In unserer Artikelreihe über die Frucht des Geistes behandeln wir die Tugend Selbstbeherrschung. Die größte Herausforderung in unserem Leben ist oft das eigene Ich zu bändigen.

Von Don Hooser

Im Februar 2010 finden die olympischen Winterspiele in Vancouver statt. Für die meisten Athleten, die hoffen, sich dort erfolgreich gegen die Konkurrenz durchzusetzen, ist dies ein sich sehr schnell näherndes Datum! Sie wissen, dass man, um zu den Besten in der eigenen Sportart zu gehören, jahrelang trainieren muss.

Der Apostel Paulus hat das christliche Leben mit einem Wettlauf verglichen. Er schrieb:

„Ihr kennt das doch: Von allen Läufern, die im Stadion zum Wettlauf starten, gewinnt nur einer den Siegeskranz. Lauft so, dass ihr ihn gewinnt! Wer im Wettkampf siegen will, setzt dafür alles ein. Ein Athlet verzichtet auf vieles, um zu gewinnen. Und wie schnell ist sein Siegeskranz verwelkt! Wir dagegen kämpfen um einen unvergänglichen Preis.

Ich weiß genau, wofür ich kämpfe. Ich laufe nicht irgendeinem ungewissen Ziel entgegen . . . Ich gebe alles für diesen Sieg und hole das Letzte aus meinem Körper heraus. Er muss sich meinem Willen fügen. Denn ich will nicht andere zum Kampf des Glaubens auffordern und selbst untauglich sein“ (1. Korinther 9,24-27; „Hoffnung für alle“-Übersetzung).

In dem größten aller Wettkämpfe, dem Wettkampf ums ewige Leben, kann jeder zu den Gewinnern zählen. Es ist erfreulich, dass man nicht in Konkurrenz mit anderem steht. Im Gegenteil, wir sollten einander helfen und und uns gegenseitig anfeuern!

Diejenigen, die den „unvergänglichen Siegespreis“ empfangen wollen, sollten sich einige Fragen stellen:

Bin ich so entschlossen und eifrig wie ein olympischer Athlet?

Studiere ich die Bibel so intensiv, wie ein Athlet sich darüber informiert, wie er in seiner Sportart erfolgreich sein kann?

Konzentriere ich mich auf mein langfristiges Ziel?

Bin ich bereit, Opfer auf mich zu nehmen, um mein Ziel zu erreichen?

Bin ich eifrig dabei, von meinem Trainer Ratschläge anzunehmen (durch das Gebet und das Bibelstudium)?

Bin ich bereit, bis zum Ende durchzuhalten – die Ziellinie dieses Lebens zu überschreiten – und niemals aufzugeben (Matthäus 24,13)?

Wir können diese Fragen wahrscheinlich nicht jeden Tag mit einem „Ja“ beantworten. Doch wir müssen uns alle mit Sicherheit in diese Richtung bewegen. Das aber erfordert, dass wir uns selbst beherrschen – was den letzten Aspekt der „Frucht des Geistes“ darstellt.

Zuletzt erwähnt, doch nicht unwichtig

Paulus erstellte eine Liste von neun göttlichen Tugenden, die die Frucht von Gottes Geist darstellen – die innerlichen und äußerlichen Auswirkungen davon, dass der heilige Geist in uns wohnt. Es sind „Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung“ (Galater 5,22-23; Einheitsübersetzung).

Was für einen krassen Gegensatz stellt das im Vergleich zu der sündhaften Natur des Menschen dar, deren Eigenschaften Paulus in den Versen 19-21 beschrieben hat!

Ist die Reihenfolge der Auflistung der neun göttlichen Tugenden von Bedeutung? Die erste erwähnte Tugend, die Liebe, ist offensichtlich die wichtigste (1. Korinther 13,1-2. 13). Ist die Selbstbeherrschung daher die geringste Tugend, weil sie am Ende genannt wird? Vielleicht wird Selbstbeherrschung hier als Schlussstein aufgelistet – weil es sehr viel Selbstbeherrschung erfordert, die anderen acht Tugenden umzusetzen! Es erfordert schon allein viel Selbstbeherrschung, die eigene Zunge „im Zaum“ zu halten (Jakobus 1,23; 3,2). Vielleicht hat Paulus die Liebe und die Selbstbeherrschung hier als die beiden „Buchstützen“ für die ganze Liste gesehen.

Diese neun Tugenden wirken eindeutig gemeinsam in Kombination. Nehmen Sie zum Beispiel Langmut, was das Gegenteil von Ungeduld und einem aufbrausenden Verhalten ist. Viele Menschen werden von ihren Gefühlen bestimmt und können ihren Zorn nicht im Zaum halten. Ein Maßstab für menschliche Reife ist in der Tat die Kontrolle über die eigenen Emotionen. Oft genug erlebt man, wie Erwachsene sich zu unkontrollierten Wutanfällen hinreißen lassen.

Selbstbeherrschung durch Flucht

Wir alle erleben die Versuchung zu sündigen – unser ganzes Leben lang. Wenn wir Versuchungen begegnen, müssen wir, soweit wie möglich, danach streben, diesen zu entkommen – zu fliehen. Selbst wenn Sie glauben, über eine starke Selbstbeherrschung zu verfügen, sollten Sie sich in dieser Hinsicht keiner unnötigen Prüfung unterwerfen.

Uns wird zum Beispiel gesagt, dass wir vor bestimmten Dingen fliehen sollten: Wir sollen keinem „Fremden“ nachfolgen (jemandem, der uns mit Lügen verführen will), wir sollen der Hurerei entfliehen (wie das Josef entschlossen tat – 1. Mose 39,12), wir sollen dem Götzendienst entfliehen, der Geldgier und den „Begierden der Jugend“ (Johannes 10,5; 1. Korinther 6,18; 10,14; 1. Timotheus 6,10-11; 2. Timotheus 2,22).

Wir brauchen Selbstbeherrschung, um nicht nur die Dinge zu vermeiden, die völlig böse sind, sondern auch, um den Genuss guter Dinge im Übermaß zu vermeiden. Sprüche 25, Vers 16 warnt uns: „Findest du Honig, so iss davon nur, so viel du bedarfst, dass du nicht zu satt wirst und speist ihn aus.“

Es fehlt oft an der Zurückhaltung, aufzuhören, wenn es angemessen ist. Menschen essen zu viel, trinken zu viel, geben zu viel Geld aus und sind in vielen Dingen maßlos. Wir müssen unsere Begierden kontrollieren, statt zuzulassen, dass unsere Begierden uns kontrollieren. Übermäßiger Genuss kann zu Rauschzuständen und Süchten führen. Auf jeden Fall hat eine Person, die sich solchen Dingen hingibt, die Selbstkontrolle verloren.

Selbstbeherrschung bedeutet auch, dass wir sexuellen Versuchungen nicht nachgeben, ein Thema, das in der Bibel oft angesprochen wird. Tragischerweise nehmen die Normen für Moral und Anstand in der Gesellschaft rapide ab. Besonders sexuelle Sünden richten großen körperlichen, mentalen, emotionalen und geistlichen Schaden an (1. Korinther 6,13-20).

Wegen ihrer Lüste handeln selbst kluge Menschen auf dumme Weise. Sie brauchen da nur an die vielen prominenten Menschen zu denken, die dabei erwischt wurden, als sie ihre Ehepartner betrogen! Sie „herrschen“ möglicherweise über viele andere Menschen, versagen aber darin, ihr eigenes Leben zu beherrschen. Jesus sagte: „Wer eine Frau ansieht, sie zu begehren, der hat schon mit ihr die Ehe gebrochen in seinem Herzen“ (Matthäus 5,28; alle Hervorhebungen durch uns). Wir sollten diesbezüglich Hiobs Beispiel folgen: „Mit meinen Augen habe ich einen Bund geschlossen, niemals ein Mädchen lüstern anzusehen“ (Hiob 31,1; „Hoffnung für alle“-Übersetzung).

Ist Willenskraft etwas Machtvolles?

Das griechische Wort, das als „Selbstbeherrschung“, egkrateia, übersetzt wird, stammt von zwei anderen griechischen Begriffen ab – en und kratos. En bedeutet „in“ und kratos bedeutet „Kraft“ oder „Macht“. Aus diesen griechischen Wurzeln können wir sehen, dass egkrateia im Kern mit innerer Macht oder Kraft zu tun hat. Aber wessen Macht ist das?

Manche Menschen, die Gott nicht kennen, haben einen relativ starken Charakter. Ihre guten Gewohnheiten sind vielleicht auf eine gute Erziehung und bestimmte Erfahrungen zurückzuführen. Vielleicht kommt dann noch eine eigene innere Entschlossenheit hinzu. Aber wir sollten das nicht mit irrigen Behauptungen der „New Age“-Bewegung verwechseln, die davon ausgeht, dass jeder Mensch tief im Innern eine gerechte Macht in sich trägt, die nur angezapft werden muss.

Paulus sagte ganz deutlich, dass der gewöhnliche menschliche Verstand nicht in der Lage ist, Gottes Gesetz gegenüber völlig untertan zu sein (Römer 8,7)! Wir brauchen daher eine „innere Kraft“, die nur von Gott kommen kann.

Jesus sagte: „Der Geist [die innere Haltung] ist willig; aber das Fleisch [die menschliche Willenskraft] ist schwach“ (Matthäus 26,41). Zum Beispiel hatten elf der Jünger Christi die Absicht, ihm treu zu bleiben, aber als die Bekanntschaft mit Jesus für sie zur Gefahr wurde, haben ihn alle verlassen (Vers 56).

Der Begriff „Selbstbeherrschung“ kann daher in einer gewissen Weise irreführend sein. Wirklich wirksame Selbstkontrolle besteht am Ende nicht darin, dass das Selbst sich selbst beherrscht. Wenn wir unserem Fleisch wirklich Herr werden wollen, brauchen wir Gottes Macht als Kontrollinstanz.

„Kraft aus der Höhe“

Kurz bevor Jesus in den Himmel aufstieg, sagte er seinen Jüngern, dass sie „Kraft aus der Höhe“ empfangen würden (Lukas 24,49). In der Tat, als 120 seiner Jünger zehn Tage später gemeinsam das jährliche Pfingstfest feierten, wurden sie plötzlich „alle erfüllt von dem heiligen Geist“ und Gottes Kraft wurde auf eindrucksvolle Weise zur Schau gestellt (Apostelgeschichte 2,1-4).

Eine große Menschenmenge versammelte sich. Petrus erklärte allen, was ein Mensch tun muss, um Gottes Geist zu empfangen: „Kehrt um und jeder von euch lasse sich auf den Namen Jesu Christi taufen zur Vergebung seiner Sünden; dann werdet ihr die Gabe des heiligen Geistes empfangen“ (Apostelgeschichte 2,38; Einheitsübersetzung).

Welche Vorteile bringt es, den heiligen Geist zu haben? Es gibt davon viele, doch von sehr wichtiger Bedeutung ist, dass er uns zu geistlichem Verständnis befähigt. Er versetzt uns in die Lage, die Bibel wirklich zu verstehen (1. Korinther 2,9-11. 14).

Nachdem wir „geistliche Erkenntnis“ erlangt haben, müssen wir ihr „Selbstbeherrschung“ hinzufügen (2. Petrus 1,5-8; Einheitsübersetzung). Mit anderen Worten: Gottes Geist vermittelt die Charakterstärke, diese Erkenntnis in unserem Leben anzuwenden. In dem Maße, wie der Geist uns verwandelt, können wir auch zunehmend die „Frucht“ erkennen, die durch den Geist Gottes in uns geschaffen wird!

Jüngerschaft und Selbstdisziplin

Was ist das Ziel elterlicher Erziehung? Ein Ziel ist, Kindern Selbstdisziplin beizubringen. Diese Selbstdisziplin wird dann allmählich zu einer guten Gewohnheit, die sich im Laufe des Lebens als wertvoll erweisen wird.

Jesus Christus möchte, dass Sie sein Jünger werden und seine Disziplin annehmen. Er sagte: „Wenn ihr euch nach meinen Worten richtet, seid ihr wirklich meine Jünger“ (Johannes 8,31; „Neues Leben“-Übersetzung). Jesu Jünger zu sein bedeutet, dass wir Gehorsam auf der Basis von Selbstdisziplin lernen.

Jesus hat auch gesagt: „Wer mir folgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich täglich und folge mir nach“ (Lukas 9,23). Jesus hat hier weder Buße bzw. Asketismus noch ein mönchhaftes Leben gemeint. Aber trotzdem müssen wir unseren selbstsüchtigen Begierden eine Absage erteilen, um gemäß Gottes Willen zu leben.

Gott gewährt uns Entscheidungsfreiheit bei der Gestaltung unseres Lebens. Wenn wir ihn aber an unserem Leben teilhaben lassen, wird er uns auch ermächtigen, „das Wollen und das Vollbringen nach seinem Wohlgefallen“ umzusetzen (Philipper 2,13).

Zwei Sprüche zeigen den krassen Unterschied zwischen einem Mangel an Selbstbeherrschung und deren unermesslichem Vorteil. Der eine Spruch sagt: „Eine Stadt mit eingerissener Mauer ist ein Mann, der sich nicht beherrscht“ (Sprüche 25,28; Einheitsübersetzung). Er ist ohne Schutz und zum Scheitern verurteilt. Der zweite Spruch sagt: „Ein Geduldiger ist besser als ein Starker und wer sich selbst beherrscht, besser als einer, der Städte gewinnt“ (Sprüche 16,32).

Mit Sicherheit waren wir unser eigener größter geistlicher Feind. Wir können aber daraus Ermutigung gewinnen, dass wir mit Gottes Hilfe diesen Feind besiegen können! Für jeden von uns gilt, über sich selbst zu herrschen, damit wir eines Tages mit Christus in seinem Reich herrschen können.