Die Anstandsfrage: Was geht zu weit?

Weibliche Sittsamkeit löst immer wieder Diskussionen in der Kirche Gottes aus. Kann es sein, dass unsere innere Haltung der Schlüssel zur Kleidersuche ist?

Von J’Non Whitlark

Es hängt nicht von Ihrer Größe oder Figur ab, denn Schamlosigkeit kann überall in Erscheinung treten. Sie kann infolge der Absicht, aufreizend zu wirken oder Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, zutage treten. Sie kann auch das Resultat von Naivität oder unerwarteten Effekten der Kleidung sein. Schließlich kann jede Kleidung sich als unanständig erweisen, wenn man mit einem aktiven Kleinkind ringt. Ich glaube, dass ich sicher sagen kann, dass ich mich wahrscheinlich all dieser Dinge zu bestimmten Zeiten schuldig gemacht habe – als Teenager, als ledige junge Erwachsene, als Ehefrau und Mutter.

Das Schwierige in Bezug auf Anstand ist, dass es nicht immer einfach ist, genau festzustellen, wie weit wir der Mode folgen können, ohne Probleme zu verursachen – Probleme für uns selbst oder für andere. Wie können wir auch nur wissen, was „zu weit“ bedeutet? Jeder hat seine eigene Meinung und natürlich hält jeder seine Meinung für richtig (das ist ja schließlich die Definition einer Meinung).

Es gibt bei diesem Thema aber keine klare Linie zwischen Schwarz und Weiß. Wenn es eine solche gäbe, dann wäre das alles so viel leichter, nicht wahr. „Aha, dieser Rock ist gemäß Gottes Buch der Textilien, Kapitel 10, Vers 3, zwei Zentimeter zu kurz.“ Wie Gott das bei so vielen anderen ebenso wichtigen Themen sieht, erwartet er von uns, dass wir innerhalb der Grauzonen tätig werden und einen Weg finden, unser Bestes zu geben, um ihm gefällig zu sein und als Folge unseren Geschwistern keinen Anstoß zu geben, wenn wir es vermeiden können.

Nun, niemand hat gesagt, dass das leicht sein würde, oder? Leider nicht. Ich kann Ihnen hier keine einfachen Lösungen bieten. Aber es gibt schon einige Denkanstöße, die aus unseren früheren Herausforderungen (oder auch Fehlern) in diesem Bereich erwachsen sind – etwas, was wir ansonsten auch als Gelegenheiten zum Wachstum bezeichnen können.

Beten Sie, bevor Sie Ihre tägliche Kleiderwahl treffen?

Gott hat eigentlich ein großes Interesse an Mode und Textilien. In der Bibel wird oft auf Kleidung verwiesen. Achten Sie einmal auf Hinweise auf Kleidung, während Sie die Bibel lesen. Gott liebt schöne Dinge – und er liebt Sie. Bitten Sie Gott also sehr spezifisch darum, Ihnen die Augen zu öffnen, damit Sie erkennen können, ob Sie ihm durch Ihre Kleiderwahl irgendwie missfallen.

Wenn Sie dafür einiges an Inspiration und Ermutigung benötigen, denken Sie an Matthäus 20, Verse 33-34, wo zwei blinde Männer Jesus Christus um Gnade baten, als er vorüberging. „Herr, dass unsere Augen aufgetan werden. Und es jammerte Jesus und er berührte ihre Augen; und sogleich wurden sie wieder sehend“ (alle Herhebungen durch uns).

Wie ermutigend dies auf so vielen Ebenen ist! Sie erhielten nicht nur ihre physische Sicht, sie erfuhren auch eine andere Art von Heilung, da sie ihm sofort darauf nachfolgten. Wenn wir unseren himmlischen Vater darum bitten, dass unsere Augen unsere Mängel erkennen können, wird er dieses Wunder auch für uns wirken!

„Umkleidekabinenakrobatik“ kann Ihnen helfen

In der Umkleidekabine zu stehen und sich dann langsam mehrmals umzudrehen, um zu sehen, wie Sie aussehen, hilft Ihnen nicht wirklich bei der Entscheidung, was Sie kaufen sollen. Sie werden diese Kleidung unter weitaus komplexeren Umständen tragen! Warum unterwerfen Sie diese also nicht einem strengeren Test?

Stehen Sie also nicht nur da – es sei denn, Sie wollen von dem überaus schmeichelhaften Spiegel in der Umkleidekabine verführt werden. Ahmen Sie all die Dinge nach, die Sie in der Praxis tun werden, wenn Sie diese Kleidung später tragen, bevor Sie sich dazu entschließen, diese zu kaufen. Was ist, wenn Sie so gekleidet zur Arbeit gehen oder zum Gottesdienst und sich öfters hinsetzen und aufstehen? (Wie sieht es da jeweils mit der Rocklänge aus?)

Da geht es auch noch darum, in ein Auto ein- oder auszusteigen, das Kleinkind abzufangen, bevor es sich am Büffettisch selbst bedient, Ihre Arme zu heben, um Ihre windzerzausten Haare herzurichten oder einen hochgewachsenen Freund zu umarmen oder sich zu bücken, um den versehentlich verstreuten Inhalt Ihrer Handtasche vom Boden aufzusammeln.

Wie könnte sich ein plötzlicher Windstoß auf Ihre Würde in dieser Kleidung auswirken? Oder wenn Sie vorhaben, etwas zu einem Tanz anzuziehen, dann sollten Sie vielleicht lebhaft den Refrain zum Lied „YMCA“ tanzen und mehrmals herumwirbeln, um zu sehen, was dann geschieht. Ob Sie laut dabei singen, während Sie das tun oder nicht, liegt völlig bei Ihnen!

Seien Sie aufmerksam!

Ein Weg, um herauszufinden, ob Ihre Art sich zu kleiden möglicherweise anstößig wirken könnte, besteht darin, gut im Hinblick auf das Erkennen der Körpersprache anderer zu sein. Schauen Sie, wie verschiedene Leute reagieren, wenn Sie eine bestimmte Kleidung tragen. Wenn Sie am Arbeitsplatz, beim Einkaufen oder beim Gottesdienst auf viele Augen treffen, die sich überall auf Sie richten, nur nicht auf Ihr Gesicht, dann seien Sie sich bewusst, was das für diese bedeuten mag. Seien Sie aber auch sensibilisiert dafür, wie Sie selbst sich aufgrund dieser Aufmerksamkeit fühlen. Gefällt es Ihnen? Fühlen Sie sich glücklicher und haben Sie mehr Selbstvertrauen, als Sie das zuvor hatten?

Beten Sie später darüber, was Ihnen bei anderen aufgefallen ist und wie Sie das sehen. Sagen Sie Gott offen, was Ihre Gefühle waren. Bitten Sie ihn, Ihnen zu helfen, den Mut zu haben, zu verstehen, was er in dieser Hinsicht bei Ihrem Handeln bevorzugen würde, selbst wenn das nicht die Antwort ist, die Sie hören wollen! Bitten Sie ihn auch darum, Ihnen den Mut zu geben, Kleidungsstücke, die nicht angemessen sind, entweder kreativ anzupassen oder aus Ihrem Kleiderschrank zu entfernen!

Wenn Sie an den Punkt angelangt sind, wo Sie loslassen können, dann kann eine ehrliche „Säuberung“ Ihres Kleiderschranks sehr befreiend wirken! Vielleicht ist das nicht für alle geeignet, aber es kann sein, dass Ihnen ein lautes Aussprechen Ihrer Gedanken während dieser Säuberungsaktion dabei helfen kann, standhaft zu bleiben. „Weiche von mir, du verführerische hübsche Bluse! Weg mit dir, du schöner aber unangemessener Rock!“ Und dann verschwinden diese Kleidungsstücke dann als Kleiderspende – für jemanden, der diese möglicherweise tragen kann, ohne unangemessen zu wirken. Oder sogar in den Müll! Folgen Sie da Ihrem neu sensibilisierten Gewissen.

Was vielleicht am wichtigsten ist: Wenn Sie mit Gott reden, dann sprechen Sie mit ihm offen und ehrlich über die Versuchung, Kleidung zu tragen, die zu unangemessener Aufmerksamkeit führt. Bitten Sie ihn, Ihnen dabei zu helfen, zum Kern dieser Versuchung vorzustoßen und Ihnen dabei zu helfen, diese zu besiegen!

Bitten Sie ihn, bei Ihnen jegliche oberflächlichen Begierden durch die Gabe zu ersetzen, dass Sie Ihren Wert und Ihr Potenzial so sehen können, wie er es sieht. Bitten Sie ihn, Ihnen dabei zu helfen, Erfüllung und Freude durch seine Aufmerksamkeit Ihnen gegenüber zu finden, statt in einer vorübergehenden und nicht erfüllenden Schmeichelei.

Als jemand, der eine ziemliche Distanz in diesem Bereich zurückgelegt hat (und zweifellos noch meilenweit zu gehen hat), gebe ich zu, dass es lange gedauert hat, bis das Wichtigste für mich nicht darin bestand, mich selbst oder meine Familie oder Freunde nicht öffentlich zu blamieren oder bei den Geschwistern keinen Anstoß zu erregen. Am Ende wollte ich mich auch in einer solchen Weise kleiden, die meinem himmlischen Vater wohlgefällig war.

Bevor Sie andere verurteilen

Am Anfang habe ich zugegeben, dass das ein Thema war, mit dem ich mich auf jeder Lebensstufe herumgeschlagen habe. Was ich nicht erwähnt habe, ist, dass nachdem ich mehrere Ebenen von Schamlosigkeit bereut hatte und die Säuberungsaktionen im Kleiderschrank durchführte, die Sünde der Selbstgerechtigkeit sich stark gegen diese hohen Stöckelschuhe richtete. Meine Einstellung wurde sehr negativ, wenn ich die aufreizende Kleidung der anderen in meinem Umfeld sah.

Ich kann mich noch erinnern, dass ich mich sehr ungehalten über die Schamlosigkeit einer Freundin verhielt. Was mich zu der Zeit noch mehr aufregte, war, dass ich ein Bedürfnis verspürte, von Männern angehimmelt zu werden. Meine Reaktion darauf war, so weit wie möglich jeglichen Kontakt zu vermeiden. Ich war nicht nur ungehalten, ich fing an, meine Freundin für etwas zu verachten, dessen ich mich auch selbst schuldig gemacht hatte!

Nach einer gewissen Zeit zeigte mir Gott gnädigerweise, dass meine Einstellung nicht in Ordnung war. Aber da es mir immer noch schwer fiel, in ihrer Nähe zu sein, würde es offensichtlich mehr als nur die Erkenntnis erfordern, dass ich falsch lag. Es erforderte in Wirklichkeit ein Wunder.

In derselben Art wie „Ich glaube! Bitte hilf meinem Unglauben!“ gibt es einen Punkt, an dem wir Gottes Hilfe brauchen, um einen Sprung nach vorne zu machen, den wir von uns aus nicht schaffen. Daraus folgte ein sehr ernsthaftes Gebet, in dem ich meinen Vater, der mich irgendwie trotz meiner vielen lästigen Eigenschaften und verletzenden Handlungen liebt, darum bat, mir das Herz zu öffnen und es mir zu ermöglichen, sie zu lieben.

Und er tat es! Wir können Gott sicherlich nicht auf spektakuläre Wunder reduzieren. Er kann ebenso leise ein Herz aufschließen, das wie eine uneinnehmbare Festung zu sein scheint.

Bevor Sie jemand wegen Schamlosigkeit verurteilen, denken Sie bitte nicht nur an das äußere Symptom, das sich als Schamlosigkeit ausdrückt, sondern auch an den Hintergrund. In 1. Johannes 3, Vers 17 fragt Johannes, wie die Liebe in uns sein kann, wenn wir unserem Bruder nicht helfen wollen. Der Kontext hier ist ein physischer, aber sollte das nicht auch auf immaterielle Nöte angewandt werden?

Wenn wir nicht mit einer geringschätzigen und verurteilenden Einstellung reagieren, können wir vielleicht Wege finden, der anderen Person beim Stillen eines emotionalen Bedürfnisses zu helfen, das diesem äußeren Verhalten zugrunde liegt. Nicht dass wir die einzige Lösung wären oder jemanden „zurechtbiegen“ könnten, aber vielleicht finden wir konstruktive Wege, der Person positive Aufmerksamkeit zu widmen und unsere Freundschaft zu bieten. Und wenn wir direkt nach unserer Meinung gefragt werden, dann sollten wir offen und ehrlich, aber auch einfühlsam sein.

Das Gleichnis vom Schalksknecht in Matthäus 18 ist eine wichtige Mahnung an uns, „uns unserer Mitknechte zu erbarmen“, genauso wie Gott Erbarmen mit uns hat. Bedenken Sie, wie gnädig Gott uns gegenüber bei unseren Bemühungen ist, unsere menschliche Natur zu überwinden. Denken Sie an die Geduld, die er uns während der vielen Stufen unserer Entwicklung erwiesen hat. Denken Sie auch an die unglaubliche Freude, die daraus erwächst, dass wir schließlich seinen Willen von Herzen tun wollen.

Bei mir hat es sehr lange gedauert, bis ich an dem Punkt angelangt war. Als ich dann dort angekommen war, wurde offensichtlich, dass der bereitwillige Gehorsam Gott gegenüber nur ein Ausgangspunkt ist. Denn es scheint, dass es genug Grauzonen und wichtigere Angelegenheiten gibt, die uns für den Rest unseres Lebens beschäftigen können.

Wie weit ist zu weit?

Die Frage, die im Titel dieses Artikels aufgeworfen wurde, ist eigentlich keine gute Frage. Sie mag auf den ersten Blick sehr hilfreich erscheinen, aber wenn wir die Angelegenheit einmal tiefgründig durchdenken, dann sehen wir, dass dies nicht wirklich die Einstellung ist, die wir irgendeiner Herausforderung gegenüber haben sollten, die wir als Christen erleben.

Statt zu fragen, wie viel wir uns erlauben können, ohne die Grenze zur Sünde zu überschreiten, wäre es besser, unaufhörlich danach zu streben, Gott noch gefälliger zu sein und seinem Volk zu dienen (1. Johannes 3,18-23). Weit über die Grundlinie des Gesetzes hinauszugehen bedeutet nicht nur, dass wir unsere geistlichen Geschwister lieben, sondern auch, dass uns bewusst wird, wie wir unseren Tempel des heiligen Geistes präsentieren und damit den lebendigen Gott repräsentieren.