns sagt, dass wir uns nicht auf unser eigenes Urteil verlassen sollen. In Sprüche 3, Vers 5 lesen wir: „Mit ganzem Herzen vertrau auf den Herrn, bau nicht auf eigene Klugheit“ (Einheitsübersetzung).

Situationsethik ist einfach ein weiterer Weg von vielen, Gottes Gesetz abzulehnen. Indem das dann mit Vorstellungen wie Liebe und Rücksichtnahme verbrämt wird, versuchen manche dem Ganzen einen besseren Anstrich zu geben – eben wie wenn man einem Schwein Lippenstift aufträgt.

Wenn jemand Gottes absolute Wahrheit ablehnt, dann sieht er nicht, was hinter dem Lippenstift steckt. Das Schwein sieht ziemlich gut aus, auf jeden Fall am Anfang. Aber diejenigen, die Gott lieben und seinen Willen tun wollen, sehen das Schwein für das, was es ist: ein Schwein.

Menschen, die die Situationsethik abgelehnt haben

In Daniel 6 lesen wir, wie Männer im Dienste des persischen Herrschers Darius ihn dazu brachten, einen Erlass zu unterzeichnen, laut dem es Menschen für eine kurze Zeit verboten war, irgendjemand anderen als Darius selbst anzubeten. Der Beweggrund für ihr Handeln war ihr Neid auf Daniel – sie konnten Daniel sonst keinen Amtsmissbrauch vorwerfen.

Daniel weigerte sich konsequent, sich diesem Erlass zu fügen: „Daniel hatte im Obergeschoss seines Hauses Fenster in Richtung Jerusalem. Dreimal täglich kniete er dort nieder, um Gott zu preisen und seine Bitten vor ihn zu bringen. Als er von dem königlichen Befehl erfuhr, ging er wie immer in sein Haus und kniete zur gewohnten Zeit am offenen Fenster nieder“ (Daniel 6,11-12; Gute Nachricht Bibel). Daniel wurde anschließend in die Löwengrube geworfen, wo Gott ihn auf wunderbare Weise errettete.

Wir sehen ein weiteres Beispiel in 1. Samuel 24, wo David, den Gott zu Israels zukünftigem König ernannt hatte, sich weigerte, Saul, dem noch regierenden König, Schaden zuzufügen, als er die Gelegenheit dazu hatte. Davids Männer hatten ihn sogar bedrängt, gegen Saul vorzugehen: „Heute ist der Tag, von dem der Herr zu dir gesagt hat: Ich gebe deinen Feind in deine Hand. Du kannst mit ihm machen, was du willst“ (1. Samuel 24,5; Gute Nachricht Bibel).

David lehnte es ab, Saul zu töten. Dies geschah in einer Zeit, als König Saul David jagte und ihn umbringen wollte. David verletzte Gottes Gesetz nicht, das den Mord verbietet, auch wenn Saul sich nicht an die gleiche Anweisung hielt.

Gottes Weg führt zu einem erfüllten und glücklichen Leben. Er will, dass wir erfolgreich sind. Er gibt uns den Rahmen für ein erfolgreiches Leben vor. Wir haben die Wahl. Wir können entweder Gottes Weg freudig annehmen oder uns darauf vorbereiten, das Schwein zu küssen.

Wer steht hinter der Situationsethik?

Der anglikanische Theologe Joseph Fletcher formulierte die Situationsethik in den 1960er Jahren, nachdem er sich kritisch mit dem Legalismus und dem Antinomismus auseinandergesetzt hatte. Legalismus ist der Glaube, dass es feste moralische Gesetze gibt, die immer befolgt werden müssen. Antinomismus ist der Glaube, dass es keine festen moralischen Prinzipien gibt und dass die Ethik spontan angewandt werden sollte.

Fletcher glaubte, dass weder der Legalismus noch der Antinomismus eine vernünftige Grundlage für die Ethik darstellten. Er setzte sich für „Situationismus“ als einem Kompromiss ein. Laut Fletcher sollten wir unsere Entscheidungen gemäß den Umständen der jeweiligen Situation treffen, anstatt uns an unwandelbaren Gesetzen zu orientieren. Er glaubte, dass die Wahrheit relativ und allein die Liebe das einzig Absolute sei. Deshalb glaubte er, dass – solange die Liebe die Absicht bestimmt – der Zweck die Mittel heiligt.

Ironischerweise behauptete Fletcher, er hätte seinen Entwurf auf einer biblischen Aussage aus 1. Johannes 4, Vers 8 begründet: „Gott ist die Liebe.“ Anscheinend hat er aber nicht erkannt, dass es im gleichen Brief auch heißt, dass wir Gott unsere Liebe erweisen, indem wir seine Gebote halten (1. Johannes 5,3), und dass Gott das Brechen des Gesetzes niemals gutheißt. Ein solches Verhalten ist stattdessen stets sündhaft (1. Johannes 3,4).

Was ist am Ende aus Fletcher geworden? Seine Schlussfolgerung, dass Gottes Wort allein als Anleitung für unsere Entscheidungsfindung nicht ausreicht führte ihn am Ende dazu, dass er ein eifriger Befürworter der Sterbehilfe und der Abtreibung wurde. Er starb 1991 als Atheist.