Von der Redaktion
Was sind die großen Weltreligionen unserer Zeit? Die Antwort auf die Frage hängt wohl zumindest teilweise von der Definition des Begriffs „Weltreligion“ ab. Weltreligionen zeichnen sich durch die hohe Anzahl ihrer Anhänger, ihre überregionale Verbreitung oder ihren universalen Anspruch aus. Obwohl es unterschiedliche Meinungen über ihre Anzahl gibt, werden fünf Religionen im Allgemeinen mit dem Prädikat „Weltreligion“ versehen: Buddhismus, Christentum, Hinduismus, Islam und Judentum.
Von den fünf genannten Religionen hat das Christentum mit 2,2 Milliarden Menschen die größte zahlenmäßige Vertretung. Mit „nur“ fünfzehn Millionen Anhängern scheint das Judentum dagegen überbewertet zu sein, doch als Teil der Grundlage des Christentums verdient das Judentum durchaus seine Bezeichnung als Weltreligion.
Es gibt eine sechste Weltreligion, die als solche bis heute weitgehend unerkannt geblieben ist. In diesem „Darwin-Jahr“ stellen wir die Frage, ob nicht der Glaube an die Evolution seinen verdienten Platz unter den großen Religionen unserer Zeit einnehmen sollte. Die Evolution erfüllt zweifelsohne die Voraussetzungen für die Bezeichnung als Weltreligion. Hinsichtlich der Anzahl ihrer Anhänger kann sie sich mit den größten Religionen messen lassen. Sie hat nicht nur überregionale, sondern gar weltweite Bedeutung und „erhebt“ einen universalen Anspruch auf das moderne Bildungswesen.
Hinzu kommt, dass die Evolutionstheorie einen wichtigen Aspekt einer Religion aufweist: Ohne eindeutige Beweise „glaubt“ man an bestimmte „Sachverhalte“, die in einigen Fällen sogar naturwissenschaftlichen Gesetzen widersprechen. Das auffälligste Beispiel hierfür ist das Gesetz der Biogenese. Dieses Gesetz besagt, das Leben nur von bereits bestehendem Leben erzeugt werden kann, wie die Experimente von Louis Pasteur im 19. Jahrhundert gezeigt haben.
Niemand war Zeuge des „Urknalls“, noch gibt es unwiderlegbare Beweise dafür, doch er soll stattgefunden haben. Niemand weiß, wie die Materie von selbst bzw. aus dem Nichts entstanden sein soll, doch so soll es gewesen sein. Niemand konnte in den letzten 150 Jahren einen Nachweis erbringen, der die allmähliche Veränderung einer Lebensform in eine andere bzw. in eine neue bestätigt, doch die Evolution soll ein kontinuierlicher Prozess und deshalb auch heute im Gange sein.
Ernst Mayr zufolge „verwirft der Darwinismus alle übernatürlichen Phänomene und Ursachen“ („Darwin’s Influence on Modern Thought“, Scientific American, (Juli 2000, Seite 83). Doch der Darwinismus selbst ist auf eine naturwissenschaftlich nicht nachweisbare Erklärung für den Ursprung der Materie und des Lebens angewiesen. Der Physiker Paul Davies beschrieb den Urknall einst als „wahrhaftiges Wunder, das naturwissenschaftliche Prinzipien übersteigt“ (The Edge of Infinity, New York, Verlag Simon und Schuster, 1981, Seite 161).
Der überzeugte Evolutionist Richard Dawkins räumte vor Jahren ein: „Freilich können wir nicht beweisen, dass es keinen Gott gibt“ (Science and Christian Belief, 1994, Band 7, Seite 47). Noch kann man beweisen, dass die Evolution stattgefunden hat. Nach 150 Jahren nimmt sie ihren Platz als eine der größten Weltreligionen in der Menschheitsgeschichte ein.