Die Lektion der braunen Papiertüte

Vor langer Zeit lernte ich eine wichtige Lektion, die mich seither im Leben begleitet hat. Eines Tages wird die gesamte Welt gesegnet sein, denn jeder wird die gleiche Lektion lernen – und anwenden!

Von John LaBissoniere

Es war ein kalter, düsterer Tag, als ich 1959 an einem grauen Januarnachmittag von der Schule nach Hause schlurfte. Obwohl ein starker Wind den Schnee um mich herumwirbelte, freute ich mich als Viertklässler darüber, meinem stickigen, beengten Klassenzimmer entkommen zu sein.

Als ich um die Ecke bog und die letzte der fünf Straßen entlangging, die meinen Schulweg bildeten, lag vor mir auf dem Bürgersteig eine zerknitterte kleine braune Papiertüte. Nichts an ihr schien ungewöhnlich zu sein. Es war einfach nur ein einfacher, kleiner Brotzeitbeutel von der Art, wie meine Mutter ihn mir zur Schule mitgab. Aber statt sie aus dem Weg zu kicken oder einfach nur zu ignorieren, hob ich die Papiertüte auf.

Ich öffnete sie und schaute hinein. Meine Augen weiteten sich vor Überraschung und Aufregung – darin lag ein Zwanzigdollarschein! Natürlich mögen 20 Dollar heute nicht wie viel Geld erscheinen, aber 1959 hatte das in etwa die gleiche Kaufkraft wie heute etwa 150 Dollar.

Das war viel Geld für einen Zehnjährigen, der es nicht gewohnt war, einen solch großen Geldschein zu sehen! Ich zog ihn aus der Tüte und rannte nach Hause, um meiner Mutter meinen unerwarteten Schatz zu zeigen. Atemlos durch die Hintertür unseres Hauses stürmend rief ich laut: „Mama, schau her, was ich gefunden habe!“

Meine Mutter hörte sich meine Geschichte und meine Pläne an, wie ich meinen neu entdeckten Reichtum ausgeben wollte. Doch dann ließ sie meine Kaufpläne wie eine Seifenblase platzen. „John“, sagte sie, „es ist sehr wahrscheinlich, dass die Person, die dieses Geld verloren hat, danach sucht. Sollten wir nicht versuchen, es seinem rechtmäßigen Besitzer zurückzugeben? Warum rufen wir nicht die Polizei an und fragen, was wir tun sollen?“

Widerwillig stimmte ich zu, weil ich wusste, dass sie recht hatte. Meine Eltern hatten meinen Brüdern bzw. Schwestern und mir immer beigebracht, dass wir ehrlich und wahrhaftig sein und das Richtige tun sollten. Meine Mutter hat dann die Polizei angerufen und ein Beamter schlug vor, dass wir das Geld zur Polizeistation bringen.

Er erklärte uns, dass das Geld sechs Monate lang in einem Tresorraum aufbewahrt werden würde und dann, falls niemand in dieser Zeit Anspruch darauf erheben würde, an uns zurückgegeben würde. In der Tat machte niemand in den sechs Monaten einen Anspruch auf das Geld geltend. Wir kehrten zur Polizeistation zurück, um es abzuholen.

Dieses kleine Ereignis aus meinen Entwicklungsjahren beeindruckte mich. Meine Mutter hätte genauso gut sagen können, „Wer’s findet, dem gehört’s!“, und mir das Geld gleich überlassen können. Sie war aber eine Frau von Charakter, die großen Wert darauf legte, ihren Kindern die rechten Werte beizubringen. Damit vermittelte sie mir eine entscheidende Lektion in Nächstenliebe und die Notwendigkeit, sich um andere und ihr Wohl zu sorgen.

Warum erzähle ich Ihnen diese Geschichte? Es geht nicht nur darum, dass ich einen Zwanzigdollarschein in einer kleinen, braunen Papiertüte fand, noch geht es um den Rat, den meine Mutter mir gab und was wir dann taten. Stattdessen geht es um ein größeres Prinzip mit einer entscheidenden Botschaft für unsere Zeit.

Eine selbstsüchtige Welt

Es ist kein Geheimnis, dass sich unsere Welt in ernsthaften Schwierigkeiten befindet. Die Nachrichtensendungen sind oft voller Berichte darüber, wie sehr die Menschen sich gegenseitig rücksichtslos behandeln. Wir hören endlose Geschichten über Korruption, Betrug, Unehrlichkeit, Unmoral, Verbrechen, Vergewaltigung und Mord. Es gibt ständige Bedrohungen durch Gewalt, Terrorismus und Krieg. Millionen leben in Hoffnungslosigkeit, Entmutigung, Angst und Sorge. Hass, Feindseligkeit und Antagonismus sind überall regelmäßige Begleiter der Menschen.

Aber warum? Warum erleben wir solche Zustände?

Die Antwort ist, dass sich die Menschen oft nicht wirklich um andere scheren oder das tun, was richtig ist. Zum Beispiel habe ich einen Nachrichtenbericht über einen Tankstellenbesitzer gelesen, der aus Versehen den falschen Benzinpreis in den Computer eintippte. Er hatte versehentlich die Ziffer vor dem Centbetrag vergessen. Der an der Zapfsäule angegebene Preis war offensichtlich falsch, doch der Besitzer schätzt, dass zwischen 50 und 75 Kunden getankt haben, bevor der Fehler entdeckt wurde. Dadurch ist ihm ein Schaden von ca. 3000 Euro entstanden.

Unter all denen, die ihre Autos aufgetankt haben, war nur einer – ein achtzehnjähriger Autofahrer – ehrlich und wahrhaftig genug, um später zurückzukommen und den fehlenden Betrag nachzuzahlen. Was aber war mit den Dutzenden von anderen Kunden, die getankt hatten? Ihnen war zweifellos bewusst, dass der Preis nicht stimmen konnte. Sie hatten aber kein Interesse daran, das Richtige zu tun.

Täglich gibt es überall auf der ganzen Welt Vorfälle dieser Art, die eine weitverbreitete Respektlosigkeit gegenüber den Mitmenschen zum Ausdruck bringen. Die weise biblische Ermahnung, die als die Goldene Regel gilt, wird also häufig missachtet: „So wie ihr von anderen behandelt werden möchtet, so behandelt sie auch“ (Lukas 6,31; „Hoffnung für alle“-Übersetzung). Mit anderen Worten, die Leute ignorieren gewohnheitsmäßig das, was ich „die Lektion der kleinen braunen Papiertüte“ nennen würde. Sie achten auf ihr eigenes Wohl und ihre Interessen und ignorieren das Leiden anderer.

Das ist sicher eine egoistische und selbstsüchtige Sichtweise, doch sie geht noch viel tiefer als das. Allzu oft wollen Menschen für sich selbst entscheiden, was richtig und falsch ist. Sie wollen gemäß ihrer eigenen Regeln, Werte und Normen leben. Diese Einstellung kann tödlich sein, denn Gottes Wort sagt uns zweimal: „Manch einem scheint sein Weg der rechte, aber am Ende sind es Wege des Todes (Sprüche 14,12; 16,25; Einheitsübersetzung).

Was sind die „Wege des Todes“? Auf jeden Fall ist es eine Vorgehensweise, die schmerzliche, unglückliche Folgen garantiert, die in Zerstörung enden können und werden.

Diese Konsequenzen werden in Hosea 4, Vers 6 zusammengefasst, wo Gott sagt: „Mein Volk kommt um, weil ihm die Erkenntnis fehlt“ (Einheitsübersetzung). Welche Erkenntnis ist gemeint? Die Erkenntnis des Gehorsams gegenüber den ewigen Gesetzen Gottes, wie sie in den Zehn Geboten und anderen in der Bibel niedergeschriebenen Satzungen zum Ausdruck kommen.

Lebendige Gesetze

Die Menschen haben die unsichtbaren Naturgesetze entdeckt, die unser physisches Universum regieren, wie beispielsweise das Gesetz der Schwerkraft. Sie verschließen sich jedoch der Möglichkeit, dass es andere unsichtbare Gesetze gibt, die die Interaktionen zwischen Menschen regieren. An den Folgen ihrer Missachtung können einige dieser Gesetze durch Versuch und Irrtum entdeckt werden. Alle werden durch Gottes Offenbarung in seiner Schrift kategorisiert und verdeutlicht.

Diese zeitlosen, göttlichen Gesetze sind dazu bestimmt, jedem Menschen sowie seinem Nächsten zu helfen. Es handelt sich nicht um „religiöse Vorschriften“, die nur für Gottesdienstbesucher gelten. Stattdessen sind es lebendige Gesetze für alle Menschen, die unsere Beziehung zu ihm und alle zwischenmenschlichen Beziehungen bestimmen.

Die ersten vier der Zehn Gebote erklären uns beispielsweise, wie wir Gott Respekt und Ehre erweisen sollen. Die letzten sechs können als die nach außen gerichtete Sorge um das Wohlergehen unserer Mitmenschen zusammengefasst werden. Oder wir könnten sie als „den Weg der kleinen braunen Papiertüte“ bezeichnen. Wenn die Menschen den Gesetzen Gottes gehorsam sind, helfen sie nicht nur sich selbst und anderen, sie erweisen auch ihrem Schöpfer Wertschätzung und Ehrerbietung. Glück und Segen sind das Resultat.

Wenn diese Gesetze missachtet werden, leiden die Menschen, denn die Missachtung der Lebensweise Gottes zieht eine Strafe nach sich, genauso wie es der Fall wäre, wenn jemand versuchen würde, das physische Gesetz der Schwerkraft zu umgehen. Das bedeutet ganz einfach, dass Gottes lebendige Gesetze einen natürlichen Vollzug beinhalten – Strafen für Ungehorsam und Belohnungen für Gehorsam.

Menschliche Beziehungen sind oft chaotisch. Warum? Weil die Menschen gewohnheitsmäßig die im Gesetz Gottes offenbarte rücksichtsvolle Lebensweise ablehnen und stattdessen den Weg der Selbstsucht wählen. Wir wollen selbst bestimmen, was gut und böse ist. Ist es daher verwunderlich, dass die Entscheidungen der Menschheit im Laufe der Zeit zu immer mehr Unzufriedenheit und Leiden führen?

Tatsache ist, dass es einen Weg gibt, der zu Glück und Frieden für alle führen kann. Zufriedenheit und Erfolg sind wirklich möglich und die Menschen können lernen, füreinander zu sorgen. Klingt das zu gut, um wahr zu sein? Es ist kein unrealisierbarer Traum! Jeder, der gewillt ist, kann diesen Weg entdecken und im eigenen Leben anwenden.

Wenn wir die Gesetze Gottes erkennen und seinen Plan für die Menschen verstehen, obliegt es uns, das persönlich zu Herzen zu nehmen. Wir können uns von unseren eigenen Wegen abwenden und damit beginnen, Gottes Weg zu gehen. Der Apostel Jakobus erklärt, dass dies eine Neuausrichtung unserer Orientierung erfordert: „Trennt euch von aller Schuld und allem Bösen. Nehmt vielmehr bereitwillig Gottes Botschaft an, die er wie ein Samenkorn in euch gelegt hat. Sie hat die Kraft, euch zu retten. Allerdings genügt es nicht, seine Botschaft nur anzuhören; ihr müsst auch danach handeln. Alles andere ist Selbstbetrug!“ (Jakobus 1,22-23; „Hoffnung für alle“-Übersetzung).

Gott möchte, dass Sie und ich wirklich auf ihn hören und dann das tun, was er uns sagt. Warum? Weil das zu unserem eigenen Besten und dem Besten von anderen dient und weil es ihm als unserem Schöpfer Ehre erweist (5. Mose 30,19). Er will, dass wir gemäß seinem Wort leben, weil es die Grundlage aller Erkenntnis ist. Die Heilige Schrift ist dazu vorgesehen, „dich weise zu machen zur Errettung durch den Glauben, der in Christus Jesus ist“ (2. Timotheus 3,15; Schlachter-Bibel).

Ein neues Zeitalter kommt

Während die Welt als Ganzes darauf besteht, ihren alten, mühseligen Weg der Auflehnung gegen Gott zu beschreiten, können wir tatsächlich die Vorläufer eines aufregenden neuen Zeitalters sein, das für die gesamte Menschheit anbrechen wird! Jesus Christus verkündete das Kommen dieser Zeit mit seiner Botschaft vom Reich Gottes (Matthäus 24,14). Ein wesentlicher Aspekt dieser Botschaft ist seine verheißene Rückkehr zur Erde, um eine neue Weltordnung einzuführen (Offenbarung 11,15; 1. Thessalonicher 4,16).

Wenn dieses Zeitalter kommt, werden die Menschen in einem weltweit umgestalteten Bildungssystem die Gesetze Gottes kennenlernen. „Viele Völker werden hingehen und sagen: Kommt, lasst uns auf den Berg des HERRN gehen, zum Hause des Gottes Jakobs, dass er uns lehre seine Wege und wir wandeln auf seinen Steigen! Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des HERRN Wort von Jerusalem“ (Jesaja 2,3).

Jesus wird selbst an der Spitze der neuen Regierung stehen, die dann die Herrschaft über die ganze Erde ausüben wird. Jeder Aspekt des Lebens wird sich in dieser kommenden neuen Welt auf Gottes Gebote gründen. Wohlstand, Freude und Glück werden das Ergebnis der Erziehung in göttlicher Erkenntnis sein, die gewissenhaft gelehrt und weltweit beachtet werden wird (Jesaja 11,9).

Sie und ich können ein Teil dieser bevorstehenden herrlichen Zukunft sein! Wir können Christus dabei helfen, mit Gerechtigkeit, Moralität, Großzügigkeit und Selbstlosigkeit zu regieren (Offenbarung 5,10).

Obwohl der Zwanzigdollarschein und die kleine braune Papiertüte, die ich 1959 an jenem kalten Januarnachmittag fand, längst Vergangenheit sind, gilt die Lektion, die mich meine Mutter gelehrt hat, bis heute – und auch in Zukunft! Ich bin froh, dass ich die Gelegenheit hatte, sie mit Ihnen zu teilen. Ich möchte Sie dazu ermutigen, sie zu beherzigen und gemäß der Erkenntnis Gottes zu handeln.

Bereiten wir uns gemeinsam auf die wunderbare kommende Zeit vor, wenn sich jeder überall ernsthaft um die Nöte und Gefühle anderer sorgen und danach streben wird, immer das, was richtig ist, zu tun. Was für eine herrliche Zeit das sein wird. Ich hoffe Ihnen dort zu begegnen!