„Alle eure Sorge werft auf ihn“, sagt uns der Apostel Petrus (1. Petrus 5,7). Die Erinnerung an einen Glaubensbruder hilft uns, mit unseren Sorgen so umzugehen, wie Gott es uns lehrt.
Von Robin Webber
Im Leben gibt es Schlüsselerlebnisse, die uns bewegen und einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Manche Erlebnisse teilen wir miteinander. Ich erinnere mich an den Augenblick, als ich 1963 von der Ermordung Präsident Kennedys, 1986 von der Explosion der Raumfähre Challenger und 2001 von dem Terroranschlag auf das World Trade Center in New York hörte. Es kommt mir immer noch so vor, als seien diese Ereignisse gestern geschehen.
Andere Erinnerungen sind persönlicher Natur. Eine davon möchte ich mit Ihnen in diesem Beitrag teilen. Ich erinnere mich gut an das Wo, das Wann und vor allem an das Warum dieses Erlebnisses. Es führte mich zu einem umfassenderen Verständnis dessen, was auf der geistlichen Reise wichtig ist, zu der Jesus mich mit seiner Aufforderung „Folgt mir nach!“ eingeladen hatte.
Ich war bei einem schwer kranken Mitglied der Gemeinde zu Besuch. Ich kannte ihn bereits recht gut, aber an diesem Tag sollte ich einen noch tieferen Einblick in seinen Lebensweg bekommen. Als ich sein Schlafzimmer betreten wollte, bemerkte ich über der Tür einen großen Aufkleber, auf dem stand: „Sorgen sind keine Verantwortung, die Gott mir gegeben hat.“
Niedlich, werden Sie vielleicht denken – ein schöner Gedanke für den Tag. Aber erlauben Sie mir, mit Ihnen mehr Einzelheiten zu teilen.
Ein Mann mit wahrer Vision
Dieser Mann war seit seiner frühen Kindheit blind. Jeden Tag wachte er auf und ging durch eine andere Welt als die meine. Jeden Tag konnte er sich der Herausforderung stellen, gegen eine Wand zu stoßen, eine Treppe hinunterzufallen, nach etwas Unerreichbarem zu greifen, nur um leer auszugehen, von jemandem auf dem Gehweg umgestoßen zu werden, von einem Bordstein zu fallen oder auf einem Fußgängerüberweg von einem abgelenkten Fahrer angefahren zu werden. Wenn jemand Grund hätte, sich jeden wachen Moment des Lebens Sorgen zu machen, hätte er diese Person sein können! Aber das war er nicht.
Ich sah ihn oft in der Stadt mit seinem Blindenstock gehen, wie er immer wieder auf das Pflaster vor ihm klopfte und ihn wie einen Minenräumer hin und her schwang, um jedes Hindernis zu erspüren. Aber als ich den Spruch über der Schlafzimmertür las, wurde mir in diesem Moment etwas bewusst.
Ich wusste plötzlich, warum dieser Mann nicht in einer selbst gebauten Kiste lebte, die mit Sorgen und Ängsten ausgekleidet war. Mir wurde klar, wie sein geistliches Herz tickte. Die Botschaft des Aufklebers über seiner Tür, dass Sorgen keine Verantwortung waren, die Gott ihm gegeben hatte, war nicht nur als Zeugnis für andere gedacht.
Es war auch in seinem Herzen versiegelt als ein lebensspendendes Werkzeug, mit dem er durch das Leben ging. Mein blinder Freund „sah“ etwas, was vielen anderen noch nicht bewusst geworden ist – dass Sorgen nicht vom Himmel kommen, sondern irdischen Ursprungs und hausgemacht sind.
Mit den furchtlosen Augen des Glaubens sehen
Deshalb habe ich jetzt eine Frage an Sie: Worüber machen Sie sich Sorgen? Was lebt mietfrei in Ihren Gedanken und betrübt Ihr Herz? Sorgen sind ein dünner Strom zerstörerischer Angst, die durch den Verstand rieseln. Wenn man ihnen nachgibt, schneiden sie einen Kanal, durch den alle anderen Gedanken geleitet werden.
Wie schädlich sind Sorgen, wenn man sie nicht abstellt? Wie es in einer Redewendung heißt, können wir uns auch „zu Tode sorgen“ – zumindest einen „lebendigen Tod“ durch selbst verursachte Lähmung.
Die Folge ist, dass diese Angst uns von Gott abschneidet und uns letztlich zerstören wird. Das Gegenteil ist vertrauensvoller Glaube. Er führt uns in die Nähe Gottes und bringt großen Segen.
Helen Keller, eine taubblinde amerikanische Dozentin, war bekannt für den Ausspruch: „Es gibt niemanden, der so blind ist wie der, der nicht sehen will.“ Mein blinder Freund mag hinsichtlich seines Augenlichts behindert gewesen sein, aber die Augen seines Herzens waren weit geöffnet und „sahen“, wohin Gott ihn führte.
Das Licht Gottes durchdringt alle, die ernsthaft nach ihm suchen. Und wenn man die Einladung Jesu „Folgt mir nach!“ wirklich annimmt, entsteht eine wunderbare innere Fernsicht jenseits der physischen Sinne: „Es ist gekommen, wie geschrieben steht: Was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben. Uns aber hat es Gott offenbart durch seinen Geist; denn der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen der Gottheit“ (1. Korinther 2,9-10).
Gott vertrauen oder sich Sorgen machen?
In der Bergpredigt hat sich Jesus Christus mit dem Thema Sorgen auseinandergesetzt und uns eine außergewöhnliche Landkarte und Reiseausrüstung hinterlassen. Sie soll uns helfen, uns in unserem Leben zurechtzufinden und zu entscheiden, was wir auf unserer Reise mit ihm mitnehmen und was wir verwerfen sollen.
Jesus war mit seinen Zuhörern stets zu Fuß unterwegs. Sie bewegten sich also relativ langsam vorwärts, sodass die Menschen viel aufnehmen konnten, im Gegensatz zu unserer heutigen schnelllebigen, rund um die Uhr arbeitenden Gesellschaft. Dennoch mussten auch sie daran erinnert werden, ihre Augen zu öffnen, um nicht in einer verdunkelten Welt des Zweifels und der Angst zu leben.
Wie wir in Matthäus 6 lesen, sagte Jesus ihnen, dass sie nicht ihre Sorgen, sondern Gott anbeten sollten. Wenn unsere Sorgen im Mittelpunkt unserer Gedanken sind, kommt das der Anbetung gleich. Wir dürfen aber nur einen Meister haben!
„Niemand kann zwei Herren dienen: Entweder er wird den einen hassen und den andern lieben, oder er wird an dem einen hängen und den andern verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon [oder irgendetwas anderem wie Sorgen und Angst]. Darum sage ich euch: Sorgt nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet; auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung?“ (Matthäus 6,24-25).
„Seht die Vögel unter dem Himmel an“, fuhr Jesus fort. „Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr als sie? Wer ist unter euch, der seines Lebens Länge eine Spanne zusetzen könnte, wie sehr er sich auch darum sorgt?“ (Verse 26-27). Haben Sie jemals Spatzen gesehen, die vor Sorge hyperventilieren? Stellen Sie sich vor, wie sie verzweifelt zwitschern: Warum? Wann oder Wie?
„Und warum sorgt ihr euch um die Kleidung? Schaut die Lilien auf dem Feld an, wie sie wachsen: sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht. Ich sage euch, dass auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht gekleidet gewesen ist wie eine von ihnen. Wenn nun Gott das Gras auf dem Feld so kleidet, das doch heute steht und morgen in den Ofen geworfen wird: sollte er das nicht viel mehr für euch tun, ihr Kleingläubigen?
Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen? Was werden wir trinken? Womit werden wir uns kleiden? Nach dem allen trachten die Heiden. Denn euer himmlischer Vater weiß, dass ihr all dessen bedürft. Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen“ (Verse 28-33).
Schluss mit den Sorgen!
Bei dem Trachten nach dem Reich Gottes geht es nicht nur um das Ziel, sondern auch um den Weg dorthin – ein Leben in Rechtschaffenheit. Als seine Kinder erwartet Gott von uns, dass wir vorausschauen und unser Leben planen, aber nicht, dass wir uns von Sorgen und Ängsten überwältigen lassen!
Bedenken Sie, dass wir Gottes Weisheit klein und unwichtig machen, wenn wir ihm hier nicht vertrauen. Wir unterstellen ihm dann, dass er ohne Plan arbeitet und nicht in der Lage ist, das Beste für diejenigen zu tun, die ihm gehören.
Darüber hinaus zweifeln wir an Gottes Liebe, denn Sorgen implizieren, dass er sich wenig um diejenigen kümmert, die ihm ihr Leben anvertraut haben. Sorgen schreien geradezu, dass seine Gnade unzureichend ist. Wenn wir uns Sorgen machen, halten wir Gottes Macht unter Verschluss.
Es ist an der Zeit, das Grübeln abzulegen und unsere eigensinnigen Ängste zu vertreiben! Das allein kann schon beängstigend wirken. Manchmal werden unsere Sorgen zur vertrauten Gewohnheit, weil wir so lange mit ihnen gelebt haben. Wir haben mit ihnen geredet, sie genährt, sie jede Nacht ins Bett gebracht, nur um sie am Morgen wieder zu begrüßen. Legen Sie sie jetzt ab und bitten Sie unseren himmlischen Vater ernsthaft und im Glauben, dass er Sie mit seiner Liebe, Kraft und Weisheit erfüllt und Sie von den Sorgen befreit!
Lassen Sie mich zum Schluss noch etwas von dem Mann erzählen, den ich vor vielen Jahren in seiner Wohnung besucht hatte. Er hatte mich zu sich gebeten, um mir mitzuteilen, dass bei ihm Krebs diagnostiziert worden war. Er bat darum, eingesalbt zu werden, wozu der Apostel Jakobus uns auffordert, wenn wir krank sind:
„Ist jemand unter euch krank, der rufe zu sich die Ältesten der Gemeinde, dass sie über ihm beten und ihn salben mit Öl in dem Namen des Herrn. Und das Gebet des Glaubens wird dem Kranken helfen, und der Herr wird ihn aufrichten . . .“ (Jakobus 5,14-15).
Meinen letzten Besuch bei ihm erlebte ich, als ich über die Schwelle einer anderen Tür in einem Krankenhaus ging. Es gab kein Schild über der Tür, nur eine Zimmernummer. Die irdischen Tage dieses Mannes waren gezählt. Ich teilte ihm aber mit, was ich bei dem Besuch bei ihm zu Hause gelernt hatte und was nun in meinen Gedanken und meinem Herzen eingebettet war.
In diesem Moment, als ein blinder Mann in einer schlimmen Situation allen Grund hatte, sich Sorgen zu machen, erinnerte ich ihn an das Vertrauen in die große Wahrheit, die über der Tür seines Schlafzimmers zu lesen war – dass Sorgen keine Verantwortung waren, die Gott mir oder ihm gegeben hatte.
Er lächelte, wie er immer lächelte, weil er wusste, dass es wahr war. Ich war froh, dass ich es auch wissen durfte. Wir waren beide dadurch gesegnet. Und der gleiche Segen gilt auch Ihnen, wenn Sie Jesu Einladung „Folgt mir nach!“ annehmen.