Kann sich Europa über Wasser halten?

Die anhaltende Finanzkrise lässt einige am Zusammenhalt Europas zweifeln. Laut Bibel stehen Europa unerwartete Veränderungen bevor.

Von Melvin Rhodes

„Downton Abbey“ ist eine britische Sendereihe, die zurzeit in den USA im öffentlichen Sender PBS ausgestrahlt wird und der größte Erfolg des Senders seit Jahren ist. Der Schauplatz für die Serie ist ein englisches Herrenhaus vor und während des Ersten Weltkriegs.

Die erste Folge, die vor einem Jahr ausgestrahlt wurde, handelte vom Untergang der Titanic im April 1912. Der Erbe des erfundenen Herrenhauses gehörte zu den Titanic-Opfern, und sein Erbe – ein weitläufiger Verwandter aus dem Bürgertum – ist die Hauptfigur der Sendereihe. Die letzte Folge des ersten Jahrgangs ging mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs zu Ende.

Zum Auftakt der zweiten Saison in diesem Jahr meinte ein Kommentator, der Untergang der Titanic sei eine Metapher für den Untergang der alten europäischen Ordnung als Konsequenz des Ersten Weltkriegs. Diese Ordnung, die mehr als eintausend Jahre Bestand gehabt hatte, starb ebenso wie die Millionen Soldaten, die sie auf die Schlachtfelder des Krieges geschickt hatte.

Fast zeitgleich mit den neuen Folgen in diesem Jahr kenterte das italienische Kreuzfahrtschiff Costa Concordia. Dabei ertranken 30 Passagiere. Das amerikanische Handelsblatt Wall Street Journal fragte, ob man die Costa Concordia mit der Titanic in der Hinsicht vergleichen könnte, dass sie „eine Vorausschau auf ein großes europäisches Desaster“ sei.

Zwar ließen sich die Verluste beim Kentern der Costa Concordia nicht mit denen der Titanic vergleichen, doch erscheine das Kentern als passende Metapher „für einen Kontinent, auf dem die Bonität von neun Ländern am gleichen Tag [des Unglücks] herabgestuft wurde. Ist der Kapitän nachlässig, kann selbst das größte Schiff kentern. Rettungsversuche nur fünfzehn Meter vom Strand entfernt können bei ruhiger See zum Fiasko werden, wenn die Notsituation nie geprobt wurde und die Besatzung keine Ahnung hat, wie man ein Rettungsboot steuert“ (17. Januar 2012).

Die Bemühungen Europas um die Bewältigung der Euro- und Finanzkrise mögen einige das Überleben der Europäischen Union in Frage stellen lassen. Trotzdem wird es eines Tages ein starkes Europa geben.

Wer verteidigt Europa in Zukunft?

Anfang des Jahres kündigte der amerikanische Präsident Barack Obama eine Neuausrichtung der US-Verteidigungsstragie an. Dazu meinte die britische Zeitschrift The Economist: „Der am wenigsten kommentierte Aspekt der neuen Strategie ist die anscheinend düstere Zukunft der amerikanischen Streitkräfte in Europa.

Die meisten europäischen Länder werden in schlagfertiger Weise als ,Produzenten anstelle von Konsumenten der Sicherheit‘ genannt. Nach dem Abzug aus dem Irak und dem bevorstehenden Abzug aus Afghanistan gibt es die ,strategische Gelegenheit zum Ausbalancieren der amerikanischen militärischen Investition in Europa‘.

Angedeutet wird, dass das amerikanische Militär in Europa ein teures Überbleibsel des Kalten Krieges ist und dass Europas Sicherheit außer durch die Entwicklung einer iranischen Langstreckenrakete nicht ernsthaft bedroht ist, die Amerika angeblich durch die anlaufende Aufstellung des neuen Raketenabwehrschirms neutralisieren wird.“

Der Artikel betonte, dass „Europa fast 80 Prozent der derzeit in Afghanistan stationierten NATO-Steitkräfte stellt“ („The Downgrading of Europe“, 14. Januar 2012). Kehren die USA Europa den Rücken zu, riskieren sie die Isolierung und die Einschränkung ihrer internationalen Handlungsfähigkeit.

Lektionen aus der Geschichte, Warnungen aus der Prophezeiung

Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs sind fast 70 Jahre vergangen. Nach dem Krieg waren hunderttausende Truppen der siegreichen Alliierten in Europa stationiert, in der Mehrzahl Amerikaner. In den vier Jahrzehnten des Kalten Krieges wurde die US-Truppenpräsenz in Europa mit der Notwendigkeit begründet, eine Ausbreitung der russischen Machtsphäre auf dem Kontinent zu verhindern. Die Bundesrepublik Deutschland erwies sich in dieser Zeit als treuer demokratischer Verbündeter. Nun sind zwei Jahrzehnte seit dem Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums vergangen. Da die Russen zurzeit nicht als Gefahr für Europa angesehen werden, gibt es auch keine Rechtfertigung mehr für ein starkes amerikanisches Militär in Europa.

In der Finanz- und Eurokrise fällt Deutschland offensichtlich eine gewisse Führungsrolle zu. Die Europäische Union ist der Welt größter Binnenmarkt, mit Deutschland als wirtschaftliche Supermacht in dessen Mitte. Aufgrund seiner Vergangenheit war Deutschland in den ersten Jahren der europäischen Einigungsbewegung bei Meinungsverschiedenheiten eher zurückhaltend. Das hat sich geändert. Heute lässt sich Berlin keine Lösungen von den Briten oder Franzosen diktieren.

In der Geschichte finden wir viele Beispiele von Nationen, deren ökonomische Stärke später zur politischen und militärischen Dominanz führte. Die Prophezeiungen der Bibel offenbaren den Aufstieg einer Supermacht, die sich aus zehn „Königen“ (oder Nationen) in Europa zusammensetzt, an deren Spitze ein Diktator stehen wird, den die Bibel das „Tier“ nennt. Diese letzte Wiederbelebung des Römischen Reiches wird eine noch größere Gefahr für den Weltfrieden darstellen als das Dritte Reich. Warum? Weil sie nicht durch Eroberung europäischer Länder, sondern durch deren freiwilligen Zusammenschluss entstehen wird.

Darüber hinaus offenbart die Bibel, dass sich diese letzte Union europäischer Nationen dem wiederkehrenden Jesus Christus entgegenstellen wird: „Die zehn Hörner, die du gesehen hast, das sind zehn Könige, die ihr Reich noch nicht empfangen haben; aber wie Könige werden sie für eine Stunde Macht empfangen zusammen mit dem Tier. Diese sind eines Sinnes und geben ihre Kraft und Macht dem Tier. Die werden gegen das Lamm kämpfen und das Lamm wird sie überwinden, denn es ist der Herr aller Herren und der König aller Könige“ (Offenbarung 17,12-14).

Parallelen mit den 1930er Jahren

Vielleicht überrascht Sie unsere Ankündigung eines wiederbelebten Römischen Reiches in Europa. Zurzeit warnen ja einige Beobachter vor einem Auseinanderbrechen der Europäischen Union. Wir erinnern hingegen an die europäische Geschichte des vorigen Jahrhunderts.

1930 steckte der europäische Kontinent in einer tiefen, unüberwindbar erscheinenden wirtschaftlichen Krise. Weniger als zehn Jahre später gelang Deutschland und Italien die Eroberung eines Großteils Europas. Ihr Bündnis mit Japan stürzte die Welt in den Zweiten Weltkrieg, den bisher größten bewaffneten Konflikt in der Menschheitsgeschichte.

Was löste die Krise aus? Eine nach dem Ersten Weltkrieg ohnehin geschwächte deutsche Volkswirtschaft wurde zusätzlich durch Handelsschranken, den New Yorker Börsencrash von 1929 und die daraus resultierende große Depression der 1930er Jahre belastet. Zu Beginn des Jahrzehnts war ein Drittel der deutschen Arbeitnehmerschaft ohne Beschäftigung.

Solche Zustände erwiesen sich als fruchtbarer Boden für extremistische Parteien wie die NSDAP, die im Januar 1933 mit der Regierungsbildung in Berlin beauftragt wurde. Was in den zwölf Jahren danach geschah, ist hinlänglich bekannt.

Eine andere Situation heute

2012 ist die Situation anders als vor 80 Jahren. Deutschland ist eine prosperierende Demokratie nach westlichem Muster und nimmt eine führende Rolle in Europa ein. Wer Deutschland besucht, ist von dem Wohlstand, der offensichtlichen Ordnung und der Kultur des Landes beeindruckt. Der Gesamtwert der Waren, die Deutschland mit seiner Bevölkerung von knapp 82 Millionen Menschen exportiert, übersteigt die Leistung jedes anderen Landes der Welt, einschließlich der Volksrepublik China mit ihrer ca. zwanzigmal größeren Einwohnerzahl.

Aufgrund der Erfahrung mit der Hyperinflation des Jahres 1923, der Depression der 1930er Jahre und dem totalen Zusammenbruch ihrer Wirtschaft am Ende des Zweiten Weltkriegs legen die Deutschen großen Wert auf finanzielle Disziplin. Deutschland verfolgt eine strenge Haushaltspolitik und lehnt es ab – im Gegensatz zu den USA –, die Druckerpresse zur Lösung der Eurokrise anzuwerfen.

Einige Mitglieder der Eurozone befürworten eine Lockerung der strengen Sparpolitik Berlins, doch Deutschland haftet mit ca. 25 Prozent des Gesamtvolumens des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und führt deshalb ein gewichtiges Wort bei allen Beratungen um die Rettung des Euros.

Als Beispiel sei das Gipfeltreffen Ende 2011 erwähnt, als Deutschland, unterstützt von Frankreich, den Fiskalpakt durchsetzte. Dabei wurde das Vorhaben von allen EU-Mitgliedsländern außer Großbritannien akzeptiert. Den Einfluss Deutschlands erkennt man in diesem Fall am Verhalten Dänemarks, das dem Fiskalpakt zustimmte, aber immer eine besonders enge Beziehung zu Großbritannien hatte. Dänemark und Großbritannien wurden beide 1973 in den Vorläufer der EU aufgenommen, die damalige Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG).

Bo Lidegaard, Chefredakteur der dänischen Tageszeitung Politiken, meinte zum Verhalten Dänemarks: „Für die Dänen hat das Leben in der EU die Notwendigkeit mit sich gebracht, das Gleichgewicht zu finden zwischen ihrem Nachbarland und größten Handelspartner Deutschland und Großbritannien, ihrem engen Freund von alters her und ihrem historischen Absatzmarkt für Butter und Schinkenspeck. Kein Land war enttäuschter als Dänemark aufgrund der britischen Ablehnung des Fiskalpakts im Dezember . . . Die Spaltung ist das schlechtmöglichste Szenario für Dänemark“ (14. Januar 2012).

Den Ernst der Lage erkennen

Mit seiner starken Binnenwirtschaft ist Deutschland der Motor der Europäischen Union, die ihren Anfang als Freihandelszone nahm. Doch selbst die deutsche Wirtschaft wächst nicht mehr so stark in einer Zeit, in der Europa auf eine Rezession zuzusteuern scheint. Steht uns eine Wiederholung der 1930er Jahre bevor?

Der starke Gegenwind, dem die Eurozone in den letzten Monaten ausgesetzt war, könnte sich noch zu einem Sturm entwickeln und eine wirtschaftliche Lage herbeiführen, die Ähnlichkeit mit dem Jahrzehnt vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs hat.

Die Finanzierungsprobleme der Banken in Spanien könnten der Vorbote einer noch größeren europäischen Bankenkrise sein. Anfang des Jahres erreichten die Preise für die Kreditausfallversicherungen (bekannt als „Credit Default Swap“ bzw. CDS) europäischer Banken ein historisches Hoch.

„Das Problem ist die mangelnde Liquidität der Banken, und das bereitet ihnen Probleme. Es ist die gleiche Situation wie 2008 unmittelbar vor der Finanzkrise. Ich meine, dass wir im September oder Oktober einen neuen Börsenschock erleben werden, der in seinem Ausmaß der bisher größten Krise nicht nachstehen wird“, meinte ein Kreditberater einer europäischen Bank am Anfang des Jahres, als sich die Liquiditätsprobleme der Banken zuspitzten (The Daily Telegraph, 23. Januar 2012).

Es gibt nicht viele Dinge im Leben, auf die man sich absolut verlassen kann. Doch auf die Prophezeiungen der Bibel ist Verlass! Die in der Bibel vorhergesagte Wiederauferstehung des Römischen Reiches wird wahrscheinlich nicht aus einem langsamen „evolutionären“ Prozess innerhalb der heutigen Europäischen Union resultieren. Stattdessen scheint ein Szenario plausibel zu sein – besonders vor dem Hintergrund der ungelösten Finanzprobleme Europas –, bei dem die endgültige Union aus zehn Nationen aus dem gescheiterten Bemühen um eine Einigung aller europäischen Länder hervorgeht. Europa – und mit ihm der ganzen Welt – stehen große Veränderungen bevor.