Hebt das Neue Testament die Speisegesetze auf?

Viele Theologen glauben, dass das Neue Testament alle Unterschiede zwischen reinem und unreinem Fleisch aufhebt. Aber was sagt uns die Bibel dazu wirklich?

Von der Redaktion

Viele Theologen glauben, dass Gottes Gesetze bezüglich des reinen und unreinen Fleisches mit der Kreuzigung Christi abgeschafft wurden. Sie lehren, dass für Christen jegliche Notwendigkeit, solche Gesetze zu halten, durch den Neuen Bund aufgehoben wurde. Sagt die Bibel dies wirklich aus?

Der Wechsel von der levitischen Priesterschaft zur Priesterschaft Jesu Christi hob Gottes Erwartung nicht auf, dass sein Volk als Teil der Heiligung oder Aussonderung den Speisegesetzen über reines und unreines Fleisch (oder anderen Geboten wie dem Sabbatgebot) gehorchen sollte (siehe 3. Mose 11,44-47; 19,2; 20,7. 22-26; 21,8). Petrus und Paulus sprachen beide von der fortwährenden Notwendigkeit, dass Gottes Volk heilig sein sollte (Epheser 1,4; 1. Petrus 1,14-16).

Gelehrte wissen, dass Gläubige der frühen Kirche die Unterschiede zwischen reinem und unreinem Fleisch weiterhin beachteten. Aufgrund der weitverbreiteten falschen Auffassung, dass der Neue Bund manche von Gottes Gesetzen aufhebt bzw. abschafft, nehmen viele an, dass diese Speisegesetze einfach nur kulturelle Bräuche der Juden seien, die nach der Gründung der neutestamentlichen Kirche weiter existierten, bis die Kirche in ihrer Zusammensetzung und Auffassung mehrheitlich heidenchristlich wurde. Solche vorgefassten Ideen haben die Auslegung vieler neutestamentlicher Abschnitte beeinflusst. Man nennt diesen Vorgang eisegesis, das heißt, die Schrift nach eigenen Ideen auszulegen.

Lassen Sie uns die neutestamentlichen Abschnitte, die sich mit Speise befassen, untersuchen. Lassen Sie uns dabei exegesis anwenden: die Gewinnung der Bedeutung aus der Schrift durch ein genaues Verständnis des Hintergrundes eines Abschnitts. Streben wir dann danach, sie anzuwenden.

Die Vision des Petrus

Ein oft missverstandener Teil der Bibel bezieht sich auf Petrus’ Vision, in der er „den Himmel aufgetan und etwas wie ein großes leinenes Tuch herabkommen [sah], an vier Zipfeln niedergelassen auf die Erde“. In diesem Tuch „waren allerlei vierfüßige und kriechende Tiere der Erde und Vögel des Himmels“. Petrus hörte eine Stimme, die ihm sagte: „Steh auf, Petrus, schlachte und iss!“ (Apostelgeschichte 10,11-14).

Petrus nahm an, dass die Vision bedeutete, er sollte unreines Fleisch essen. Deshalb antwortete Petrus spontan: „O nein, Herr; denn ich habe noch nie etwas Verbotenes und Unreines gegessen“ (Vers 14; alle Hervorhebungen durch uns). Die gleiche Vision erschien ihm insgesamt dreimal (Vers 16).

Ohne den Bericht zu Ende zu lesen, nehmen viele Leser an dieser Stelle an, dass sie die Bedeutung der Vision kennen: Jetzt dürfen alle möglichen Fleischsorten gegessen werden. Diese Schriftstellen zeigen jedoch, dass dies überhaupt nicht das ist, was Petrus verstand. Im Gegenteil, er wunderte sich, „was die Erscheinung bedeute, die er gesehen hatte“ (Vers 17).

Später erkannte Petrus die Bedeutung dieser Offenbarung: „Gott hat mir gezeigt, dass ich keinen Menschen meiden oder unrein nennen soll“ (Vers 28). Als er die wahre Bedeutung der Vision erkannt hatte, taufte Petrus die ersten Heiden (Nichtjuden), die in die Kirche berufen wurden (Verse 45-48).

Diese göttliche Offenbarung hatte überhaupt nichts mit Speise zu tun. Stattdessen ging es um Menschen. Weil die jüdischen Religionsführer zur Zeit Christi die Heiden als unrein betrachteten, berichtigte diese dramatische Vision diese weitverbreitete falsche Vorstellung, von der auch Petrus und andere Mitglieder der frühen Kirche beeinflusst worden waren.

Weit davon entfernt, Gottes Anweisungen über den Verzehr von unreinem Fleisch aufzuheben, zeigen diese Verse deutlich, dass Petrus ungefähr zehn Jahre nach Christi Tod „noch nie etwas Verbotenes und Unreines gegessen [hatte]“. Es gibt auch keinen Beweis dafür, dass er unreines Fleisch nach dieser Erfahrung gegessen hat.

Speisediskussion in der Kirche

Beim Lesen des Neuen Testamentes findet man Hinweise, dass in der frühen Kirche über Speise diskutiert wurde. Eine vorsichtige Untersuchung der Schriftstellen zeigt aber ein anderes Thema als das, von dem viele ausgehen.

In 1. Korinther 8, Vers 4 geht es um das „Essen von Götzenopferfleisch“. Warum wurde dieses Thema behandelt?

„Zur Zeit des Paulus wurde Fleisch oft auf den heidnischen Altären geopfert und den heidnischen Götzen gewidmet. Später wurde dieses Fleisch dann zum Verkauf auf den öffentlichen Fleischmärkten angeboten. Einige Christen fragten sich, ob es für Christen moralisch rechtens wäre, Fleisch zu essen, das zuvor den heidnischen Göttern geopfert worden war“ (Nelson’s Illustrated Bible Dictionary, Thomas Nelson Publishers, 1986, Stichwort „Meat“).

Es ist interessant, wenn auch nicht entscheidend, dass wir in Apostelgeschichte 14, Vers 13 die einzige Stelle im Neuen Testament finden, in der die Art der Tiere, die den Götzen geopfert wurde, erwähnt wird: Ochsen – also reine Tiere.

Bei der Auseinandersetzung ging es nicht um die Art des Fleisches, das gegessen werden sollte. Zu dieser Zeit erachteten gehorsame Juden, im Einvernehmen mit den Anweisungen Gottes, unreines Fleisch nicht einmal als mögliche Quelle der Nahrung. Stattdessen ging es bei der Auseinandersetzung um das Gewissen eines jeden Gläubigen.

Paulus stellte fest, dass „es keinen Götzen gibt“ (1. Korinther 8,4), und erklärte damit, dass es erlaubt sei, Fleisch zu essen, das den Götzen geopfert worden war. Ob ein Tier einem heidnischen Götzen geopfert worden war, hatte keine Auswirkung darauf, ob das Fleisch verzehrt werden durfte.

Paulus fuhr fort: „Aber nicht jeder hat die Erkenntnis. Denn einige, weil sie bisher an die Götzen gewöhnt waren, essen’s als Götzenopfer; dadurch wird ihr Gewissen, weil es schwach ist, befleckt. Aber Speise wird uns nicht vor Gottes Gericht bringen. Essen wir nicht, so werden wir darum nicht weniger gelten, essen wir, so werden wir darum nicht besser sein“ (Verse 7-8).

Paulus sagte, dass es nicht nötig war, herauszufinden, ob das Fleisch einem Götzen geopfert worden war, wenn ein Gläubiger Fleisch auf dem Markt kaufte oder zu einem Essen eingeladen wurde, wo Fleisch verabreicht wurde (1. Korinther 10,25-27). Es ging ihm darum, dass die Geschwister Rücksicht auf andere nehmen sollten, die anders glaubten. Er lehrte, dass es in solchen Fällen besser wäre, kein Fleisch zu essen, als zu riskieren, Anstoß zu erregen (1. Korinther 8,13; 10,28).

Bei der Frage nach Fleisch, das Götzen geopfert worden war, entbrannte zur neutestamentlichen Zeit ein großer Meinungsstreit. Er ist die Grundlage vieler Diskussionen, die Paulus über die christliche Freiheit führte. Anders als bei Gottes Gesetz über reine und unreine Tiere, welches ganz deutlich in dem Alten Testament aufgezeichnet wurde, äußern sich die hebräischen Schriften nicht über Speisen, die den Götzen geopfert wurden.

Zur Zeit des Neuen Testamentes – im ersten Jahrhundert n. Chr. – war dieses Thema für Christen von unterschiedlicher Bedeutung und Wichtigkeit, je nach dem Gewissen und Verständnis des einzelnen Christen.

Wann schrieb Paulus seine Briefe an die Gemeinden?

Die chronologische Beziehung zwischen Paulus’ Briefen an die Korinther und die Römer ist eine weitere wichtige Hintergrundinformation, die oft übersehen wird. Viele glauben, dass Römer 14 den Gedanken unterstützt, Christen wären von allen früheren Einschränkungen in Bezug auf Fleisch befreit.

Dabei wird Vers 14 oft als Beweisstelle angeführt. Dort schrieb Paulus: „Ich weiß und bin gewiss in dem Herrn Jesus, dass nichts unrein ist an sich selbst; nur für den, der es für unrein hält, ist es unrein“ (siehe bitte dazu den Rahmenartikel auf Seite 10, „Was bedeutet das Wort ,unrein‘ in Römer 14?“).

Diese Vorgehensweise ignoriert jedoch die Perspektive des Autors und den Kontext seines Briefes an die Gemeinde zu Rom. Viele Kommentatoren stimmen darin überein, dass der erste Brief an die Korinther 55 n. Chr. geschrieben wurde, obwohl der Römerbrief wahrscheinlich aus Korinth im Jahre 56 oder 57 n. Chr. geschrieben wurde.

Wie bereits aufgezeigt, ging es bei der Auseinandersetzung in Korinth um Opferfleisch: Fleisch, das einem heidnischen Götzen geopfert worden war. Da Paulus den Römern von Korinth aus schrieb, wo dies ein bedeutendes Thema war, war diese Frage ganz frisch für Paulus und ist die Grundlage für ein logisches bzw. biblisch chronologisch richtiges Verständnis von Römer 14.

Was meinte Paulus?

Wenn man annimmt, dass Römer 14 das Gesetz Gottes über reine und unreine Tieren aufhebt, muss diese Interpretation dem Text aufgezwungen werden, weil es dafür keine biblische Grundlage gibt. Das Kapitel selbst liefert Hinweise dafür, dass die historische Grundlage für die Diskussion in Rom in Wirklichkeit Götzenopferfleisch gewesen ist.

Vers 2 stellt denjenigen, der „nur Pflanzenkost genießt“ (Menge-Bibel), demjenigen gegenüber, der „glaubt, er dürfe alles essen“: sowohl Fleisch als auch Pflanzen. In Vers 6 geht es um das Essen oder Nichtessen. Dieser Vers wird oft als ein Hinweis auf das Fasten (kein Essen und Trinken), den Vegetarismus (nur pflanzliche Kost) oder das Essen oder Nichtessen von Opferfleisch angesehen.

Vers 21 zeigt, dass der Verzehr von Opferfleisch das vorherrschende Thema in diesem Kapitel war: „Es ist besser, du isst kein Fleisch und trinkst keinen Wein und tust nichts, woran sich dein Bruder stößt.“ Fleisch wie auch Wein wurden in der römischen Welt allgemein den Götzen geopfert, und ein Teil dieser Opfer wurde dann auf dem Marktplatz verkauft.

Die Life Application Bible kommentiert Vers 2 folgendermaßen: „Das antike Opfersystem war in der römischen Welt der Mittelpunkt des religiösen, sozialen und häuslichen Lebens. Wenn in einem heidnischen Tempel ein Opfer einem Gott geopfert wurde, wurde nur ein Teil des Opfers verbrannt.

Der Rest wurde oft auf dem Markt verkauft. Deshalb konnte ein Christ leicht – ohne es zu wissen – solches Fleisch auf dem Markt kaufen oder es im Hause eines Freundes essen. War der Christ verpflichtet, die Quelle seines Fleisches zu hinterfragen? Einige waren der Meinung, dass es nicht falsch wäre, Opferfleisch zu essen, weil Götzen wertlos und unecht waren.

Andere untersuchten sorgfältig die Quelle ihres Fleisches oder verzichteten ganz auf Fleisch, um ein schlechtes Gewissen zu umgehen. Dieses Problem betraf insbesondere Christen, die vor der Bekehrung Götzenverehrer gewesen waren. Solch eine starke Erinnerung an ihre heidnische Vergangenheit hätte ihren neu gewonnenen Glauben vielleicht schwächen können. Paulus behandelt dieses Thema auch in 1. Korinther 8.“

Worum geht es bei den Anweisungen von Paulus in Römer 14? Die frühen Gläubigen hatten mehrere Möglichkeiten, die sie auf Reisen oder zu Hause in ihrer Gemeinde nach ihrem Gewissen treffen konnten. Wenn sie kein Opferfleisch essen wollten, konnten sie fasten oder vegetarisch essen, um sicher zu sein, dass sie kein Fleisch zweifelhaften Ursprungs aßen, welches ihr Gewissen belasten könnte. Wenn ihr Gewissen durch den Verzehr von Opferfleisch nicht belastet wurde, konnten sie sich anders verhalten. In diesem Zusammenhang sagte Paulus: „Ein jeder sei in seiner Meinung gewiss“ (Vers 5), weil „was . . . nicht aus dem Glauben kommt, das ist Sünde“ (Vers 23).

Römer 14 ist zum Teil ein Kapitel über christliche Freiheit – das Handeln nach dem eigenen Gewissen innerhalb der Gesetze Gottes in deren Bezug zu Opferfleisch. Wenn man den Kontext versteht, ist Römer 14 keine Erlaubnis, Schweinefleisch oder anderes unreines Fleisch zu essen. Wenn man versteht, dass es bei der geschichtlichen Auseinandersetzung im Neuen Testament um das Essen von Opferfleisch und nicht um die Speisegesetze selbst ging, dann werden andere Schriftstellen klar.

Debatte über die zeremonielle Reinigung

Ein anderer, oft falsch verstandener Abschnitt ist Markus 7, Verse 18-19, wo Jesus sagt: „Seid ihr denn auch so unverständig? Merkt ihr nicht, dass alles, was von außen in den Menschen hineingeht, ihn nicht unrein machen kann? Denn es geht nicht in sein Herz, sondern in den Bauch, und kommt heraus in die Grube.“

Im Zusammenhang ging es hier um die Frage, ob man mit ungewaschenen Händen (Vers 2) essen durfte und nicht darum, welches Fleisch gegessen werden sollte. Die Reinigung von Speisen bezog sich auf die Art und Weise, wie das Verdauungssystem des Körpers kleinere Unreinheiten behebt, die durch das Essen mit ungewaschenen Händen entstehen können.

Wie auch Jesus und seine Jünger aßen die Pharisäer nur Fleisch, das in dem Pentateuch als rein ausgewiesen wurde. Die Pharisäer nahmen jedoch Anstoß daran, dass Jesus und seine Jünger sich nicht dem traditionellen Ritual der Pharisäer unterzogen, sich vor dem Essen die Arme peinlich genau bis zu den Ellbogen zu waschen.

Jesus, dessen Hände zum Essen sauber genug waren, wenn auch nicht sauber genug, um den menschlich aufgestellten Maßstäben der Pharisäer zu genügen, erklärte, dass der menschliche Körper so geschaffen wurde, dass er kleine Staubpartikel oder Schmutz bewältigen konnte, die aufgrund der rituell unreinen Hände eindringen konnten. Er schlug auch vor, dass die Pharisäer ihre Prioritäten ändern mussten, wenn es ihnen ernst war, Gott zu gehorchen. Er stellte fest, die Reinigung der eigenen Gedanken sei geistlich viel wichtiger, als die Hände vor dem Essen nach einem Ritual zu waschen (Verse 20-23).

Zweifelhafter Wortlaut

In der Lutherbibel lautet der letzte Teil von Markus 7, Vers 19: „Damit erklärte er alle Speisen für rein.“

Dieser Wortlaut aus der Lutherbibel von 1984, der kein Zitat Jesu, sondern ein angeblicher Kommentar über die Worte Jesu sein soll, steht im starken Kontrast zu der ursprünglichen Übersetzung des großen Reformators. Luther hatte nämlich Vers 19 ursprünglich wie folgt übersetzt: „Denn es gehet nicht in sein Herz, sondern in den Bauch und geht aus durch den natürlichen Gang, der alle Speise ausfeget.“ Auch die Übersetzung von Franz Eugen Schlachter enthält einen ähnlichen Wortlaut: „Denn es geht nicht in sein Herz, sondern in den Bauch und wird auf dem natürlichen Wege, der alle Speisen reinigt, ausgeschieden.“

Andere Übersetzungen und die letzte Revidierung des Luthertextes hingegen enthalten die fragliche Feststellung, Jesu habe alle Speisen für rein erklärt.

Bei dem sehr unterschiedlichen Wortlaut dieses Verses in früheren bzw. späteren Übersetzungen könnte man meinen, dass auch unterschiedliche Manuskripte benutzt wurden. Diese Annahme ist richtig.

Die ersten Übersetzungen des Neuen Testamentes in heutige Sprachen – Deutsch, Englisch usw. – wurden allgemein in dem gleichen Zeitraum wie die Arbeit Martin Luthers angefertigt und beruhten auf dem traditionellen griechischen Text der griechisch sprechenden Kirche. Diesen Text nennt man Textus Receptus. Im vergangenen Jahrhundert behaupteten die Gelehrten B. Wescott und F. Hort, der Textus Receptus sei im 4. Jahrhundert n. Chr. von der Kirche überarbeitet worden und stelle daher nicht den ursprünglichen Text dar.

Diese Theorie gewann schnell an Beliebtheit, musste aber wegen eines totalen Mangels an geschichtlichen Beweisen revidiert werden. Heute ist die Sichtweise weitverbreitet, dass der byzantinische Text, der den Wortlaut des Textus Receptus weitgehend bestätigt, bei einer Untersuchung fraglicher Texte die gleiche Gewichtung erhalten soll wie der alexandrinische Text oder andere Texte.

Seit der Jahrhundertwende wurde bei neuen Übersetzungen des Neuen Testamentes immer mehr auf verhältnismäßig wenige Manuskripte zurückgegriffen, die Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts entdeckt wurden. Es sind hauptsächlich zwei Manuskripte, die aufgrund ihres höheren Alters im Vergleich zu dem Textus Receptus herangezogen werden: Codex Vaticanus und Codex Sinaiticus.

Der griechische Text, der mit diesen Manuskripten und anderen Papyri zusammengestellt wird, ist als der alexandrinische Text bekannt. Es gibt jedoch manche Gelehrte, die die Glaubwürdigkeit von Vaticanus und Sinaiticus in Frage stellen, weil sie oft nicht miteinander übereinstimmen und der Sinaiticus beträchtliche Auslassungen aufweist.

Der heutige Wortlaut von Markus 7, Vers 19 in der Lutherbibel beruht auf dem alexandrinischen Text, statt dem byzantinischen Text. Welcher Text ist richtig? Nachfolgend ein paar Anmerkungen, die aus der Bibel selbst stammen, als mögliche Hinweise auf die Antwort.

Zu bedenken ist, dass der Satz „Damit erklärte er alle Speisen für rein“ kein wörtliches Zitat Jesu ist, sondern ein Einschub, den wir anscheinend Markus, dem Verfasser des gleichnamigen Evangeliums, zuschreiben sollen. Markus und Jesus waren jedoch Juden, und für Juden waren die Fleischsorten, die Gott für den menschlichen Verzehr verboten hatte, keine „Speisen“. Es ist unlogisch zu meinen, Markus hätte etwas, das für ihn ohnehin keine Speise war, als Speise bezeichnet und zudem auch noch „rein“ im Sinne einer Aufhebung des göttlichen Gebots.

Eine zweite Überlegung ist, dass auch Petrus als Jünger Christi dabei war, als Jesus auf den Vorwurf der Pharisäer einging, seine Jünger würden mit ungewaschenen Händen essen, einging. Das Erlebnis von Petrus in Apostelgeschichte 10 zeigt, dass Petrus ca. zehn Jahre nach dem Tode Jesu seine an die Pharisäer gerichteten Worte nicht als Aufhebung der göttlichen Speisegesetze verstanden hatte.

Außerdem gibt es im ganzen Neuen Testament keinen einzigen Beweis dafür, dass die Gläubigen der Urkirche jemals unreines Fleisch gegessen hatten. Wenn Jesus wirklich gemeint haben sollte, man dürfe alles Fleisch essen, könnte man meinen, wenigstens ein praktisches Beispiel dafür in den ca. 60 Jahren der aufgeschriebenen Geschichte des Neuen Testamentes zu finden.

Im Gegenteil: Bei der Beschreibung der Ereignisse in der Endzeit, die der Rückkehr Jesu Christi vorausgehen, finden wir in der Offenbarung den Ausdruck „ein Gefängnis aller unreinen Vögel“ (Offenbarung 18,2), der als Sinnbild für das falsche babylonische System benutzt wird. Wenn die Kennzeichen für rein und unrein nicht mehr existieren, warum inspirierte Jesus den Apostel Johannes zu dieser Aussage?

Eine weitere Prophezeiung beschreibt die Rückkehr Jesu wie folgt: „Denn siehe, der Herr wird kommen mit Feuer und seine Wagen wie ein Wetter, dass er vergelte im Grimm seines Zorns und mit Schelten in Feuerflammen. Denn der Herr wird durch Feuer die ganze Erde richten und durch sein Schwert alles Fleisch, und der vom Herrn Getöteten werden viele sein. Die sich heiligen und reinigen für das Opfer in den Gärten dem einen nach, der in der Mitte ist, und Schweinefleisch essen, gräuliches Getier und Mäuse, die sollen miteinander weggerafft werden, spricht der Herr“ (Jesaja 66,15-17).

Die internen Beweise der Bibel zeigen uns, dass der in modernen Übersetzungen benutzte Wortlaut von Markus 7, Vers 19 höchst fraglich ist.

Aufklärung des Streits in Kolossä

An die Kolosser schrieb Paulus: „So lasst euch nun von niemandem ein schlechtes Gewissen machen wegen Speise und Trank oder wegen eines bestimmten Feiertages, Neumondes oder Sabbats“ (Kolosser 2,16). Einige nehmen an, dass er damit auch die biblischen Speisegesetze ansprach. Die Bibel unterstützt auch in diesem Fall keineswegs diese Annahme.

In Wirklichkeit geht es in diesem Abschnitt überhaupt nicht um die biblischen Speisegesetze. Das griechische Wort brosis, übersetzt mit „Speise“, bezieht sich auf „den Vorgang des Essens“ (Vine’s, Thomas Nelson Publishers, Nashville, 1985, Seite 245).

Obwohl viele annehmen, dass Paulus bestimmte Lehrer kritisiert, die die Einhaltung alttestamentlicher Gesetze betonten, gibt es keinen Beweis für diese Sichtweise. Die falsche Lehre, die Paulus verurteilte, enthielt viele Elemente der Askese – der Verzicht auf jeglichen Genuss –, die seine Nachfolger geistlicher machen sollten. Dieser irreführende Versuch, mehr Geistlichkeit zu erlangen, schloss die Vernachlässigung des Körpers ein (Kolosser 2,23). Paulus charakterisierte die irregeleiteten Regeln der Asketen wie folgt: „Du sollst das nicht anfassen, du sollst das nicht kosten, du sollst das nicht anrühren“ (Vers 21).

Paulus wies die Gemeinde zu Kolossä an, nicht auf die Asketen zu hören. Statt Gottes Speisegesetze aufzuheben, weist Paulus die Kolosser an, sich nicht um die asketischen Lehrer zu kümmern, die die Art und Weise kritisierten, mit der die Kolosser Gottes Festtage und den Sabbat genossen. Solch eine Freude ist vor Gott völlig richtig, obwohl die falschen Lehrer sie verurteilten.

Falsch verstandene Anweisungen an Timotheus

Eine andere Stelle in den Paulusbriefen, die auch oft falsch verstanden wird, ist 1. Timotheus 4, Verse 3-5. Paulus warnt vor falschen Lehrern, die „gebieten, nicht zu heiraten und Speisen zu meiden, die Gott geschaffen hat, dass sie mit Danksagung empfangen werden von den Gläubigen und denen, die die Wahrheit erkennen. Denn alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, was mit Danksagung empfangen wird; denn es wird geheiligt durch das Wort Gottes und Gebet.“

Warnte Paulus Timotheus etwa vor Lehrern, die für das Einhalten der biblischen Speisegesetze eintraten, oder ging es um etwas anderes?

Wir wissen, dass Paulus Timotheus sagte, dass das Alte Testament von Gott inspiriert worden war und „nütze zur Lehre, zur Zurechtweisung, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit“ ist (2. Timotheus 3,16). Deshalb ist es kaum denkbar, dass Paulus Timotheus davor warnen würde, die in diesen Schriften enthaltenen Anweisungen aufrechtzuerhalten.

Das wirkliche Problem war genau das Gegenteil: Die falschen Lehrer befahlen den Menschen, Gebote zu befolgen, die nicht in der Bibel zu finden waren. Sie geboten z. B., „nicht zu heiraten“ – was die Bibel keineswegs lehrt. Paulus erläutert die wahre Ursache für diese Irrlehren in 1. Timotheus 4, Vers 1: Statt sich auf die Bibel zu gründen, stammten diese Lehren von „verführerischen Geistern und teuflischen Lehren“.

Daran erkennt man – wie viele Kommentatoren bestätigen –, dass das von Paulus in 1. Timotheus 4 angesprochene Problem eine pervertierte, weltliche Askese war, nicht der Gehorsam gegenüber Gottes Speisegesetzen, die reines und unreines Fleisch definieren.

In einer ähnlichen Situation, wo Askese sich als Göttlichkeit verkleidete, gab Paulus ähnliche Anweisungen: „Wenn ihr nun mit Christus den Mächten der Welt gestorben seid, was lasst ihr euch dann Satzungen auferlegen, als lebtet ihr noch in der Welt: Du sollst das nicht anfassen, du sollst das nicht kosten, du sollst das nicht anrühren? Das alles soll doch verbraucht und verzehrt werden. Es sind Gebote und Lehren von Menschen, die zwar einen Schein von Weisheit haben durch selbst erwählte Frömmigkeit und Demut und dadurch, dass sie den Leib nicht schonen; sie sind aber nichts wert und befriedigen nur das Fleisch“ (Kolosser 2,20-23). Dies hilft uns, das wahre Problem zu verstehen, vor dem Paulus seinen Mitarbeiter Timotheus warnte: Askese.

Zusammenfassung

Der biblische Standpunkt ist klar. Lange bevor das Neue Testament existierte, gab es Unterscheidungen zwischen reinem und unreinem Fleisch. Diese Unterscheidungen wurden von der Urgemeinde befolgt, und keine Bibelstelle beweist eindeutig ihre Veränderung bzw. Abschaffung.

Die Prophezeiung weist auf die Gültigkeit der Speisegesetze Gottes in der Welt von morgen hin. Für heutige Christen ist daher Jesus Christus, der „heute, gestern und in Ewigkeit“ derselbe ist und auch kein einziges Mal unreines Fleisch aß, ein verbindliches Vorbild für die christliche Lebensweise. Sollten wir nicht bemüht sein, in seinen Fußtapfen nachzufolgen?

Wie sollten wir die Heilige Schrift interpretieren?

Der Apostel Paulus schrieb an den jungen Evangelisten Timotheus: „Denn alle Schrift, von Gott eingegeben, ist nütze zur Lehre, zur Zurechtweisung, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit, dass der Mensch Gottes vollkommen sei, zu allem guten Werk geschickt“ (2. Timotheus 3,16-17).

Als Paulus diese Worte an seinen Mitarbeiter schrieb, war die Schrift, auf die er sich bezog, das, was wir heute das Alte Testament nennen. Die Schriften, die später als das Neue Testament bekannt wurden, waren noch nicht kanonisiert. Einige von ihnen waren noch nicht einmal geschrieben.

Die Bibel selbst sagt uns, dass wir sie als eine Einheit verstehen sollen: Alle Schrift ist inspiriert und ein göttliches Handbuch für das menschliche Verhalten. Indem wir alle Schriftstellen über ein bestimmtes Thema zusammenstellen, erlauben wir der Bibel, sich selbst zu interpretieren und uns einen vollständigen und zusammenhängenden Einblick in Gottes Anweisungen über bestimmte Gebiete des Lebens zu geben.

Die Betrachtung jedes Abschnittes in einem unterschiedlichen Zusammenhang macht die Bibel zu kaum mehr als einer gegensätzlichen, widersprüchlichen Sammlung menschlicher Schriften, statt einer göttlichen Offenbarung. Die Anweisung von Paulus in 2. Timotheus 3, Verse 16-17 zeigt uns, wie man die Bibel interpretieren soll: Das Ganze ist Gottes inspirierte Offenbarung.

Eine Gelegenheit zur richtigen Interpretation kann man in 1. Mose 9, Vers 3 finden: „Alles, was sich regt und lebt, das sei eure Speise; wie das grüne Kraut habe ich’s euch alles gegeben.“ Wir erkennen, indem wir diesen Abschnitt als einen Teil vom ganzen Bild sehen, dass dies eine allgemeine Erklärung ist, dass Gott Tiere sowie Pflanzen für den menschlichen Verzehr vorgesehen hat.

Spätere Schriftstellen zeigen, dass der Mensch nicht jedes Tier verzehren sollte, genauso wie wir nicht jede Pflanze essen sollten. Einige Arten der Tiere und Pflanzen sind tatsächlich hochgiftig und können beim Verzehr tödlich sein. Dennoch gibt uns das Tierreich Nahrung, ein wesentlicher Punkt von 1. Mose 9, Vers 3.

Einige, die einen verdrehten, zusammenhanglosen Stil der biblischen Auslegung akzeptieren, glauben, dass diese Schriftstelle die Unterscheidungen der Tiere von 1. Mose 7 aufhebt. Diese fehlerhafte Methode der biblischen Interpretation fügt Gottes Gesetzen künstlich Anfangs- und Schlusspunkte hinzu und macht sie und ihren Schöpfer letztendlich widersprüchlich und willkürlich. Gott handelt aber so nicht (Maleachi 3,6; Jakobus 1,17).

Gott erwartet von uns, dass wir lernen, sein Wort richtig zu verstehen und anzuwenden (2. Timotheus 2,15).

Was bedeutet das Wort „unrein“ in Römer 14?

Gab es in der frühen Kirche keinen Unterschied zwischen reinem und unreinem Fleisch? Das ist die Bedeutung, die viele Christen der Bibelstelle in Römer 14, Vers 14 zuschreiben: „Ich weiß und bin gewiss in dem Herrn Jesus, dass nichts unrein ist an sich selbst; nur für den, der es für unrein hält, ist es unrein.“

Ein Verständnis der griechischen Terminologie des Neuen Testamentes kann uns hier helfen.

Es ist wichtig zu verstehen, dass es im Neuen Testament zwei unterschiedliche Konzepte zum Wort „unrein“ gibt, und zwei verschiedene griechische Wörter werden benutzt, um diese beiden unterschiedlichen Konzepte zu übermitteln. „Unrein“ kann sich einerseits auf Tiere beziehen, die nicht als Nahrung bestimmt waren (3. Mose 11; 5. Mose 14). „Unrein“ kann sich aber auch auf zeremonielle oder rituelle Unreinheit beziehen.

In Römer 14 benutzte Paulus das Wort koinos, welches „gemein“ bzw. „allgemein“ – im Gegensatz zu „ausgesondert“ bzw. „besonders“ – bedeutet (Vine’s Complete Expository Dictionary of Old and New Testament Words, Thomas Nelson Publishers, Nashville, 1985, Seite 649). Zusätzlich zu der Bedeutung von „gemein“ oder „gewöhnlich“ (Apostelgeschichte 2,44; 4,32; Titus 1,4) wurde das Wort auch für Dinge angewendet, die als verschmutzt oder verunreinigt galten. Dasselbe Wort, zusammen mit seiner Verbform koinoo, wird in Markus 7, Vers 2 bzw. Verse 15-23 benutzt, wo es sich eindeutig auf die zeremonielle Unreinheit bezieht, weil die Jünger mit ungewaschenen Händen aßen.

Mit Hilfe einer Konkordanz oder einer ähnlichen Hilfe kann man belegen, dass koinos und koinoo in der ganzen Bibel benutzt werden, um auf eine zeremonielle Unreinheit hinzuweisen, nicht auf unreine Tiere oder unreines Fleisch, wie es in der Schrift definiert wird. Etwas konnte „gemein“ sein, d. h. zeremoniell unrein, und doch nicht auf der Liste der biblisch unreinen Fleischsorten stehen.

Ein ganz anderes Wort, akathartos, wird hingegen für unreines Fleisch im Neuen Testament gebraucht. In der Septuaginta (die griechische Übersetzung des Alten Testamentes, die allgemein zur Zeit des Paulus benutzt wurde), wird akathartos gebraucht, um unreines Fleisch zu bestimmen, das in 3. Mose 11 und 5. Mose 14 aufgezählt wird.

In Apostelgeschichte 10 beschreiben sowohl koinos als auch akathartos Petrus’ Vision von einem Tuch, das mit „allerlei vierfüßigen und kriechenden Tieren der Erde und Vögel des Himmels“ (Vers 12) gefüllt war, sowohl rein als auch unrein. Petrus selbst unterscheidet zwischen den beiden Aspekten von „unrein“, indem er beide Wörter in Vers 14 benutzt. Nachdem er angewiesen wurde „zu schlachten und zu essen“, antwortete Petrus: „Niemals habe ich irgendetwas Gemeines [koinos] oder Unreines [akathartos] gegessen“ (Elberfelder Bibel). Die meisten Bibelübersetzungen unterscheiden hier zwischen den beiden benutzten Wörtern. Als Petrus in Jerusalem über diese Vision berichtete, benutzte er dieselbe Terminologie in Vers 28 und Apostelgeschichte 11, Vers 8.

Als Paulus in Römer 14, Vers 14 sagte, dass „nichts unrein ist an sich selbst; nur für den, der es für unrein hält, ist es unrein“, sagte er dasselbe, was er schon gegenüber den Korinthern gesagt hatte: Nur weil das Fleisch, das sonst zu essen erlaubt war, mit Götzenverehrung in Zusammenhang gebracht worden war, bedeutete es nicht, dass es nicht mehr länger für den menschlichen Verzehr geeignet sei. Wie aus dem Zusammenhang zu ersehen ist, behandelte Paulus keineswegs biblisch vorgegebene Einschränkungen in der Ernährung.

Paulus erläutert weiterhin in Römer 14, Vers 20, dass „alles rein ist“. Das Wort, das hier mit „rein“ übersetzt wird, ist katharos, „frei von unreinen Zusatzstoffen, ohne Fehler, makellos“ (Vine’s, Seite 103). Reines Fleisch wird als solches nicht im Neuen Testament erwähnt, deshalb gibt es kein spezielles Wort dafür. Katharos wird zur Beschreibung vieler Arten der Sauberkeit und Reinheit benutzt: Beispiele sind Geschirr (Matthäus 23,26), der menschliche Körper (Johannes 13,10), Kleidung (Offenbarung 15,6; 19,8. 14), Gottesdienst (Jakobus 1,27) und Gold bzw. Glas (Offenbarung 21,18).

Der Sinn von Römer 14, Vers 14 bzw. 20 ist einfach, dass „nichts . . . unrein (koinos: gemein oder zeremoniell unrein) an sich selbst [ist]“ und dass „alles . . . rein [katharos: frei von unreinen Zusatzstoffen, ohne Fehler, makellos) [ist].“

Paulus’ Aussage war, dass jegliche Verbindung von Speise mit Götzenanbetung keinen Einfluss darauf hatte, ob diese Speise weiterhin für den Verzehr geeignet war.

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