Das Greuelbild der Verwüstung

„Wenn ihr nun sehen werdet das Greuelbild der Verwüstung stehen an der heiligen Stätte, wovon gesagt ist durch den Propheten Daniel – wer das liest, der merke auf!“

Von Donald Ward

Eine der relevantesten und bedeutsamsten Prophezeiungen der Bibel hat mit einer Vorhersage Jesu Christi zu tun, die wir in Matthäus 24, Vers 15 finden: „Wenn ihr nun sehen werdet das Greuelbild der Verwüstung stehen an der heiligen Stätte, wovon gesagt ist durch den Propheten Daniel – wer das liest, der merke auf!“ Lesen wir, was Daniel schrieb: „Und seine Heere werden kommen und Heiligtum und Burg entweihen und das tägliche Opfer abschaffen und das Greuelbild der Verwüstung aufstellen ... Und von der Zeit an, da das tägliche Opfer abgeschafft und das Greuelbild der Verwüstung aufgestellt wird, sind tausendzweihundertneunzig Tage“ (Daniel 11,31; 12,11).

Wo wird das Greuelbild der Verwüstung aufgestellt? Christus sagte, daß es an der heiligen Stätte stehen wird. Daniel schrieb, daß das Heiligtum entweiht und das tägliche Opfer abgeschafft wird. In den Kapiteln 8, 9, und 11 von Daniel behandelt er die Entweihung des Heiligtums und die Abschaffung des täglichen Opfers.

Wo ist also diese heilige Stätte, wo ist das Heiligtum und was ist das tägliche Opfer? Drei grundsätzliche Szenarien sind in dem Bemühen, diese Fragen zu beantworten, beschrieben worden. Wir werden alle drei untersuchen.

Zunächst sollten wir das Wort „heilig“ definieren. Das hebräische Wort für heilig ist qodesh. Die griechische Entsprechung ist hagios. Beide Wörter beziehen sich auf das Aussondern und das Ausgesondertsein, weil Gottes Gegenwart in oder auf heiligen Gegenständen oder Personen ist. Dem Mose wurde gesagt, er solle seine Schuhe ausziehen, „denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land“ (2. Mose 3,5). Gottes Gegenwart zeigte sich in der Stiftshütte, nachdem sie in der Wüste aufgerichtet wurde. Sie zeigte sich wieder in Salomos Tempel bei dessen Einweihung (2. Mose 40,35; 2. Chronik 5,13-14). Obwohl sich der Geist Gottes in dem zweiten Tempel nicht offen zeigte, inspirierte Gott Haggai zu schreiben: „Nach dem Wort, das ich euch zusagte, als ihr aus Ägypten zogt; und mein Geist soll unter euch bleiben. Fürchtet euch nicht!“ (Haggai 2,5).

Heute ist Gottes Gegenwart durch seinen heiligen Geist in jedem bekehrten Menschen. „Wißt ihr nicht, daß ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?“ (1. Korinther 3,16). Darüber hinaus heißt es in der inspirierten Predigt des Stephanus: „Aber der Allerhöchste wohnt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind“ (Apostelgeschichte 7,48). Da der physische Tempel zerstört worden ist und Gott nicht in Tempeln wohnt, die von Menschenhand gemacht sind, sind einige zu dem Schluß gekommen, daß die heilige Stätte, auf die sich Christus in Matthäus 24, Vers 15 bezog, die Gemeinde Gottes ist. Aber der geistliche Tempel setzt sich aus vom Geist geführten Christen zusammen, die auf der ganzen Welt zerstreut sind. Der geistliche Tempel ist also kein Ort.

Was ist die heilige Stätte?

Wo ist denn die heilige Stätte, die Christus in Matthäus 24, Vers 15 erwähnte? Die Bibel nennt Dinge nach dem, was sie waren, als die Prophezeiung gegeben wurde. Außerdem kann es sich auf Dinge im historischen Sinne beziehen. Zum Beispiel wird Jerusalem in Jesaja 52, Vers 1 die heilige Stadt genannt. Aber in Offenbarung 11, Vers 8 wird Jerusalem im geistlichen Sinne Sodom und Ägypten genannt.

Als Daniel seine von Gott gegebenen Visionen niederschrieb, war das Heiligtum der Tempelberg in der Stadt Jerusalem, weil Gott seine Gegenwart in den Tempel gesetzt hatte. Daher beziehen sich die Prophezeiungen, die ihm bezüglich des Greuelbilds der Verwüstung, der Entweihung des Heiligtums und der Abschaffung des täglichen Opfers gegeben wurden, auf den Standort des Tempels. Christus stellte fest, daß das Greuelbild der Verwüstung an einer bestimmten Stätte aufgestellt wird.

Das griechische Wort für „Stätte“ ist „topos“. Strong’s Exhaustive Concordance definiert „topos“ als Ort, als abgetrenntes Areal, abgesondert von seinem Umfeld. „Topos“ kann auch im metaphorischen Sinne benutzt werden. Christus stellte jedoch klar fest, daß das Greuelbild der Verwüstung an einer bestimmten Stätte gesehen wird.

Die Tatsache, daß Christus erklärte, das Greuelbild der Verwüstung werde an einer bestimmten Stätte stehen und für Beobachter sichtbar sein, verwirft jegliche Vorstellung, es könnte sich um die Gemeinde oder um eine falsche Lehre in der Gemeinde handeln. Darüber hinaus entweiht eine falsche Lehre in der Kirche nicht eine Stätte [Heiligtum], noch schafft sie das tägliche Opfer ab. Es stimmt, daß Christen geistliche Opfer darbringen sollen (1. Petrus 2,5), aber kann eine Person oder die Tat einer Person einen Christen daran hindern, geistliche Opfer darzubringen?

Wir können daher schließen, daß das Greuelbild der Verwüstung an einer bestimmten „heiligen“ Stätte aufgestellt wird, eine Stätte, die gesehen werden kann. Darüber hinaus ist die Stätte das „Heiligtum“, wo das tägliche Opfer dargebracht wurde.

Ein Altar an der Westmauer?

Da das Areal (Tempelberg), wo Salomos Tempel und der zweite Tempel gebaut wurden, unter muslimischer Kontrolle steht, haben manche spekuliert, daß die Juden einen Altar an der Westmauer (Klagemauer) der Jerusalemer Altstadt bauen werden. Näher als dies kommen die Juden derzeit an die „heilige“ Stätte nicht heran.

Es gibt zwei grundlegende Faktoren, die gegen solche Spekulationen sprechen. Zum einen stimmt es schon, daß die Patriarchen in der Zeit, bevor die Stiftshütte in der Wüste aufgerichtet und der Tempel Salomos gebaut wurden, Altäre an verschiedenen Stätten errichteten und Opfer brachten. Aber nach der Einführung der Priesterschaft und der Aufrichtung der Stiftshütte und später dem Bau des Tempels durften Opfer nur durch die levitischen Priester an diesen Altären gebracht werden. Diejenigen, die davon abwichen, wurden schnell und auf das Härteste bestraft. Zum anderen mußten die Priester und der Tempelberg gereinigt werden, bevor Opfer dargebracht werden konnten. Das Buch 3. Mose erklärt die Regeln der Reinigung im großen Detail.

Angesichts obiger Gründe wäre die Errichtung eines Altars und das Opfern an irgendeiner anderen Stätte als der heiligen Stätte am Tempelberg eine ungeheure Verletzung der Heiligen Schrift. Religiöse Juden kennen sehr wohl die Konsequenzen des Ungehorsams gegenüber der Schrift. Das „Temple Institute“ [„Tempelinstitut“], wie wir später sehen werden, hat einen Hauptteil seiner Ressourcen der Erfüllung der biblischen Voraussetzungen für die Wiedereinführung der Anbetung im Tempel gewidmet.

Dies schließt den Bau eines dritten Tempels, die Vorbereitung der Opfergeräte, die Beschaffung einer rötlichen Kuh, von der die Asche benutzt wird, um die Tempelstätte zu reinigen [Anmerkung der Redaktion: vgl. hierzu 4. Mose 19,2], und die Vorbereitung junger Männer für den Dienst als Leviten ein. Es gibt praktisch keine Beweise, die die Errichtung eines Altars durch die Juden oder das Opfern an irgendeiner anderen Stätte als dem Tempelberg unterstützen.

Es gibt Gruppen in Jerusalem, die aus Angst vor Entweihung das Areal um den Tempelberg nie besucht haben. Ein jüdischer Text, der „Rambam“, drückt klar aus, daß „die heiligen Stätten, obwohl sie verwüstet sind, ihre reine Heiligkeit behalten“. Der Boden ist derart heilig, daß es einer besonderen Vorbereitung bedarf, einschließlich der Streuung der Asche von der rötlichen Kuh und der Wiedereinführung der priesterlichen Pflichten. Nur so wäre es für viele nach dem Halachi lebende Juden möglich, dieses Areal überhaupt zu betreten.

Das Halachi schließt eine Wiederbelebung des Tempeldienstes durch Menschen aus. Der Text des „Rambam“ führt aus, daß der Tempeldienst nur durch den Messias wiedereingeführt wird (Hichot Melachim 11,1). [Anmerkung der Redaktion: Das Halachi ist eine Sammlung von Vorschriften, die viele orthodoxe Juden befolgen.]

Trotz dieser Ansichten gedeiht das Interesse an einer Wiederbelebung des Tempeldienstes. Dieses Interesse kommt bei dem „Tempel Institute“ am klarsten zum Ausdruck. Das „Temple Institute“ wurde in den 1980er Jahren gegründet und widmet sich der Verbreitung des Bewußtseins darüber, wie der Tempeldienst ausgesehen haben könnte. Ausgestellt in dem reich ausgestatteten Museum des Instituts sind Nachbildungen in wirklicher Größe von mehr als 60 der 90 bekannten Tempelgeräte: der siebenarmige Leuchter, Weihrauchbehälter, Pfannen und priesterliche Gewänder einschließlich der Brusttasche des Hohenpriesters.

Zur Ausstellung gehört auch eine Computersimulierung eines möglichen Tempeldienstablaufs. Obwohl der Auftrag des Instituts die Erziehung ist, hat es einige der Gegenstände vorbereitet, die zur Wiedereinführung des Tempeldienstes erforderlich sind.

Eine rötliche Kuh

Nach mystischen Traditionen der Juden hat es das Opfer einer rötlichen Kuh insgesamt neunmal gegeben, zum letzten Mal vor etwa 2000 Jahren. Das zehnte Opfer soll unmittelbar vor dem Wiederaufbau des heiligen Tempels in Jerusalem stattfinden, die Reinigung des jüdischen Volkes ermöglichen und das Kommen des Messias ankündigen.

Ein Beispiel der für die Wiedereinführung des Tempeldienstes notwendigen Reinigung wird in 2. Chronik, Kapitel 29 und 30 beschrieben. Die Leviten wurden angewiesen, sich selbst, den Tempel, die Tempelgeräte und die Gemeinde zu reinigen. Bei der Reinigung wurden Hunderte von Tieren geopfert, und mit deren Blut wurden Tempel, der Altar, die Geräte und das Volk besprengt.

Die Züchtung einer annehmbaren rötlichen Kuh ist eine erstaunliche Geschichte, die nach Canton, Mississippi (USA) führt. Eines Abends Ende der 1980er Jahre war Clyde Lott – ein Evangelist der Pfingstgemeinde und Rinderzüchter aus Canton, Mississippi – von der Wichtigkeit makelloser Tiere bei Tieropfern beeindruckt.

Dann las er Gottes Gebot in 4. Mose 19 über die Rolle der Asche von einer rötlichen Kuh bei den Reinigungszeremonien für den Tempeldienst. Clyde Lott erkannte sofort, daß er der Farmer war, der ein solches Tier liefern konnte. Lott setzte sich mit Rabbi Chaim Richman in Verbindung, dessen „Temple Institute“ sich dem Wiederaufbau des Tempels am Tempelberg widmet.

In den nächsten Jahren schmiedeten Lott und Richman Pläne für die Züchtung rötlicher Kühe in Mississippi und schließlich auch in Israel. Während eines dramatischen Besuchs im November 1994, wie dieser vom Autor Lawrence Wright in der Zeitschrift The New Yorker ausführlich beschrieben wurde, reiste Richman, der mit seinem Bart, seiner Brille, seiner Mütze, seiner schwarzen Jacke und seinem weißen Hemd in jeder Hinsicht wie ein Orthodoxen-Rabbiner der Juden aussah, nach Canton, traf sich dort mit Anhängern der „Evangelical“-Bewegung und sah die rötliche Kuh, die Lott „Dixie“ nennt. Richman legte seine Hand auf „Dixie“ und sagte: „Das ist sie. Sie ist die Mutter.“

Lott ist der festen Überzeugung, daß die Juden vor der Rückkehr Christi einen Tempel errichten müssen und daß die rötliche Kuh bei der Wiedereinführung des Tempeldienstes eine bedeutende Rolle spielen wird. Auf der anderen Seite glaubt Richman allein an das Alte Testament. Er ist überzeugt, daß die Tempelbewegung das jüdische Volk auf den Eintritt in das messianische Zeitalter vorbereitet.

Der Tempelberg als Zankapfel

Der Tempelberg ist der Standort zweier Moscheen, die den Muslimen heilig sind. Der Bau eines jüdischen Tempels auf diesem Areal hätte daher weitreichende geopolitische Konsequenzen. Einige Forscher sind der Meinung, daß sich das Allerheiligste einige Meter nördlich des Felsendoms befand. Würde man dort ein kleines Gebäude und einen Altar bauen, müßte man den Felsendom nicht abreißen. Ganz gleich, ob die Juden den gesamten Tempelberg oder nur einen Teil davon kontrollieren, müssen dramatische Veränderungen stattfinden, bevor dort ein jüdischer Altar oder Tempel gebaut werden kann.

Es gibt zwei Möglichkeiten, wie man den gewünschten Zugang zum Tempelberg erhalten kann. Die eine Möglichkeit wäre durch politische Verhandlungen, die zu vertraglichen Vereinbarungen führen, bei denen den Verhandlungspartnern bestimmte Areale zugeteilt werden, die sie kontrollieren.

In Offenbarung 11, Verse 1-2 wird Johannes angewiesen, den Tempel Gottes, den Altar und diejenigen, die dort anbeten, zu messen. Aber Johannes wird gesagt, daß er den äußeren Vorhof auslassen sollte, da er den Heiden gegeben worden ist und sie ihn zweiundvierzig Monate lang „zertreten“ werden. Diese Verse können freilich eine geistliche Bedeutung für die Kirche haben, denn auch die Menschen, die dort anbeten, werden gemessen.

Menschen werden durch das Wort Gottes gemessen bzw. gerichtet. Aber die Kirche ist nicht die „Heiden“, und es ist nicht die Kirche, die die heilige Stadt zweiundvierzig Monate lang zertreten wird. Daher weist die Prophezeiung ganz bestimmt auf eine zukünftige Teilung der Stadt hin. Sacharja 14, Vers 2 wirft zusätzliches Licht auf diese Teilung: „Denn ich werde alle Heiden sammeln zum Kampf gegen Jerusalem ... Und die Hälfte der Stadt wird gefangen weggeführt werden, aber das übrige Volk wird nicht aus der Stadt ausgerottet werden.“ Der Ausdruck „das übrige Volk“ bezieht sich fast immer auf Gottes Volk. Beide Prophezeiungen zeigen klar, daß Jerusalem vor der Rückkehr Christi in zwei Teile aufgeteilt wird.

Vereinbarungen dieser Art würden wahrscheinlich eine dritte bzw. „neutrale“ Partei erfordern, um die Vereinbarungen durchzusetzen. In den letzten Jahren war diese „neutrale“ Durchsetzungsagentur die Vereinten Nationen. Unter dem Banner der UNO sind Truppen weltweit als Überwacher des Friedens an diversen empfindlichen Stellen stationiert worden.

Die zweite Möglichkeit wäre, daß der Tempelberg durch Krieg erobert wird. Selbst wenn der Tempelberg erobert würde, müßte die internationale Gemeinschaft jeglichen durch „Verhandlungen“ vereinbarten Frieden überwachen, der nach einem bewaffneten Konflikt zustande käme. Mit anderen Worten: Es muß eine Zeit des Friedens geben, damit die Juden auf dem Tempelberg eine Stätte der Anbetung errichten und dort bestimmte Aspekte des Tempeldienstes wiedereinführen können.

Das Buch Daniel zeigt klar, daß die Person, die für die Abschaffung des täglichen Opfers verantwortlich sein wird, im Namen des Friedens an die Macht kommen wird. Dann wird die Vereinbarung nach einer Zeit des Pseudo-Friedens gebrochen. Mit der Hilfe Satans und mächtiger Heere wird diese Person das Greuelbild der Verwüstung aufstellen und das tägliche Opfer abschaffen.

Das „kleine Horn“

Untersuchen wir nun die Bibelstellen, die beschreiben, wie diese Person an die Macht kommt und was er tut, bevor er das Greuelbild der Verwüstung aufstellt. In Daniel 8 gibt es eine Beschreibung einer Vision, in der ein Widder mit zwei Hörnern (den Königen von Medien und Persien) nach Westen, nach Norden und nach Süden hin stößt. Keine Nation oder Person konnte dem Widder widerstehen. Plötzlich kam aus dem Westen ein Ziegenbock mit einem „ansehnlichen Horn“ (Alexander der Große) und stieß gegen den Widder und zerbrach ihm seine Hörner.

Das „ansehnliche Horn“ zerbrach, und an seiner Stelle wuchsen vier Hörner hervor. Aus den vier Hörnern kam ein kleines Horn heraus. Dieses kleine Horn „wurde sehr groß nach Süden, nach Osten und nach dem herrlichen Land hin“ (Vers 9). Die durch das kleine Horn dargestellte Person erhebt sich gegen das himmlische Heer, verunreinigt das Heiligtum und schafft das tägliche Opfer ab (Verse 10-12).

Nachdem Daniel diese Vision erhalten hatte, versuchte er, sie zu verstehen. Schließlich kommt der Engel Gabriel zu ihm und erklärt ihm die Bedeutung der Vision (Vers 16). In Vers 17 informiert Gabriel Daniel, daß sich die Vision auf die Endzeit bezieht. Die Wichtigkeit von Vers 17 soll zur Kenntnis genommen werden.

Einige Bibelkommentatoren glauben, daß Antiochus Epiphanes diese Prophezeiung im Jahr 168 v. Chr. erfüllte, als er Schweineblut auf dem Altar opferte und ein Standbild von Jupiter Olympus im Allerheiligsten aufstellte. Die Taten von Antiochus können sicherlich als vorläufige Erfüllung der Prophezeiung betrachtet werden. Aber der Engel Gabriel wiederholt in Vers 19, daß sich die Vision auf die Endzeit bezieht: „Und er sprach: Siehe, ich will dir kundtun, wie es gehen wird zur letzten Zeit des Zorns; denn auf die Zeit des Endes geht das Gesicht.“

In den Versen 20-22 offenbart Gabriel, daß der Widder mit den zwei Hörnern die Könige von Medien und Persien sind und daß der Ziegenbock das Königreich von Griechenland ist. Das große Horn ist sein erster König (Alexander). Dieses zerbrochene Horn (Alexander der Große) erfuhr einen frühen Tod. Für Alexander gab es keinen direkten Nachfolger. Die vier Hörner, die an seiner Stelle [nach seinem Tode] wuchsen, stellen die vier Teile seines Reiches dar, die der Führung von vier seiner leitenden Generäle unterstellt wurden.

In Vers 23 handelt die Prophezeiung von der Endzeit: „Aber gegen Ende ihrer Herrschaft, wenn die Frevler überhandnehmen, wird aufkommen ein frecher und verschlagener König.“ Der „freche und verschlagene König“ ist das kleine Horn von Vers 9, das aus einer der vier Unterteilungen von Alexanders Reich hervorwächst.

In der Endzeit kommt also eine Person aus einer der vier Unterteilungen von Alexanders Reich an die Macht. Diese Person erhält Kraft von einer Macht (Satan), die größer ist als sie selbst. Durch Täuschung korrumpiert sie das heilige Volk. Ihre Strategie schafft Wohlstand und hat zur Folge, daß das heilige Volk in seinem Wohlstand verderbt wird.

Diese Person tritt zur Zeit des Wohlstandes und des Pseudo-Friedens auf den Plan. Darüber hinaus ist sie auch dann da, wenn Christus zurückkehrt: „Er ... wird sich auflehnen gegen den Fürsten aller Fürsten; aber er wird zerbrochen werden ohne Zutun von Menschenhand“ (Vers 25).

In Offenbarung 17, Verse 13-14 finden wir die Parallelstelle zu diesem Vers: „Diese sind eines Sinnes und geben ihre Kraft und Macht dem Tier. Die werden gegen das Lamm kämpfen, und das Lamm wird sie überwinden, denn es ist der Herr aller Herren und der König aller Könige, und die mit ihm sind, sind die Berufenen und Auserwählten und Gläubigen.“

Auf diese Weise wird der „freche und verschlagene König“ in Daniel 8 dem Tier von Offenbarung 17 gleichgesetzt. Zum Schluß weist der Engel Gabriel Daniel an, „das Gesicht geheim [zu] halten; denn es ist noch eine lange Zeit bis dahin“.

Der „verächtliche Mensch“

Die Vorgehensweise und die Strategie der in Daniel 8 beschriebenen Person sind denen des „verächtlichen Menschen“ sehr ähnlich, der in Daniel 11, Verse 21-45 beschrieben wird. Eine genaue Untersuchung von Daniel 11 zeigt, daß der in Vers 21 vorgestellte „verächtliche Mensch“ dieselbe Person ist, die in Vers 31 das Greuelbild der Verwüstung aufstellt.

Er ist der König von Vers 36, der nach eigenem Gutdünken handelt, und der in Vers 40 erwähnte König, der vom König des Südens provoziert wird. Er wird außerdem in den Versen 41-44 erwähnt, und er ist derjenige (Vers 45), der „seine prächtigen Zelte aufschlagen [wird] zwischen dem Meer und dem herrlichen, heiligen Berg“.

An dieser Stelle sollen wir erwähnen, daß einige Bibelkommentatoren und Historiker in den Taten von Antiochus Ephiphanes die Erfüllung der Verse 21-35 sehen. Antiochus mag schon eine Vorerfüllung dessen gewesen sein, was noch bevorsteht, aber wir sollen darauf achten, daß Christus in Matthäus 24, als er das Greuelbild der Verwüstung erwähnte, ein zukünftiges Ereignis im Sinn hatte.

Wie bereits erwähnt, markiert die in Daniel 12, Vers 11 beschriebene Aufstellung des Greuelbilds der Verwüstung den Anfang eines Countdowns von 1290 Tagen. Daher wird eine andere Person zur „bestimmten Zeit“ auf den Plan treten, der der Antityp des Antiochus sein wird. Die Taten dieser Person werden zu der endgültigen Erfüllung dieser Verse führen.

In Daniel 11, Vers 21 sehen wir, daß der „verächtliche Mensch“ friedlich auftritt und durch Intrigen an die Macht kommt. Seine Persönlichkeit und seine Verführungskünste sind so stark, daß er mit nur einem kleinen Volk (Hebräisch: gowy, das in der „King James“-Bibel an 374 Stellen mit „Nation“ und nur 11mal mit „Leuten“ übersetzt wurde) an die Macht kommt. Im europäischen Kontext kann damit praktisch jede europäische Nation gemeint sein, denn kein Land Europas stellt eine Mehrheit der EU-Gesamtbevölkerung dar.

Auch wenn Antiochus als König des Nordens ein Vorläufer des „verächtlichen Menschen“ gewesen ist, der in der Endzeit auftreten wird, so zeigt Daniel 11, Vers 40, daß die endgültige Erfüllung einen Angriff durch den König des Nordens beinhaltet. Zu Lebzeiten von Antiochus war Syrien eine gefürchtete Militärmacht. Antiochus selbst war nie beim jüdischen Volk beliebt. Aber bei der endgültigen Erfüllung dieser Prophezeiung wird der „verächtliche Mensch“ stark, obwohl er anscheinend nur eine Minderheit der Gesamtbevölkerung hinter sich haben wird.

In Vers 24 sehen wir, daß er in die „besten Städte des Landes“ kommen wird. Sein Einzug erfolgt „friedlich“ (Hebräisch: shalvah). Shalvah bedeutet „Ruhe, Wohlstand“. Also zieht er in die besten Städte des Landes ein und verschafft sich Ansehen durch die Verteilung einiger der Güter, die er erworben hat. Er fängt an, Pläne gegen die „allerfestesten Städte“ (Hebräisch: mibtsar, „befestigte Stadt“) zu schmieden. Die biblische Prophezeiung offenbart, daß Jerusalem zu einer der am stärksten befestigten Städte der Welt werden wird. Manche Militärexperten glauben jetzt schon, daß Israel die zweitmächtigste Militärmacht auf Erden ist.

Die Verse 25-26 beschreiben einen Krieg zwischen dem „verächtlichen Menschen“ und dem König des Südens. Der König des Südens kann sich gegen den „verächtlichen Menschen“ nicht behaupten. In Vers 27 sehen wir dann, wie der „verächtliche Mensch“ und der König des Südens an einem Tisch sitzen – anscheinend geht es um Friedensverhandlungen. Aber sie belügen sich gegenseitig. Aus diesem Grund gedeiht der Frieden nicht bzw. hält nicht lange, „denn das Ende ist noch auf eine andere Zeit bestimmt“.

In Vers 28 erfahren wir, daß er nach den Friedensverhandlungen „seinen Sinn ... gegen den heiligen Bund“ richten wird. Nach einiger Zeit startet der „verächtliche Mensch“ einen weiteren Feldzug in Richtung Süden, aber Schiffe aus „Zypern“ (Vers 30; Anmerkung der Elberfelder Bibel: Hebräisch kittiy, ein allgemeiner Begriff, der sich auf alle Inselbewohner des Mittelmeers bezieht) kommen ihm entgegen. Seine Abweisung läßt ihn ergrimmen und er ist erbost über den heiligen Bund. Er kehrt zurück, schmiedet eine Allianz mit denen, die den heiligen Bund verlassen, stellt ein großes Heer zusammen, schafft das tägliche Opfer ab und stellt das Greuelbild der Verwüstung auf (Daniel 11,29-31).

Wir können klar erkennen, daß die Strategie und die Taten des „frechen und verschlagenen Königs“ von Daniel 8 und des „verächtlichen Menschen“ von Daniel 11 identisch sind. Beide treten mit friedlicher Absicht auf den Plan und kommen durch Schmeicheleien an die Macht, beide verderben das heilige Volk, beide schaffen das tägliche Opfer ab, und beide wirken in der Endzeit. Es kann keinen Zweifel darüber geben, daß der „freche und verschlagene König“ und der „verächtliche Mensch“ ein und dieselbe Person sind.

Die Aufstellung des Greuelbilds der Verwüstung bedeutet den Anfang des Countdowns der allerletzten 1290 Tage, die mit der Wiederkehr Jesu Christi zu Ende gehen. Wir können jetzt erkennen, wie wichtig die Friedensverhandlungen zwischen Juden und Palästinensern und über die Zukunft Jerusalems und Palästinas sind. In diese Verhandlungen wird sich anscheinend auch der „verächtliche Mensch“ einschalten – vielleicht mit dem Angebot der Entsendung einer Friedenstruppe – und sich so Zugang zu Jerusalem verschaffen.

Außerdem können wir sehen, warum die in Matthäus 24, Vers 15 enthaltene Prophezeiung so wichtig ist. Wir sollen unser Augenmerk auf diese Friedensverhandlungen und das Bemühen richten, den Tempel wieder aufzubauen und die Opferriten wieder einzuführen. Das Greuelbild der Verwüstung wird erst dann aufgestellt, nachdem Opferriten wieder eingeführt worden sind.