Von der Redaktion

Was ist glaubwürdiger: der Text von Homers Ilias oder der Text des Neuen Testamentes? Mancher Leser unserer Zeitschrift erkennt auf den ersten Blick keinen Grund für die Fragestellung. Uns geht es um die Konsequenz bei der Untersuchung altertümlicher Texte und der Voreingenommenheit vieler Forscher gegenüber der Bibel.

Die Ilias steht auf den Lehrplänen vieler deutscher Gymnasien. Deutsche Schüler sollen dieses klassische Werk des Abendlandes kennenlernen. Doch ist die Ilias in der Form, wie sie uns heute vorliegt, wirklich der Text von einst, den Homer geschrieben oder zumindest zusammengetragen haben soll?

Die Ilias soll um ca. 700 v. Chr. entstanden sein. Es gibt nur einige hundert altertümliche Texte der Ilias, von denen die ältesten Papyrusfragmente aus dem 3. Jahrhundert nach Christus stammen, also fast eintausend Jahre nach der Entstehung dieses Werkes. Das älteste Manuskript gar, das die ganze Ilias enthält, datiert aus dem 10. Jahrhundert n. Chr. Doch die Forscher sind von der Authentizität der Texte überzeugt.

Im Gegensatz dazu ist die Fülle der Textzeugnisse beim Neuen Testament überwältigend. Es existieren nämlich mehr als 5000 Manuskripte, die das Neue Testament ganz oder teilweise enthalten. Darunter befinden sich das ganze Neue Testament innerhalb von 200 Jahren nach seiner Entstehungszeit und bedeutende Teile des Neuen Testaments aus der Zeit um 200 n. Chr. Dazu gehört ein kleines Stück eines Papyrusbogens, das in der „John Rylands“-Bibliothek in Manchester (England) aufbewahrt wird. Das Bruchstück enthält Teile des Johannesevangeliums und wurde nach Meinung der Experten vor 150 n. Chr. geschrieben.

Geht man davon aus, dass der letzte Teil des Neuen Testaments Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. geschrieben wurde, dann ist das Textstück aus Johannes keine fünfzig Jahre vom Original entfernt! Dazu schrieb Sir Frederic Kenyon, Direktor des Britischen Museums: „Die Zeitspanne zwischen der Datierung der ursprünglichen Texte und der frühesten erhaltenen Belege ist so klein, dass sie vernachlässigt werden kann, womit uns die letzte Grundlage für jeden Zweifel daran entzogen ist, dass der Text der Heiligen Schrift im Wesentlichen genauso überliefert wurde, wie er ursprünglich lautete“ (F. Kenyon, The Bible and Archaeology, 1940, Seite 288-289).

F. F. Bruce, ehemaliger Professor für Exegese an der Universität von Manchester, schrieb über die textliche Bezeugung des Neuen Testaments im Vergleich zu anderen klassischen Werken: „Wir haben viel mehr Unterlagen für die neutestamentlichen Schriften als für die meisten Schriften klassischer Autoren, deren Echtheit anzuzweifeln niemandem einfallen würde. Wäre das Neue Testament eine Sammlung von weltlichen Schriften, so wäre seine Echtheit im Allgemeinen über alle Zweifel hoch erhaben.“

Die spärliche Authentizität der Ilias reicht aus, um sie als Unterrichtsstoff behandeln zu lassen. Das Neue Testament hingegen mit einer erdrückenden Anzahl von Textzeugnissen ist Angriffen auf die Zuverlässigkeit seiner Überlieferung ausgesetzt. Unser Fazit: Die unterschiedliche Behandlung zeugt von einer Voreingenommenheit gegen die Heilige Schrift.