Wie lautet die biblische Definition eines Christen? Genügt es, sich zu Jesus Christus zu bekennen und sich nach ihm bezeichnen zu lassen?
Von Roger Foster
Ist jeder, der sich in den letzten 2000 Jahren zu Jesus Christus von Nazareth bekannt hat, wirklich ein Christ gewesen? Ist es überhaupt richtig, die Bekehrung eines Menschen zum Christentum zu hinterfragen?
An solchen Fragen nehmen die Menschen, die in der Tat wahre Jünger Jesu Christi sind, keinen Anstoß. Sie kennen nämlich die Worte Jesu und wissen daher, daß Jesus nicht jeden, der sich zu ihm bekennt, zu seiner Nachfolgerschaft zählt. Jesus hat seinen Nachfolgern keine Garantie gegeben, daß sie nicht zu falschen Lehren bzw. einem falschen Christentum verführt werden könnten. Sonst müßte man annehmen, daß die Gesamtheit der unterschiedlichen christlichen Richtungen mit ihren widersprüchlichen Lehren tatsächlich die von ihm gegründete Kirche darstellt.
Nein, Jesus gab seinen Nachfolgern keine Garantie dieser Art. Im Gegenteil: Jesus sprach eine deutliche Sprache und warnte uns vor denen, die „echt“ aussehen, in Wirklichkeit aber gut getarnte Betrüger sind: „Seht euch vor vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber sind sie reißende Wölfe“ (Matthäus 7,15).
Warnung vor falschen Lehrern
In seiner Bergpredigt hatte Jesus vor einem falschen Christentum gewarnt, das sich nicht auf Taten, sondern nur auf ein Bekenntnis gründet: „Nicht alle, die zu mir sagen Herr, Herr, werden in Gottes neue Welt kommen, sondern nur die, die auch tun, was mein Vater im Himmel will“ (Matthäus 7,21; Gute Nachricht Bibel, alle Hervorhebungen durch uns). Etwa 25 Jahre später schrieb Paulus an die Christen in Korinth, daß ihre „Gedanken ... von der Einfalt und Lauterkeit gegenüber Christus [abgewendet werden]“, und zwar von „falschen Aposteln“, die „betrügerische Arbeiter“ waren und sich „als Christi Apostel“ verstellten (2. Korinther 11,3. 13).
Christus und seine Apostel sprachen von falschen Propheten, falschen Aposteln und falschen Brüdern. Sie offenbarten, daß gegensätzliche christliche Religionen aufkommen werden. Eine – die Kirche, die Jesus gründete – wird von Gottes Geist geleitet werden und seinen Lehren treu bleiben. Die anderen – von einem anderen Geist gelenkt und beeinflußt – werden den Namen Christi beanspruchen, seine Lehren aber verdrehen, um eine überzeugende Fälschung der wahren Kirche Gottes zu schaffen.
Alle werden Christi Namen benutzen und sich auf seine Autorität berufen. Alle werden Werke vollbringen, die äußerlich gut und richtig erscheinen. Alle werden für sich in Anspruch nehmen, den wahren Lehren Christi zu folgen. Aber nur eine wird seinen Gründer, Jesus Christus, treu repräsentieren. Die anderen Religionen haben den Verstand und das Herz der Menschen gefangengenommen, indem sie biblisch unhaltbare Bräuche und Lehren mit Christi Namen bekleidet haben, die Jesus und seine Apostel weder praktiziert noch gutgeheißen hatten.
Es dauerte nicht lange nach der Gründung der Gemeinde, bis Jesu Warnung Wirklichkeit wurde. Während die Apostel Jesu bemüht waren, weitere Gemeinden in anderen Ländern aufzubauen, kam ein Phänomen auf, das zu anderen, äußerlich christlich aussehenden Religionen führen sollte. Neue Lehren, die nicht mit der Bibel im Einklang waren, schlichen sich ein. Einige begannen die Gemeinde zu unterwandern, indem sie die Lehren der treuen Apostel in Frage stellten bzw. ihnen offen widersprachen.
Wettstreitende religiöse Führer, die sich als Prediger Jesu tarnten, verbreiteten ihre eigenen Ansichten entgegen der Lehre der Apostel. Zuerst waren sie überwiegend jüdischer Herkunft. Bald erschienen in den Gemeinden aber falsche Lehrer anderer Herkunft. Ihre subversiven Doktrinen bestanden aus einer Mischung heidnischer und fehlgeleiteter jüdischer Philosophien, zusammen mit einem zu der Zeit weitverbreiteten Mystizismus.
Bald wimmelte es von „falschen Aposteln“, „falschen Lehrern“ und „falschen Brüdern“. Ein gefährlicher Trend zeichnete sich durch deren Einfluß ab. Ein Christentum, das sich nicht mehr ausschließlich nach der Lehre der Heiligen Schrift richtete, war geboren.
Gnade statt Gehorsam?
Sobald die ersten Heiden (Nichtjuden) bekehrt wurden, entstand innerhalb der Kirche eine Debatte über Gottes Gesetz. Einige Judenchristen wollten den Heiden die körperliche Beschneidung und andere Bedingungen aus den Zeiten des alten Israel auferlegen. Sie erhoben die Beschneidung zu einer Heilsfrage (Apostelgeschichte 15,1). Dieselben Juden verlangten auch, daß Heidenchristen Tempelzeremonien und -rituale einhalten sollten, die auf das Opfer Christi hingewiesen haben. Die Apostel aber bestanden darauf, daß Christi Opfer für die Vergebung der Sünde durch die Gnade Gottes ausreichend ist (Hebräer 7,26-27).
Die Apostel haben Gottes geistliches Gesetz, das durch die Zehn Gebote zusammengefaßt ist, nie in derselben Kategorie der „Satzungen des Fleisches“ gesehen. Sie haben statt dessen immer den Gehorsam gegenüber den Geboten Gottes unterstützt. Paulus drückte dies sehr deutlich aus: „Beschnitten sein ist nichts, und unbeschnitten sein ist nichts, sondern: Gottes Gebote halten“ (1. Korinther 7,19). Er folgerte: „Wie? Heben wir denn das Gesetz auf durch den Glauben? Das sei ferne! Sondern wir richten das Gesetz auf“ (Römer 3,31).
Skrupellose Prediger stürzten sich auf die Lehren von Paulus und den anderen Aposteln und verdrehten ihre Bedeutung (2. Petrus 3,15-16). Indem sie die Worte der Apostel und die Bedeutung der Gnade und der „Satzungen des Fleisches“ – die nicht mehr notwendig sind – verfälschten, fanden sie einen Weg, ihr gesetzloses Benehmen zu entschuldigen. Ihrer Meinung nach entschuldigte Gnade jegliche Sünde – das Übertreten des Gesetzes –, indem sie ihnen erlaubte, die geistlichen Lehren, die ihnen nicht gefielen, zu mißachten. Sie verdrehten Paulus’ Erklärung, daß Erlösung nicht durch eigene „Werke“ verdient werden kann, in eine Entschuldigung dafür, keine Anstrengungen unternehmen zu müssen, Gott zu gehorchen.
Ein anderes unheilvolles Problem entwickelte sich unter den zerstreuten Gemeinden von Gottes Volk. Statt die Heiden die Gebote Gottes zu lehren, begannen einige Irrlehrer Gottes Gnade auszunutzen. Sie predigten die falsche Idee, daß Christen vom Gesetz befreit seien und ihm nicht länger gehorchen müßten. Gott sagt aber, daß die Übertretung seines Gesetzes Sünde ist (1. Johannes 3,4).
Sünde, nicht Gottes Gesetz, versklavt uns (Römer 6,6). Wir werden frei von der Sklaverei der Sünde, indem wir Gott gehorchen (Vers 17). Paulus erklärt, daß Gehorsam und Gerechtigkeit unzertrennlich sind. „Denn vor Gott sind nicht gerecht, die das Gesetz hören, sondern die das Gesetz tun, werden gerecht sein“ (Römer 2,13).
Gegen Ende des dritten Jahrhunderts waren die Christen, die sich ohne Abstriche zum Gesetz Gottes bekannten, zur deutlichen Minderheit unter denen geworden, die sich zwar Christen nannten, aber faktisch die Nachfolge Christi aufgegeben hatten. Ein anderes, von den Lehren Jesu und dessen Apostel abweichendes Christentum hatte die Oberhand gewonnen. Obwohl in sich uneins, nahmen die Anhänger dieses neuen Christentums schnell zu, auch weil es lehrte, die Erlösung sei ohne echte Reue möglich. Charles Guignebert, Professor für Geschichte des Christentums an der Universität in Paris, beschrieb diesen Prozeß so:
„Zu Beginn des fünften Jahrhunderts traten die Ungebildeten und Halbchristen in großer Zahl in die Kirche ein ... Sie hatten keinen ihrer heidnischen Bräuche vergessen ... Die Bischöfe jener Zeit mußten sich damit begnügen, mit der schockierenden Mißbildung des christlichen Glaubens, die sie wahrnahmen, nach besten Kräften durch Experimentieren fertig zu werden ... [Neubekehrte richtig einzuweisen] kam nicht in Frage; sie mußten damit zufrieden sein, sie nichts mehr als das Sinnbild der Taufe zu lehren und dann die Massen zu taufen. Das Ausmerzen ihres Aberglaubens, den sie intakt bewahrt hatten, wurde auf einen späteren Zeitpunkt verschoben ... Dieser ,spätere‘ Zeitpunkt kam nie, und die Kirche paßte sich, so gut sie es konnte, ihren Bräuchen und ihrem Glauben an. Auf der anderen Seite waren [die Neubekehrten] damit zufrieden, ihr Heidentum in ein christliches Gewand zu kleiden“ (The Early History of Christianity [„Die frühe Geschichte des Christentums“], Seite 208-210; alle Hervorhebungen durch uns).
Ohne Umkehr ist man kein Christ
Sind alle, oder zumindest fast alle, die sich Christen nennen, wahre Nachfolger Jesu? Jesus selbst sagte, daß sich manche auf seinen Namen berufen, ihn aber durch ihr Verhalten leugnen würden. Er sagte, daß sie ihn „Herr, Herr“ nennen, aber nicht tun würden, was er ihnen sagt (Lukas 6,46). Da kein Mensch von Natur aus wie Jesus denkt bzw. handelt, ist ein wahrer Christ jemand, in dessen Leben ein tiefgreifender Richtungswechsel stattgefunden hat.
Zu diesem Richtungswechsel rief der Apostel Petrus seine Landsleute auf. „Deshalb, bereut und kehrt euch zu Gott, damit eure Sünden getilgt werden mögen“ (Apostelgeschichte 3,19; Jüdisches Neues Testament). Der Apostel Paulus schrieb an die Gemeinde in Rom: „Und seid nicht gleichförmig dieser Welt, sondern werdet verwandelt durch die Erneuerung des Sinnes“ (Römer 12,2; Elberfelder Bibel).
Was bedeuten diese Gebote – bereuet, bekehret euch, verwandelt euch – für diejenigen, die zur Gemeinde Gottes gehören wollen?
Das Wort bereuet, aus dem Griechischen metanoeo übersetzt, bedeutet wörtlich „im nachhinein verstehen“. Dies drückt den Gedanken aus, daß jemand seine Sünden erkennen, zugeben und die Notwendigkeit eingestehen muß, seinen Verstand, sein Herz und sein Verhalten zu ändern. Das Wort bekehrt wird im Griechischen mit epistrepho übersetzt, was „umkehren“ bedeutet (Vine’s Complete Expository Dictionary of Old and New Testament Words, 1985).
Das Wort verwandelt ist vom griechischen Wort metamorphoo übersetzt. Es beinhaltet eine große oder vollständige Wandlung – eine Veränderung, die mit der Metamorphose einer Raupe in einen Schmetterling vergleichbar ist. Das heißt, wenn man seine Sünden erkannt und zugegeben hat, unternimmt man außerdem die notwendigen Schritte, um sich von der Sünde abzuwenden, indem man sich Gott zuwendet – man kehrt also um. Man gesteht nicht nur das Falsche ein, sondern man fängt auch an, das Richtige zu tun.
Alle drei Begriffe verdeutlichen die tiefe Veränderung, die Gott von Christen erwartet – eine geistliche Verwandlung, die wir allgemein Bekehrung nennen. Aber niemand kann solch eine bemerkenswerte Veränderung aus eigener Kraft bewältigen.
Im Leben eines wahren Christen ist die Bekehrung der wunderbare Wandel im Denken und Verhalten, der durch den Geist Gottes möglich wird. Nur diejenigen, die bekehrt sind – die durch die Kraft dieses Geistes geistlich verwandelt wurden –, sind Christen. Paulus sagte: „Ihr aber seid nicht fleischlich, sondern geistlich, wenn denn Gottes Geist in euch wohnt. Wer aber Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein“ (Römer 8,9).
Trügerische „Bekehrung“
Diejenigen, die „Christus annehmen“, jedoch nicht wirklich bereuen, haben in Wahrheit eine falsche Bekehrung erfahren, ohne dies jedoch zu erkennen. Jesus sagte deutlich, daß viele Menschen falschen Propheten folgen würden. Dadurch nehmen sie eine falsche Bekehrung an. Wie ist dies überhaupt möglich?
Es passiert, wenn man nicht versteht, was Sünde wirklich ist. Gelehrt wird heute, daß man selektiv gehorchen könne, daß ein vollständiger Gehorsam gegenüber dem Gesetz Gottes nicht länger notwendig, ja nicht einmal möglich sei. Manche glauben einem falschen Evangelium, das lehrt, wir dürfen Teile oder das ganze Gesetz Gottes mißachten.
Die von Jesus vorausgesagten falschen Propheten haben Menschen überzeugt, „an Christus“ zu glauben, ohne seine Lehren wirklich zu verstehen. Diese Menschen sind wohl davon überzeugt, daß die Bibel Gottes Wort ist, aber gleichzeitig glauben sie, sie könnten die Erlösung erlangen, ohne ihren Ungehorsam gegenüber dem Wort Gottes zu bereuen. Wer aber nicht die Auflehnung gegen den Willen Gottes als Lebensausrichtung bereut, hat nicht den heiligen Geist und kann daher nach biblischer Definition auch kein Christ sein (Apostelgeschichte 2,38; Römer 8,9).