Der Siegeszug des Heidentums

Von der Redaktion

Als Reaktion auf das Leitthema in unserer letzten Ausgabe meinte ein enttäuschter Leser: „Selbst Voodoo greift hin und wieder auf christliche Elemente zurück.“ Stimmt die Meinung des Lesers, dann wäre das die Ausnahme in umgekehrter Richtung, denn das heutige Christentum mit seinen Traditionen greift unbestrittenerweise auf nicht biblische – also heidnische – Elemente zurück.

Um den Siegeszug des Heidentums zu ermöglichen, musste man sich von den Bräuchen und Praktiken, die Jesus, seinen Aposteln und den ersten Christen bekannt waren, verabschieden. Diesen Abschied verdankt das heutige Christentum dem römischen Kaiser Konstantin. Er verlegte den wöchentlichen Ruhetag vom biblischen Sabbat auf den Sonntag und attackierte die biblischen Feste, die in seinen Augen „jüdisch“ waren.

Während man die Praktiken der Apostel nach und nach verbannte, wurden Traditionen anderer Religionen eingeführt und mit dem Etikett „christlich“ versehen. „Auf so subtile Weise eingeführt, dass selbst die Bischöfe sie nicht erkannten, zogen die alten Götter wie die Mittelmeerluft in ihre Kirchen ein, und sie leben immer noch im christlichen Ritual, in den Ikonen und den Festen des Christentums . . . das alte Lebenszeichen, das ankh, das die Götter in ihren Skulpturen seit Jahrtausenden begleitet hatten, wurde leicht in das christliche Kreuz verwandelt. Die Darstellung von Isis beim Stillen ihres Kindes Horus, Isis Lactans, wurde zur Figur der Jungfrau mit Jesus an ihrer Brust . . .

In Rom wurden Romulus und Remus gegen die biblischen Heiligen Petrus und Paulus eingetauscht. Noch im fünften Jahrhundert musste der Papst die Frühankömmlinge der Gemeinde Petri davon abhalten, die Stufen zur Kirche rückwärts zu begehen in ihrem Versuch, den Sol, den aufgehenden Sonnengott, nicht zu beleidigen. In ähnlicher Weise war der Festtag Sol Invictus am 25. Dezember, der durch das Abschneiden grüner Zweige, an die kleine Lichter gehängt wurden, und das Beschenken im Namen dieses Gottes gefeiert wurde, nun zum Fest der Geburt Christi“ (John Romer, Testament: The Bible and History, Verlag Henry Holt, New York, 1988, Seite 230-231).

Über die „Bekehrung“ manch neuer Christen im fünften Jahrhundert schreibt Professor Guignebert, früher Professor für die Geschichte des Christentums an der Universität Paris: „Die Ungebildeten und Halbchristen . . . hatten keinen ihrer heidnischen Bräuche vergessen . . . Die Bischöfe jener Zeit mussten sich damit begnügen, mit der schockierenden Missbildung des christlichen Glaubens, die sie wahrnahmen, nach besten Kräften durch Experimentieren fertig zu werden . . . [Neubekehrte richtig einzuweisen] kam nicht in Frage; sie mussten damit zufrieden sein, sie nichts mehr als das Sinnbild der Taufe zu lehren und dann in Massen zu taufen. Das Ausmerzen ihres Aberglaubens, den sie intakt bewahrt hatten, wurde auf einen späteren Zeitpunkt verschoben . . . Dieser ,spätere Zeitpunkt‘ kam nie, und die Kirche passte sich so gut sie es konnte ihren Bräuchen und ihrem Glauben an. Auf der anderen Seite waren [die Neubekehrten] damit zufrieden, ihr Heidentum in ein christliches Gewand zu kleiden“ (The Early History of Christianity, New York, 1927 Seite 208-210).

Ähnlich erging es den von Karl dem Großen besiegten Sachsen ca. 400 Jahre später. Mehr dazu lesen Sie in unserem Artikel auf Seite 22 über den Ursprung des auch in Europa in Mode gekommenen Festes Halloween.