Im September 1969 wurde Libyens König Idris durch einen Staatsstreich gestürzt, der den jungen Oberst Muammar al-Gaddafi an die Macht brachte. Seither sorgt sein revolutionärer Eifer für Chaos und Unfrieden.

Von Melvin Rhodes

Es geschah an einem frühen Montagmorgen. Mein Büro befand sich im Erdgeschoss unseres Hauses in der Hauptstadt der westafrikanischen Nation Ghana. Ich werde dieses Datum nie vergessen – den 4. Juni 1979. Als ich die Treppe in Richtung Büro hinunterging, kam ein Büroangestellter angerannt und rief: „Ein Putsch! Ein Putsch!“

Was wir erlebten, war ein klassischer afrikanischer Staatsstreich, der gewaltsame Sturz einer Regierung. Wir hörten im Radio Militärmusik, unterbrochen von gelegentlichen Schüssen. Der von der Regierung kontrollierte (und damals einzige) Rundfunksender fiel zwei- oder dreimal jeweils in die Hände der anderen Seite. Die Ursache? Junge Offiziere der Luftwaffe versuchten höherrangige Offiziere der Armee, die seit mehr als sechs Jahren die Macht innehatten, zu stürzen.

In den nächsten zwei Tagen wurde gekämpft. In dieser Zeit war es lebensgefährlich, sich überhaupt draußen zu bewegen. Mehr als vier Tage lang waren wir ohne Strom. Als Folge davon war das Fleisch in unserer Tiefkühltruhe verdorben – Nahrung, die schwer zu besorgen war. Die Wasserversorgung setzte zeitweise aus, was uns weitaus mehr Sorgen bereitete. Damals war eines unserer zwei Kinder nur einige Wochen alt.

Vier Tage nach dem Putsch, an einem Freitag, war die Schlagzeile in unserer lokalen Zeitung ein einfaches „Keine Lebensmittel“. Die neue Revolutionsregierung aus jungen, idealistischen Sozialisten hatte Preiskontrollen für Nahrungsmittel eingeführt, was unweigerlich zu einem Engpass führte. Einige Tage danach wurde eine Reihe von älteren Ghanaern, frühere Staatsoberhäupter eingeschlossen, an den örtlichen Strand gebracht und dort kurzerhand erschossen.

Libyens Fingerabdrücke beim Putsch

Es stellte sich später heraus, dass dieser Putsch von Libyens revolutionärem Oberst Muammar al-Gaddafi ermutigt worden war, der selbst zehn Jahre zuvor durch einen Staatsstreich an die Macht gekommen war. Sein jugendlicher Eifer inspirierte andere dazu, seinem Beispiel zu folgen. Ghana war eines von drei Ländern, in denen erfolgreiche Staatsstreiche eine Verbindung mit Libyen aufwiesen.

Einige Monate später besuchte ich Liberia zum zweiten Mal. Als ich zum ersten Mal dorthin reiste, war der amtierende Präsident ein Nachfahre von afroamerikanischen Sklaven, die nach Afrika zurückgekehrt waren und das Land im frühen 19. Jahrhundert gegründet hatten. Bei meinem zweiten Besuch waren er und seine Regierung durch einen Putsch gestürzt worden, der wohl noch gewaltsamer war als der in Ghana. Mehr als zwei Jahrzehnte an Gewalt und Bürgerkrieg sollten folgen, bevor Liberia einen Wiederaufbau in Angriff nehmen konnte. Erneut hatte Libyen seine Hand in dem Putsch.

Ähnliches ereignete sich in Burkina Faso, Ghanas nördlichem Nachbarn, wo Thomas Sankara 1983 an die Macht gelangte. Für einen weiteren marxistischen Revolutionär mit ähnlichen panafrikanischen Idealen wie Gaddafi war Gewalt ein Mittel zum Zweck.

Diese drei Staatsstreiche hatten größere Auswirkungen für mich persönlich. Wie viele Regierungsumstürze in der gesamten Region tatsächlich von Libyens Gaddafi verursacht wurden, kann ich nicht sagen, aber diese drei zählen mit Sicherheit dazu.

Gaddafi und der Terrorismus

Als ich diesen Artikel verfasste, führte Libyens Präsident einen erbitterten Kampf um seinen Thron – und ich gebrauche den Begriff Thron mit Absicht. Obwohl Gaddafi König Idris 1969 gestürzt und eine Republik gegründet hat, hat er ganz offensichtlich versucht, sich eine eigene Dynastie zu schaffen. Er hatte geplant, dass einer seiner Söhne als sein Nachfolger die Regierungsgewalt übernehmen sollte.

Eines ist klar: Wenn Gaddafi nicht durch die Aufständischen am Boden besiegt werden kann – was anscheinend durch die Luftangriffe der NATO allein nicht der Fall sein wird –, wird er mit allen ihm zur Verfügung stehenden gewaltsamen Mitteln zum Gegenschlag gegen die Rebellen ausholen.

In der wöchentlichen Nachrichtenanalyse von Stratfor stellte Scott Stewart am 10. März 2011 die Frage: „Wird Libyen erneut das Zeughaus des Terrorismus werden?“ Er erläuterte seine Frage wie folgt: „Während der 1970er und 1980er Jahre diente Libyen dem Terrorismus als Waffenlager. Während diese Rolle am meisten ins öffentliche Bewusstsein gedrungen sein mag, als umfangreiche Waffenlieferungen abgefangen wurden, die Libyen der provisorischen Irisch-Republikanischen Armee senden wollte, war die libysche Beteiligung bei der Bewaffnung von Terrorgruppen weitaus umfangreicher. Spuren, denen bei den Waffen nachgegangen wurde, die bei Terroranschlägen von Gruppen wie der Organisation des Abu Nidal eingesetzt worden waren, zeigten, dass die Waffen aus Libyen stammten.“

Wegen Libyens fortlaufender Beteiligung an Terroranschlägen gab es häufig Spannungen mit den westlichen Nationen. 1981 schossen die USA zwei libysche Kampfflugzeuge ab, die Libyens Anspruch auf internationale Gewässer im Golf von Sidra durchsetzen wollten. 1986 versenkten die US-Streitkräfte zwei libysche Schiffe und griffen Raketenabschussbasen an, die Raketen auf amerikanische Flugzeuge abgefeuert hatten.

Die Libyer rächten sich, als eine Bombe ein TWA-Flugzeug in Europa aufriss und vier Menschen tötete. Drei Tage später explodierte eine Bombe in einer Disco in Berlin, die von US-Soldaten oft besucht wurde. Drei Besucher – darunter zwei Angehörige der amerikanischen Berlin-Brigade – starben, 200 weitere Menschen wurden verletzt. Als Vergeltung bombardierten US-Kampfjets Libyen.

Alte Rechnungen mit Frankreich und Großbritannien

Gaddafi macht Libyen sicherlich bekannter als sein Vorgänger. 1984 wurde eine britische Polizistin vor der libyschen Botschaft in London erschossen, was eine schwere Verletzung des internationalen Rechts darstellte. Danach wurde die Botschaft elf Tage lang belagert, bis Großbritannien den Libyern erlaubte, das Land zu verlassen.

Am 21. Dezember 1988 wurde PanAm-Flug 103 über Lockerbie in Schottland durch eine Explosion zum Absturz gebracht. Dabei starben 259 Passagiere und Besatzungsmitglieder, ebenso elf weitere Personen am Boden. Ermittler verfolgten die Spur der Bombe zu libyschen Agenten zurück. Erst vor Kurzem hat ein hochrangiger Libyer deutlich gemacht, dass der Einsatz der Bombe durch niemanden außer Oberst Gaddafi genehmigt worden sein konnte.

Es ist interessant, dass die französische Regierung als erste die Flugverbotszone für Libyen vorgeschlagen hat, die Ende März eingerichtet wurde. Vor über 20 Jahren hat Frankreich Libyens Pläne, die Regierung im benachbarten Tschad, einer früheren französischen Kolonie, zu stürzen, durchkreuzt. Als Vergeltung platzierten libysche Agenten im September 1989 eine Bombe an Bord eines französischen Flugzeugs, das von der Hauptstadt des Tschads aus abflog. Alle 170 Menschen an Bord starben.

Die Unruhen in Libyen könnten den islamischen Dschihadisten nutzen, so die Analyse von Scott Stewart: „Der Konflikt in Libyen könnte Dschihadisten in Libyen mehr Handlungsfreiraum geben, als sie seit vielen Jahren genossen haben“, schrieb er. „Diese Bewegungsfreiheit für die Dschihadisten kann nicht nur Auswirkungen in Libyen haben, sondern auch in der weiteren Region – beispielsweise durch Waffenlieferungen.

Es gibt Berichte, wonach ausländische Regierungen darüber diskutieren, ob sie den libyschen Rebellen Waffen liefern sollen. Es ist zwar nicht geklärt, ob solche Überlegungen ernst gemeint sind, doch frühere Bemühungen um die Bewaffnung von Rebellen in Gebieten wie Afghanistan oder Zentralamerika hatten langfristige negative Nachwirkungen.“

Die libyischen Rebellen wollen Gaddafi stürzen und damit ihre Freiheit von einem Tyrannen gewinnen. Was kommt aber danach? Viele wünschen sich ein demokratisches System, doch andere wollen das absolut nicht. Dazu gehören die Dschihadisten, die die Situation zu ihrem Vorteil nutzen wollen.

In einer weiteren Analyse von Stewart mit dem Titel „Libyens Terrorismus-Option“ (23. März 2011) spekulierte er über weitere Terrorakte gegen westliche Nationen, die militärisch in Libyen eingreifen: „Gaddafi weiß genau, dass die NATO-Militäraktionen gegen libysche Militärziele Angriffe sind, die sich gegen sein Regime richten. Er hat Frankreich und Großbritannien gewarnt, dass sie ihr Eingreifen bereuen würden . . .

Das Verhaltensmuster des Gaddafi-Regimes in der Vergangenheit lässt bei Gaddafis Drohungen an die Möglichkeit denken, dass er, verzweifelt und leidend, erneut zu Terror als Vergeltungsmittel für Angriffe gegen sein Regime greifen könnte. Seine Furcht vor Sanktionen und ähnlichen Maßnahmen kann sich leicht in Luft auflösen, wenn er glaubt, er habe nichts mehr zu verlieren.“

Ein kommender Kampf zwischen dem Norden und dem Süden

Diejenigen, die die Prophezeiungen der Bibel kennen, müssen sich nun fragen, ob das ein Vorläufer von Ereignissen ist, die beim Propheten Daniel vorausgesagt wurden: „Und zur Zeit des Endes wird sich der König des Südens mit ihm messen, und der König des Nordens wird mit Wagen, Reitern und vielen Schiffen gegen ihn anstürmen“ (Daniel 11,40).

Hinweise auf die Könige des Nordens und Südens in Kapitel 11 von Daniel beziehen sich auf zwei große Reiche der antiken Welt, die nach dem verfrühten Tod von Alexander dem Großen entstanden. Nach seinem Ableben wurde sein Reich unter seinen vier Generälen aufgeteilt.

Einer war Ptolemäus, der die ptolemäische Dynastie im alten Ägypten gründete, die drei Jahrhunderte später mit dem Tod von Königin Kleopatra endete. Sein Königreich befand sich südlich von Jerusalem, daher die Bezüge auf den „König des Südens“. „König des Nordens“ bezieht sich auf das Reich des griechischen Generals Seleukus und die seleukidische Dynastie, deren Hauptstadt Antiochien war. Es gab oft Konflikte zwischen diesen beiden Mächten.

Zur Endzeit wird es erneut Konflikte zwischen diesen beiden Großmächten der Region geben – zwischen einem wiedererstandenen Römischen Reich in Form einer neuen Supermacht, die ihr Zentrum in Europa hat, und einer Allianz der islamischen Welt im Süden. Die erstere wird in Nordafrika, Ägypten und Libyen eingeschlossen, einfallen – die Gebiete, in denen es in letzter Zeit so viele Unruhen gab.

Größere Terrorattacken gegen Europa, die von Gaddafi oder anderen „terroristenfreundlichen“ Staaten gefördert würden, könnten sicherlich dazu führen, dass die Ereignisse im Hinblick auf die Erfüllung dieser Prophezeiungen an Gewicht gewinnen. Indem die Tumulte im Nahen Osten zunehmen und viele Nationen in Mitleidenschaft ziehen, scheint es wahrscheinlicher, dass als Folge der gegenwärtigen Unruhe dschihadistische Islamisten in der Region an die Macht gelangen und dann möglicherweise danach streben, Europa anzugreifen und so einen großen Krieg zwischen Zivilisationen auslösen.

Wir müssen unser Augenmerk auf den Nahen Osten gerichtet halten. Zum besseren Verständnis der Zukunft dieser Region empfehlen wir Ihnen unsere kostenlose Broschüre Krisenherd Nahost: Was sagt die Bibel über seine Zukunft?. Sie können die Broschüre bei uns bestellen oder sie im Internet als PDF-Datei herunterladen.